Berlin. Vizepräsident Mike Pence hatte sich kürzlich etwas aus Trumps Schatten gelöst. Nun scheint er aber doch zum Noch-Präsidenten zu halten.

  • Der noch amtierende US-Vizepräsident Mike Pence war bisher einer von Präsident Donald Trumps engsten Verbündeten
  • Doch die Loyalität von Pence scheint ein Ende zu haben
  • So zertifizierte er die Ergebnisse der US-Wahl, aus der Joe Biden als Sieger hervorging
  • Nun fordern die Demokraten von Mike Pence, Donald Trump aus dem Amt zu werfen
  • Doch der US-Vizepräsident geht darauf offenbar nicht ein

Auf vielen Fotos mit Noch-US-Präsident Donald Trump ist ein weißhaariger Herr im Hintergrund zu sehen. Während Trump redet, hört Vizepräsident Mike Pence zu. Er steht still da wie ein Zinnsoldat. Ein Edel-Statist, der dem Chef des Weißen Hauses in fast hündischer Ergebenheit zugetan war. Die personifizierte Vasallentreue.

Wenn er mal eine Rede hielt, hatte sie oft den Trump-Hinweis „Unter Ihrer Führung“, eine verbale Verneigung vor dem Staatsoberhaupt. Pence sei ein politischer Wackeldackel, feixten Kritiker des 61-jährigen Ex-Gouverneurs.

Doch am vergangenen Mittwoch sah die Welt einen anderen Mike Pence. Während ein wilder Mob das Kapitol stürmte, in dem die beiden Parlamentskammern Senat und Repräsentantenhaus untergebracht sind, kündigte der Vize seinem Chef die bedingungslose Loyalität auf.

Und nicht nur das: Während Trump ankündigte, nicht zur Vereidigung von Joe Biden am 20. Januar in Washington zu kommen, trifft Pence auch hier eine andere Entscheidung. US-Medienberichten wird er an der Amtseinführung teilnehmen. Biden erklärte, dass Pence bei seiner Vereidigung willkommen sei.

Die Welt lernte am Mittwoch einen neuen Mike Pence kennen

Dass die Verbindung zwischen Trump und Pence zu bröckeln schien, war schon am Mittwoch zu sehen. Der Kongress war zur Zertifizierung der Wahlergebnisse vom 3. November zusammengekommen. Er könne nicht einseitig Stimmen von Wahlleuten ablehnen, sagte Pence mit ruhiger Stimme. Sein Eid zum Schutz der Verfassung erlaube ihm das nicht.

Pence leitete als Vizepräsident die Sitzung des Kongresses. Es ist traditionell eine zeremonielle Funktion, die mit keinerlei Gestaltungs-Kompetenzen verbunden ist. Konservative Republikaner wie der Senator Ted Cruz aus Texas forderten hingegen die Einberufung einer Kommission, die den Vorwurf des „Wahlbetrugs“ untersuchen solle. Auch interessant: Donald Trump trägt die Schuld für die Gewalt am Kapitol

Das Ziel: Neue Elektoren sollten Trump durch ein prozedurales Geschacher den Triumph durch die Hintertür bescheren. Eine mit viel Show versehen Einlage mit dem Ziel, den Wahlsieg des Demokraten Joe Biden doch noch zu kippen. So hatte es Trump immer wieder gefordert.

Mike Pence stellte sich gegen Trumps Blockadeversuch

Doch Pence spielte nicht mit. Auf Twitter distanzierte er sich von den Randalierern. Der „Angriff“ auf das Kapitol werde nicht toleriert, betonte er. Die Beteiligten würden „mit der ganzen Härte des Gesetzes zur Verantwortung gezogen“. Es war ein wichtiges Signal an die über weite Strecken Trump hörigen Republikaner, sich an die rechtstaatlichen Gepflogenheiten zu halten. Pence, ein tiefgläubiger Christ, gilt als Erzkonservativer, der den Evangelikalen nahe steht. Lesen Sie auch: Sturm auf das Kapitol: So reagierten Trump und Biden

Der Präsident schickte nach dem Nein seines Vizes sofort eine Retourkutsche per Twitter. Pence „hat nicht den Mut gehabt zu tun, was getan werden sollte“, schnaubte er. Bereits am Dienstag hatte Pence bei einem Mittagessen mit dem Präsidenten im Weißen Haus signalisiert, dass er Trumps Blockadeversuch nicht mittragte. Er habe nicht die Autorität für die Annullierung einer Wahl am grünen Tisch, berichtete die „New York Times“. Auch interessant: Zentrum der US-Politik: Das ist das Kapitol in Washington

Geht Pences Opposition weiter?

