Berlin. Schulen und Kitas sind derzeit zumindest teilweise geöffnet. Ob weitere Lockerungen nach Ostern möglich sind, ist mehr als fraglich.

  • Die dritte Corona-Welle sorgt auch in Schulen und Kitas für hohe Infektionszahlen
  • Erneut steht die Frage im Raum, ob Schulen und Kitas zum Schutz vor Infektionen komplett schließen müssen
  • Viele Bundesländer hatten eigentlich weitere Öffnungsschritte nach Ostern geplant – abgesichert durch Corona-Tests
  • Die Entscheidung über Schul- und Kitaschließungen liegt eigentlich bei den Ländern
  • Allerdings könnte der Bund sich die Entscheidungshoheit verschaffen

Die Virus-Mutation B 1.1.7 hat Deutschland eine dritte Corona-Welle beschert. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in Deutschland weit über 100, die Neuinfektionen steigen. Die Ausbreitung der Virus-Variante könnte auch Kinder und Jugendliche einer größeren Gefahr aussetzen. Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland infizieren sich laut Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) mit dem Coronavirus.

Das könnte erneut die Diskussion darüber anheizen, ob Schulen und Kitas abermals vollständig schließen müssen. Eigentlich wollten die Bundesländer das mit einer neuen Teststrategie verhindern. Doch kann angesichts der steigenden Inzidenz, auch in niedrigeren Altersgruppen, an den Plänen festgehalten werden? Ein Überblick.

Schulen und Kitas: Keine bundesweite Strategie nach Corona-Gipfel

Bund und Länder sind in der Frage, ob Schulen und Kitas Infektionsherde sind, schon länger uneins. Bei den letzten Beratungsrunden mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten hatte das Bundeskanzleramt immer wieder darauf gepocht, Schulunterricht in Präsenz nur mit einer strengen Teststrategie oder in Gebieten mit niedriger Inzidenz zuzulassen.

In einem Beschlussentwurf des Kanzleramts für den letzten Corona-Gipfel war vorgeschlagen worden, in Landkreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 die Schulen und Kitas zu schließen, sofern Erziehungs- und Lehrkräfte sowie Schüler und betreute Kinder nicht zweimal pro Woche auf das Coronavirus getestet werden können. Von Schließungen unabhängig von Testungen war ab einer Inzidenz von 200 die Rede. Diese Vorschläge fehlten aber im finalen Beschluss.

Die Länderchefs lehnten es ab, dass sich der Bund weiter in die Bildungspolitik – ein klassisches Aufgabengebiet der Bundesländer – einmischt. Seither setzt jede Landesregierung auf eigene Regelungen. Diese unterscheiden sich teilweise erheblich, was auch daran liegen könnte, dass Wissenschaftler weiterhin bei der Frage gespalten sind, ob geöffnete Schulen und Kitas noch zu vertreten sind.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Dritte Corona-Welle: Was passiert mit den Schulen nach Ostern?

In allen 16 Ländern haben Schulen generell zumindest teilweise geöffnet. Unterricht gibt es meist im Wechselmodell oder in geteilten Lerngruppen, allerdings nicht für alle Jahrgangsstufen. Viele Schüler lernen daher nach wie vor im Distanzunterricht. Darüber hinaus gibt es Ausnahmen für einige Regionen mit sehr hohen Inzidenzzahlen.

Auch nach Beginn des Wechselunterrichts ist Distanzlernen für viele Schülerinnen und Schüler an der Tagesordnung.
Auch nach Beginn des Wechselunterrichts ist Distanzlernen für viele Schülerinnen und Schüler an der Tagesordnung. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Vielerorts soll der Präsenzunterricht nach den Osterferien ausgeweitet werden. Ob diese Öffnungsschritte aber tatsächlich möglich sind, ist wegen der dritten Corona-Welle mehr als fraglich. In mehreren Bundesländer wurden für nach Ostern geplante Öffnungsschritte bereits wieder gekippt, unter anderem in Berlin.

