Berlin. Jahrelang sind die Renten gestiegen. Damit ist in diesem Jahr Schluss: Wegen der Corona-Pandemie gibt es im Westen gar keine Erhöhung.

Die Corona-Krise sorgt nicht nur für Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt, sie wirkt sich auch auf das Portemonnaie von Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland aus. Erstmals seit dem Jahr 2010 und somit dem Jahr nach der Finanzkrise fällt die Rentenerhöhung in Westdeutschland aus. In den ostdeutschen Bundesländern wird der Angleichungsprozess zwar fortgesetzt – die Steigerung fällt mit 0,72 Prozent aber verschwindend gering aus.


„Zeitverzögert wirkt sich die Krise nun auch auf die Rentenanpassung aus“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Donnerstag in Berlin. Konkret bedeutet das: In Westdeutschland verbleibt der aktuelle Rentenwert zum 1. Juli bei 34,19 Euro. Für Rentner, die ihre Rentenansprüche in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen oder im ehemaligen Ostteil Berlins erworben haben, steigt er um 24 Cent – auf 33,47 Euro.


Die Mini-Anpassung in Ostdeutschland ist möglich, da bis zum Jahr 2024 das Rentenniveau in West- und Ostdeutschland vollständig angeglichen sein soll. Mit der beschlossenen Erhöhung um 0,72 Prozent wird sich das Rentenniveau im Osten in diesem Jahr auf 97,9 Prozent des Westwerts belaufen.

Corona: Rente steigt wegen Krise nicht

Die jährliche Rentenanpassung orientiert sich unter anderem an der Entwicklung der Bruttolöhne in Deutschland. Gemessen wird dabei immer das Vorjahr. Das führte im vergangenen Jahr dazu, dass es trotz Pandemie ein sattes Plus gab: Um 4,2 Prozent stiegen die Renten im Osten, um 3,45 Prozent im Osten – ein Umstand, der für heftigen Streit gesorgt hatte. So hatte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) damals eine Halbierung der Rentenerhöhung vorgeschlagen.

Die Arbeitgeberverbände hatten angeregt, die damalige Rentenerhöhung zeitlich zu strecken. Denn dass die Corona-Krise nicht spurlos an der Lohnentwicklung vorbeigehen würde, war absehbar.


So ist es nun auch gekommen. Die Bruttolöhne sind 2020 nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes um 0,8 Prozent gesunken. Rein rechnerisch würde das sinkende Renten bedeuten. Aufgrund der sogenannten Rentengarantie ist eine Kürzung von Renten aber unzulässig. „Die gesetzlich verankerte Rentengarantie schützt die Rentnerinnen und Rentner auch in schwierigen Zeiten vor Rentenkürzungen“, sagte Arbeitsminister Heil.

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Das sieht Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, ganz anders. „Nullrunde im Westen und Mini-Erhöhung im Osten sind angesichts der Inflation faktische Rentenkürzungen“, sagte Bartsch unserer Redaktion.
Tatsächlich zieht das Preisniveau in diesem Jahr bisher an. So zogen im Fe­bruar die Verbraucherpreise um 1,3 Prozent an, besonders Kraftstoffe wie Diesel und Benzin sowie Heizöl und Erdgas sind seit Jahresbeginn deutlich teurer geworden.

Das liegt zum einen an den steigenden Rohölpreisen, zum anderen aber auch an der seit Jahresbeginn geltenden CO2-Abgabe. Im Vergleich zum Februar von vor einem Jahr sind auch Lebensmittel um 1,4 Prozent teurer geworden. Auch für Dienstleistungen, etwa den Friseurbesuch, müssen Kunden tiefer in die Tasche greifen.

Bereits im vergangenen September ermittelte das Statische Bundesamt, dass die neue Frisur im Zuge der Corona-Pandemie um 6,3 Prozent teurer geworden ist. Höhere Preise bei gleichbleibenden Renten für rund drei Viertel der mehr als 21,6 Millionen Rentner: „Das können sich Rentner und Konjunktur nicht leisten“, schimpft Bartsch und hat auch prompt eine Alternative parat: „Wir sollten in diesem Jahr das Rentenniveau auf 50 Prozent anheben.“

Corona: Sinkende Tendenz der Rente wird sich wohl fortsetzen


Aktuell liegt das Rentenniveau, das die Rente eines Durchschnittsrentners ins Verhältnis zum Durchschnittseinkommen setzt, bei 48 Prozent. Über 50 Prozent lag es zuletzt im Jahr 2011. Und die sinkende Tendenz wird sich wohl fortsetzen.

Zwar soll das Rentenniveau bis 2025 nicht unter 48 Prozent fallen, für die Zeit danach hat die von der Bundesregierung eingesetzte Rentenkommission im vergangenen Jahr in ihrem Abschlussbericht allerdings bereits einen Korridor von 44 bis 49 Prozent empfohlen.

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Rente im Osten werden schrittweise angepasst

Ein höheres Rentenniveau würde entweder steigende Beiträge der Beitragszahler oder einen höheren Bundeszuschuss voraussetzen. Und das ist kostspielig. Nach Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung würde eine Veränderung des Rentenniveaus um nur einen Prozentpunkt mit Aufwendungen von fast sieben Milliarden Euro verbunden sein.


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Ein ganz anderes Modell schlägt dagegen die FDP im Bundestag vor. Sie würde gern eine gesetzliche Aktienrente nach schwedischem Vorbild einführen. Jeder gesetzlich Rentenversicherte soll demnach zwei Prozent seines Einkommens in die Aktienrente einzahlen, je zur Hälfte getragen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Der Beitrag zur gesetzlichen Rente solle entsprechend um zwei Prozentpunkte abgesenkt werden. „Schweden macht vor, dass man Aktiensparen so organisieren kann, dass es sich lohnt und das Risiko gering ist“, sagte FDP-Rentenexperte Johannes Vogel unserer Redaktion. „Die Menschen müssen dabei nicht mehr einzahlen als im bisherigen System, sie erhalten langfristig aber mehr Rente.“


Eine Rechnung, die mit Blick auf die Corona-Krise hätte aufgehen können. Denn an den Finanzmärkten scheint die Pandemie abgehakt. Der Deutsche Aktienindex (Dax) stieg am Donnerstag auf ein neues Rekordhoch von mehr als 14.800 Punkten. Viele Rentner dagegen werden in diesem Jahr leer ausgehen.