Berlin. Das Bamf wertet die Handys von Asylbewerbern aus, etwa wenn diese sich nicht ausweisen können. Ein Syrer lässt das Vorgehen nun prüfen.

  • Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nutzt oft Handydaten, um die Identität Geflüchterer festzustellen, die keine Ausweispapiere haben
  • Doch darf das Bamf diese Daten überhaupt nutzen?
  • Nun will sich ein Mann aus Syrien gegen das Vorgehen wehren

Der junge Mohammad A. hat Angst. Als er 2019 bei einer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auftaucht, weil sein Asylantrag überprüft werden soll, will das Amt auch sein Handy haben. Lesen Sie hier: Immer mehr Flüchtlinge kommen mit gefälschtem Pass nach Deutschland - Bundespolizei reagiert.

„Auf einmal hat der Mitarbeiter zu mir gesagt, ich soll mein Handy rausgeben und entsperren. Ich wusste überhaupt nicht, was da genau passiert, man hat mir nichts erklärt“, berichtet Mohammed A. „Aber ich hatte Angst, abgeschoben zu werden. Also habe ich ihm das Handy gegeben.“

Seit 2017 darf das Bamf die Handys von Geflüchteten auswerten – unter Vorgaben

Es ist einer von vielen Fällen, in denen das Bundesamt die Daten der Mobiltelefone von Flüchtlingen ausliest. Seit 2017 dürfen die Asylprüfer vom Bamf das Handy eines Geflüchteten analysieren, sofern sich der Schutzsuchende nicht ausweisen kann, zum Beispiel, wenn er ohne Pass nach Deutschland einreist. Lesen Sie dazu: Flüchtlinge klagen gegen Handyauswertung durch Bamf

Für den Zugriff braucht das Amt keinen konkreten Verdacht, dass der Flüchtling täuscht. Im Schnitt kann rund die Hälfte aller Geflüchteten keine Dokumente vorweisen. Ein Problem für die Bamf-Entscheider, denn sie müssen wissen, wer vor ihnen sitzt und Asyl will. Und jeder Asylsuchende ist per Gesetz verpflichtet, daran „mitzuwirken“. Nur wie weit darf das Bamf gehen?

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Zentrale in Nürnberg: „Datentresor“
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Zentrale in Nürnberg: „Datentresor“ © dpa | Daniel Karmann

Ein Flüchtling beschwert sich jetzt beim Datenschutzbeauftragten

Der syrische Flüchtling Mohammad A. will mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) Beschwerde beim Bundesdatenschutzbeauftragten über die Auswertung seines Handys im Asylverfahren einlegen. Dies erfuhr unsere Redaktion vorab von der Menschenrechtsorganisation. An diesem Montag reicht die GFF die Beschwerde ein und wendet sich damit gegen die Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf).

„Das Datenschutzrecht gilt für alle Menschen, auch für Geflüchtete. Die Handydatenauswertungen des Bamf sind damit schlicht nicht vereinbar“, sagte Lea Beckmann, Juristin der Gesellschaft für Freiheitsrechte. „Jetzt liegt es am Bundesdatenschutzbeauftragten, zu überprüfen, was das Bamf genau tut, und Rechtsbrüchen des Bamf einen Riegel vorzuschieben.“

Innenministerium nennt Datenauswertung „wichtige Quelle“ im Asylverfahren

Das Bundesinnenministerium bezeichnete die Handyauswertung in diesen Fällen als „die einzige oder jedenfalls eine wichtige Quelle für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit einer Person“. Durch enge Vorgaben werde die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte des Asylsuchenden gewahrt. Lesen Sie auch: Bamf: Wie der Staat die Handys von Flüchtlingen auswertet

Jedes Jahr liest das Bundesamt mehrere Tausend Handys von Asylantragstellerinnen und Antragstellern aus, Kinder sind ausgenommen. Alles, was auf dem Handy gespeichert ist, landet in einem „Datentresor“ der Behörde. In etwa einem Drittel der Fälle wertete das Amt die Daten aus dem „Tresor“ tatsächlich aus. Ein Volljurist muss diese Maßnahme vorher genehmigen. Allerdings ist auch er Mitarbeiter des Bamf.

Nur bei zwei Prozent widerlegen die Analysen die Aussagen

Interessant ist das Ergebnis der Auswertung: In 60 Prozent der Fälle ergaben sich nach Angaben des Bundesamtes „keine zusätzlichen Erkenntnisse“ für das Asylverfahren, wie die Behörde im vergangenen Sommer mitgeteilt hatte. In 38 Prozent der Fälle bestätigen die ausgewerteten Daten die Angaben des Geflüchteten. Und nur bei zwei Prozent widerlegen die Analysen die Aussagen.

Innenpolitiker vor allem der CDU befürworten die Handyauswertung durch das Bundesamt. „Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit bemessen sich nicht an Erfolgsquoten, sondern an der Durchsetzung geltenden Rechts“, hatte der CDU-Innenexperte Christoph de Vries vor einiger Zeit unserer Redaktion gesagt. Daher sehe er auch kein Defizit des Eingriffs, auch wenn nur in wenigen Fällen Widersprüche zu den Angaben der Geflüchteten auftauchen.

Eine Klage vor mehreren Gerichten läuft gegen die Handyauswertung bereits

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte sieht diesen Eingriff in die Privatsphäre des Asylantragstellers nicht mit den Grundrechten vereinbar. Neben der nun eingereichten Beschwerde beim Bundesdatenschutzbeauftragten hatte die Organisation bereits im Mai gemeinsam mit mehreren Flüchtlingen vor Gericht Klage gegen die Auswertung der Mobiltelefone im Asylverfahren eingereicht. Über die Fälle ist noch nicht entschieden. Auch der Syrer Mohammad A. hatte sich an der Klage vor Gericht beteiligt. Seinen Schutztitel hat er 2019 erneut erhalten.

Damals, als die Organisation und A. die Klage einreichten, reagierte auch die Datenschutzstelle des Bundes auf Anfrage unserer Redaktion: „Wir haben bei der Umsetzung des Gesetzes beim BAMF versucht darauf hinzuwirken, dass so wenig detaillierte Informationen an den Asylentscheider preisgegeben werden als möglich“, sagte der Experte für das Bamf beim Datenschutzbeauftragten, Klaus Faßbender, im vergangenen Sommer. „Von Beginn an haben wir kritisiert, dass dieser Eingriff in die Privatsphäre eines Menschen nicht verhältnismäßig ist.“ Die Kritik gelte heute umso mehr, denn die Erfahrung der vergangenen Jahre hätten gezeigt, „dass der Erfolg bei der Aufklärung der Fluchtgeschichte eines Menschen mäßig und überschaubar ist“.