Fakt ist auch: In einigen Regionen mussten einzelne Schulen wegen der Infektionslage bereits vor den Osterferien wieder schließen, etwa in folgenden Bundesländern:

  • Nordrhein-Westfalen
  • Sachsen
  • Thüringen

Corona-Tests an Schulen und Kitas sollen Öffnungen absichern

Viele Länder wollen die geplanten Öffnungen der Schulen und Kitas mit Corona-Tests für Schüler, Lehrkräfte und Kita-Beschäftigte absichern. Laut dem letzten Beschluss von Bund und Ländern peilen letztere in Zukunft zwei Tests pro Woche an. Verpflichtend ist diese Zusage jedoch nicht.

Zudem läuft die Verteilung und Organisation regional unterschiedlich gut. Auch die praktische Umsetzung wird vielerorts noch diskutiert. So steht beispielsweise die Frage im Raum, ob die Tests zu Hause oder in der Schule durchgeführt werden sollen. Ein weiteres Problem ist, das die Tests meist freiwillig sind und Eltern nicht verpflichtet sind, der Durchführung zuzustimmen. Das soll sich in vielen Bundesländern nach dem Ferienende ändern.

Schulen und Kitas: So geht es nach den Osterferien weiter

Trotz der dritten Welle will Sachsen Schulen und Kitas nach Ostern unabhängig vom Inzidenzwert öffnen. Im Gegenzug werden die Tests und die Maskenpflicht verschärft, wie Kultusminister Christian Piwarz (CDU) am Dienstag in Dresden sagte. Schüler zweimal wöchentlich testen lassen, bisher war nur ein Test verpflichtend. Künftig werden zudem Grundschüler getestet. Bei den Lehrkräften bleibt es bei zwei Tests pro Woche. Wer sich in Sachsen nicht testen lässt, darf auch nicht die Schule betreten.

Auch in Sachsen-Anhalt werden Tests ab dem 12. April Pflicht. Schüler und Lehrer sollen sich dann zweimal wöchentlich testen lassen oder das Schulgelände nicht mehr betreten dürfen. Die Tests stellt das Land bereit. Schließungen seien zunächst kein Thema in Sachsen-Anhalt, hieß es vom Bildungsministerium.

In Nordrhein-Westfalen wird auch nach Ostern Präsenzunterricht nur mit dezimierter Klassenstärke möglich sein und auch nur in Landkreisen und Städten, in denen die Corona-Zahlen verlässlich unter der Inzidenz von 100 liegen. Auch in Hamburg gilt: Trotz der Diskussionen über einen strengeren Lockdown sollen Schulen und Kitas erst mal nicht schließen. Aktuell erhalten Schülerinnen und Schüler zwei Tests pro Woche.

Kitas als Infektionsherde – drohen Schließungen?

Nicht nur die Corona-Lage in den Schulen spitzt sich zu. Auch in Kindertagesstätten werden immer mehr Neuinfektionen gezählt. Die Anzahl der übermittelten Fälle in der Altersgruppe von 0 bis 5 habe sich seit Mitte Februar vervierfacht, teilte das Bundesfamilienministerium mit. In der vergangenen Woche seien 6318 Fälle in dieser Altersgruppe gemeldet worden, bei rund 3 Millionen Kita-Kindern in etwa 56.000 Einrichtungen.

In den Kitas in Deutschland sind nach Angaben von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey im Schnitt momentan etwa 75 Prozent der Plätze belegt. Man wolle alles versuchen, um den Kitabetrieb aufrecht zu erhalten, wegen der schweren psychischen Belastungen und Stresssituation für Eltern und Kinder bei geschlossenen Einrichtungen. „Deswegen haben wir keine andere Möglichkeit, als das Testen deutlich auf die Kita-Kinder auszuweiten“, so die SPD-Politikerin.

Fast alle Kita-Fachkräfte hätten mittlerweile eine Einladung zum Impfen bekommen und viele Erstimpfungen seien bereits erfolgt, sagte Giffey. Inzwischen seien auch Spucktests zugelassen, die „absolut kindgerecht und zumutbar“ seien. Die Länder müssten diese beschaffen und nicht nur den Fokus auf die Schulen legen.

