Berlin. Finanzminister Olaf Scholz preist die Corona-Hilfen als „Goldstandard“ – doch vielen Kurzarbeitern könnten Nachforderungen drohen.

  • Um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzudämpfen, arbeiten viele Menschen in Kurzarbeit
  • Im Mai waren etwa sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit, im September 2,22 Millionen
  • Das von vielen als Erfolg gefeierte Konzept der Kurzarbeit hat auch seine Schattenseiten

Olaf Scholz (SPD) trat zum Auftakt der Haushaltswoche „oben ohne“ auf. Nicht sein fehlendes Haupthaar ist gemeint, sondern die im Bundestag vorgeschriebene Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Weg zum und vom Rednerpult zur Regierungsbank. Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) rüffelte dafür den Finanzminister. Dieser ließ sich davon nicht beirren, ebenso wenig wie von einer erneuten gigantischen Schuldenaufnahme von 180 Milliarden Euro.

Deutschland werde international wegen seinen massiven Corona-Hilfen bewundert und gelobt, sagte Scholz, um sich anschließend selbst ein Topzeugnis auszustellen: „Das ist der Goldstandard. So muss man es machen, wenn man eine solche große Krise bekämpfen will.“ Wer näher heranzoomt, erkennt aber auch Bereiche, die keineswegs glänzen.

Beschäftigte in Kurzarbeit müssen Steuererklärung abgeben

Von den Novemberhilfen haben Betroffene noch keinen Cent gesehen. Und auch bei der Erfolgsstory Kurzarbeit gibt es Schattenseiten. Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit haben für den Lebensunterhalt über Monate nur 60 Prozent ihres bisherigen Nettogehalts zur Verfügung. Im Mai waren etwa sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit, im September 2,22 Millionen. Über den Winter dürften die Zahlen erneut steigen. Lesen Sie hier: Corona-Hilfen: Was wird aus den staatlichen Sonderzahlungen?

Nun rollt auf die Kurzarbeiter eine unangenehme Überraschung zu: Wer Kurzarbeitergeld bezieht und damit eine staatliche Lohnersatzleistung erhält, muss im Folgejahr eine Steuererklärung abgeben. So sieht es das Einkommensteuergesetz vor. Laut FDP dürfte es bei etwa der Hälfte der Kurzarbeiter sogar das erste Mal sein. Denn die Regelung gilt auch für Beschäftigte, die in Berufen mit niedrigen Löhnen arbeiten und die wegen ihres geringen Verdiensts bislang noch nie eine Steuererklärung einreichen mussten.

Coronavirus-Krise- Was bedeutet eigentlich Kurzarbeit?

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    Der FDP-Finanzexperte Markus Herbrand warnt, dass auf einige Kurzarbeiter sogar eine Steuernachzahlung zukommen könnte. Aufgrund des sogenannten Progressionsvorbehalts im Gesetz könne der Erhalt von Kurzarbeitergeld dazu führen, dass die übrigen steuerpflichtigen Einkünfte aus der Zeit vor oder nach der Kurzarbeit „höher besteuert werden, als dies ohne den Einsatz von Lohnersatzleistungen der Fall wäre“. Das wäre die zweite böse Überraschung.

    „Sehenden Auges wird in Kauf genommen, dass im kommenden Jahr Millionen Menschen von Nachforderungen überrascht werden“, sagte Herbrand.

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