Berlin. In „Wie alle anderen auch“ klären die Kommissare Ballauf und Schenk den Mord an einer Obdachlosen auf. So war der „Tatort“ aus Köln.

Unzählige Male misshandelt, schlägt Ella (Ricarda Seifried) dieses eine Mal zurück. Und ihr Mann bleibt blutend auf dem Boden des gutbürgerlichen Wohnzimmers liegen. Nur weg, denkt sich Ella in Panik. Sie weiß nicht, ob er tot oder lebendig ist. Also packt sie ihre Zahnbürste und ein paar Sachen.

Da sie niemanden in Köln kennt, der ihr helfen könnte, landet sie auf der Straße. Wie erklären, warum der neue Kölner Tatort eher ein Sozialdrama war.

Die junge Frau bekommt unerwartet Hilfe von Monika (Rike Eckermann). Sie ist schon seit vielen Jahren obdachlos. Nimmt sich immer wieder der Neulinge an. Bringt ihnen das Überleben auf der Straße bei. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine Freundschaft. Bald schon träumen sie von einer gemeinsamen Wohnung. Doch kurz darauf ist Monika tot. Verbrannt im Schlaf unter einer Brücke.

"Tatort": Das sind fünf spannende Fakten

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    „Tatort“ aus Köln: Ein allgegenwärtiges Verbrechen

    Immer wieder hört und liest man von Obdachlosen, die im Schlaf angezündet werden. Aus diesem allgegenwärtigen Verbrechen macht der „Tatort: Wie alle anderen auch“ einen Fall für die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär). Obwohl die Kölner Ermittler beileibe keine Sozialromantiker sind, spürt man, wie sehr sie dieser Tod schockiert.

    Wieder einmal wuchtige Themen zur Primetime im Ersten am Sonntag, die Regisseurin Nina Wolfrum in teils verstörenden Bildern eingefangen hat. Gleich zu Beginn sieht man in abgehackten, leicht unscharfen Sequenzen, mit welcher Brutalität Ella von ihrem Mann geschlagen wird. 2019 wurden 141.792 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Knapp 115.000 Opfer waren weiblich. Tendenz steigend. Doch die Dunkelziffer ist hoch.

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    Beim Anblick ihres reglosen Mannes, denkt man in Ellas Fall sofort: Das war Notwehr. Also die Polizei rufen, dann ab ins Kranken-, später ins Frauenhaus. Und in jedem Fall einen Anwalt einschalten. In der Realität gibt es allerdings nur wenige Plätze in den Frauenhäusern und die sind meistens belegt.

    So kopflos wie die mit Blutergüssen übersäte, verletzte Ella ist, kann sie in diesem Moment auch kaum ihren klaren Verstand einschalten. Deshalb nimmt sie den erstbesten Ausweg, der sich ihr bietet. Sie taucht unter, um vom Radar zu verschwinden. Will nicht gefunden werden, falls ihr Mann überlebt hat. Auch nicht von der Polizei.

    Schon mehrere Jahre lebt Monika Keller (Rike Eckermann) auf der Straße. Sie verkauft am Kölner Dom Obdachlosenzeitungen.
    Schon mehrere Jahre lebt Monika Keller (Rike Eckermann) auf der Straße. Sie verkauft am Kölner Dom Obdachlosenzeitungen. © WDR/Martin Valentin Menke

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    „Tatort“ aus Köln: Ohne Wohnung keine Chance

    Das Leben auf der Straße ist jedoch ein Kampf jeder gegen jeden, wie Ella schnell erfährt. So hat Monika den Obdachlosen Thomas Stranz (Jean-Luc Bubert) angezeigt, der sie in einer Notunterkunft vergewaltigt hat. Das bringt die Kommissare auf die Spur von Altenpflegerin Katja Fischer (Jana Julia Roth), die laut Monika ebenfalls von Stranz missbraucht wurde. Katja bestreitet alles. Doch Jütte (Roland Riebeling) findet heraus, dass auch sie obdachlos ist, in ihrem Auto schläft. Außerdem könnte Katja im Seniorenheim an das Fentanyl rangekommen sein, mit dem Monika vor ihrem Tod betäubt wurde.

    Bald schon stoßen Ballauf und Schenk überall auf Ungereimtheiten. Und immer wieder landen sie im „Kabäuschen“. Einem Verein, der obdachlosen Frauen hilft. Bei Leiterin Regine Weigand (Hildegard Schroedter) bekommen sie Suppe und Unterstützung. Zudem einen Briefkasten, mit dem sie eine feste Adresse vortäuschen können. Regine „Ohne Wohnung hast du keine Chance. Egal, wie viel du kämpfst und machst und tust, um wieder auf die Beine zu kommen – am Ende gewinnt immer die Straße.“

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    „Tatort“: Rund 678.000 Menschen in Deutschland sind wohnungslos

    Die Zahl der Wohnungslosen wächst in Deutschland. Ihr Elend auch. Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. waren im Jahr 2018 rund 678.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung. Ein Jahr zuvor lag die Zahl noch bei 650.000 Menschen. Ein Grund: Weniger Sozialwohnungen, steigende Mieten. Frauen bleiben dabei oft unsichtbar. Viele versuchen den Anschein zu erwecken, sie führten ein normales Leben.

    Auch Ella will so schnell wie möglich weg von dem Leben auf der Straße. Sie findet Unterschlupf beim Tellerwäscher Axel (Niklas Kohrt), den sie in einem Schnellrestaurant kennen gelernt hat. Bei Axel reicht es so schon kaum zum Leben. Daher lässt er Ella nur widerwillig in seiner Souterrainwohnung schlafen und fordert einen hohen Preis von ihr. Ballauf und Schenk glauben allerdings, dass der Umschlag, den Monika Ella gegeben hat, etwas mit ihrem Tod zu tun hat. Deshalb suchen sie Ella mit allen Mitteln.

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    Im „Tatort“ aus der Feder von Drehbuchautor Jürgen Werner fungiert der Mordfall wie ein Bindeglied, das häusliche Gewalt, Obdachlosigkeit sowie prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse vereint. Unaufgeregt, fast dokumentarisch gefilmt, aber durchaus emotional und mit viel Empathie erzählt, ist der 81. Fall von Ballauf und Schenk mehr Sozialdrama als Krimi. Sehenswert vor allem wegen der starken Frauenfiguren.

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