Schulen und Kitas: RKI spricht sich für Schließungen aus

Ginge es nach der Wissenschaft, würden die Schulen und Kitas in Deutschland bereits vor Ostern schließen. Das Robert Koch-Institut etwa warnte bereits früh vor steigenden Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen. Unter diesen nähmen die Infektionen seit Mitte Februar "sehr rasant zu", sagte RKI-Chef Lothar Wieler. "Wir sehen vermehrt Ausbrüche in Kitas." Aus Sicht des Infektionsschutzes sei eine Schließung von Schulen und Kitas "ein guter Weg".

Bei den Corona-Fällen in den jüngeren Altersgruppen spielt aus Sicht des RKI vor allem die Mutation B 1.1.7 eine Rolle. Wenn Schulen nicht geschlossen werden würden, müssten größere Gruppen wie Klassen und Jahrgänge weiter konsequent in kleinere Gruppen aufgeteilt werden und die Kontakte so beschränkt werden. Dazu bleibt es beim Ratschlag für einen Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht sowie eine gestaffelte Öffnung nach Jahrgängen – mit Distanzunterricht für ältere Schüler.

Corona-Tests und Impfungen – Das fordern die Betroffenen

Von Seiten der Pädagoginnen und Pädagogen kommen deutliche Stimmen, die weitere Öffnungen ablehnen, andere fordern schnelleres Impfen. Schülerverbände drängen auf eine konsequente Umsetzung der Teststrategien.

  • Der Deutsche Lehrerverband fordert vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen schnellere Impfungen für alle Lehrer und dringt auf mehr Tests bei Schülerinnen und Schülern.
  • Die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing erwartet, dass die Osterferien durchgehend zum Impfen und für Impfangebote der Lehrkräfte genutzt werden
  • Wo Schulen diese Woche geöffnet wurden, mahnten Schülervertretungen vielerorts Nachbesserungen bei Schutzkonzepten an oder forderten etwa, ungenutzte Räume als Lernorte zur Verfügung zu stellen. So zum Beispiel in Berlin, wo Landesschülersprecherin Ha Thu Nguyen im RBB-Inforadio erklärte, die zusätzlichen Räume würden vor allem da helfen, wo zu Hause keine Ruhe oder kein Platz zum Lernen sei.
  • „Bei den Tests herrscht absolutes Chaos“, urteilte der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Dario Schramm. „An einem Teil der Schulen funktioniert es reibungslos, an anderen passiert praktisch gar nichts“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschlands. „Die Politik ist in der Verantwortung, dass verlässlich regelmäßig in den Schulen getestet wird – überall.“

Bildung ist Ländersache – so könnte der Bund trotzdem entscheiden

Dass die Regelungen für Schulen und Kitas in der Pandemie so unterschiedlich sind, liegt daran dass die Bundesländer in diesem Bereich die Gesetzgebungskompetenz haben. Sollte sich die Corona-Lage allerdings weiter zuspitzen und in den Ländern nicht gegengesteuert werden, könnte der Bund durch eine gesetzliche Hintertür eingreifen. Damit hatte am Wochende auch schon Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gedroht.

Der Bund kann den Ländern nämlich über das Infektionsschutzrecht weitreichende Vorschriften zur Bekämpfung der Corona-Pandemie machen, die diese genau umzusetzen hätten. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt.

  • Demnach kann der Bund „die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vollumfänglich gesetzlich regeln“, weil er die Gesetzgebungskompetenz für das Infektionsschutzrecht hat.
  • Die Bundesregierung könnte so auch Maßnahmen zum Infektionsschutz in Schulen anordnen.
  • Zwar liege das Schulwesen nach dem Grundgesetz in der ausschließlichen Kompetenz der Länder. Übe der Bund seine Kompetenz aber auf dem Gebiet des Infektionsschutzes aus, indem er zum Beispiel die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen normierte, so täte er dies nicht mit dem Ziel, das Schulwesen zu regeln. Der Schwerpunkt solcher Maßnahmen läge im Bereich des Infektionsschutzes und beträfe nicht das Schulrecht, heißt es in dem Gutachten.

Lesen Sie dazu auch: Corona: Harter Lockdown droht - kommt Ausgangssperre?

(mit dpa/afp)