Es dauerte nicht lang, da fragt sich Amerika, ob Pences Opposition möglicherweise noch weitergehen würde. Der Vizepräsident spielt eine Schlüsselrolle bei der Möglichkeit, den Chef des Weißen Hauses auf legale Weise zu entmachten.

  • Der 25. Zusatzartikel zur Verfassung sieht vor, dass der Vize und das Kabinett eine Erklärung an den Kongress schicken, dass Trump unfähig sei, seine Aufgaben auszuführen.
  • Wenn der Präsident dies bestreitet, hätten sie vier Tage Zeit, ihre Einschätzung zu begründen. Am Ende müsste der Kongress darüber abstimmen.

Pence hat in diesen Tagen eine bemerkenswerte Emanzipation von seinem politischen Übervater Trump vollzogen. Ob es ihn dazu bringen wird, wirklich die Absetzung Trumps in die Wege zu leiten, schien zunächst unwahrscheinlich, wie auch die "New York Times" und andere US-Medien berichten.

Der Vizepräsident lehne demnach ab, den 25. Zusatzartikel zu aktivieren. Dabei werde er auch von mehreren Kabinettsmitgliedern unterstützt. Allerdings nimmt auch unter Trumps Republikanern die Kritik am Präsidenten zu: Inzwischen fordern zwei republikanische Senatoren seinen sofortigen Rücktritt.

Lesen Sie hier: Sturm auf Kapitol: Droht Trump ein Amtsenthebungsverfahren?

Entmachtung Trumps: Pence ging nicht auf Aufforderung der Demokraten ein

Doch in den Bestrebungen zur vorzeitigen Absetzung des abgewählten Präsidenten Donald Trump können die US-Demokraten nun nicht auf die Kooperation von Vizepräsident Mike Pence zählen. Pence, von dem die Demokraten nach der Randale von Trump-Anhängern im Kapitol die Entmachtung des Präsidenten mittels eines Zusatzartikels zur Verfassung verlangen, sandte am Montag Signale des Zusammenhalts mit Trump aus.

Pence traf sich mit Trump im Weißen Haus und ließ danach mitteilen, dass er den Verfassungszusatz nicht anwenden wolle. Der Präsident und sein Vize hätten "ein gutes Gespräch" im Oval Office geführt, sagte ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter. Beide wollten bis zum Ende von Trumps Amtszeit am Mittwoch kommender Woche "ihre Arbeit für das Land" fortsetzen.

Der Regierungsmitarbeiter betonte, dass Trump nicht die Absicht habe, als Konsequenz aus der Randale vom vergangenen Mittwoch im Kapitol vorzeitig zurückzutreten. Pence wiederum wolle den 25. Verfassungszusatz zur Absetzung des Präsidenten nicht anwenden.

Resolution der Demokraten: Trump soll für künftige Regierungsämter gesperrt werden

Kurz zuvor hatten die Demokraten des künftigen Präsidenten Joe Biden einen Resolutionsentwurf in das Repräsentantenhaus eingebracht, durch den der Druck auf Pence erhöht werden soll. Demnach soll dem Vizepräsidenten eine Frist von 24 Stunden gesetzt werden, um der Forderung nach Absetzung Trumps auf Grundlage des Verfassungszusatzes nachzukommen. Dieser Artikel ermöglicht es dem Vizepräsidenten und dem Kabinett, den Präsidenten abzusetzen, wenn sie ihn für amtsunfähig halten.

Ob ein Amtsenthebungsverfahren, das parlamentarisch auf den Weg gebracht wird, Aussicht auf Erfolg haben könnte, bleibt allerdings fraglich. Selbst wenn das Repräsentantenhaus diese Woche die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens beschließen würde: Eine Entscheidung im Senat, in dem es geführt würde, wäre vor dem 20. Januar quasi ausgeschlossen. Neben der Amtsenthebung sieht der Resolutionsentwurf aber auch vor, dass Trump für künftige Regierungsämter gesperrt wird. Damit würde ihm eine etwaige Kandidatur 2024 verwehrt. (mit dpa)