Brüssel. Nach einer illegalen Sex-Party zog Jozsef Szajer Konsequenzen: Der ungarische EU-Abgeordnete trat zurück. Premier Viktor Orban ist außer sich.

Eine von der belgischen Polizei beendete illegale schwule Sex-Party schlägt hohe politische Wellen – in Diplomatenkreisen in der EU, vor allem aber in Ungarn, wo sich die nationalkonservative Regierungspartei Fidesz seit Jahren als Verteidiger traditioneller Familienwerte brüstet.

Am Dienstag war nämlich herausgekommen, dass Jozsef Szajer , ein EU-Abgeordneter der Fidesz, an der illegalen Party teilgenommen hatte. Etwa 25 Männer hatte die Polizei vergangenen Freitagabend laut Medienberichten in einer Wohnung in Brüssel angetroffen – ein klarer Verstoß gegen die strengen Corona-Auflagen im Land. Laut der Staatsanwaltschaft versuchte Szajer noch, über eine Regenrinne zu fliehen .

 Der ungarische Fidesz-Europaabgeordnete Jozsef Szajer, hier auf einer Aufnahme im EU-Parlament von 2016.
Der ungarische Fidesz-Europaabgeordnete Jozsef Szajer, hier auf einer Aufnahme im EU-Parlament von 2016. © dpa | Jean-Francois Badias

In seinem Rucksack wurden zudem Drogen gefunden . Der 59-Jährige räumte die Teilnahme noch am Dienstag öffentlich ein und entschuldigte sich. Zuvor hatte er bereits am Sonntag - ganz überraschend - seinen Rücktritt erklärt, diesen zunächst allerdings mit einer seelischen Belastung durch die Tagespolitik begründet. Der Ungar saß seit 2004 für seine Partei im EU-Parlament.

Szajer spielte Schlüsselrolle bei Kampf für traditionelle Ehe

Für Ungarns Regierungschef und Fidesz-Chef Viktor Orban ist der Fall mehr als peinlich. In der Vergangenheit hatte er mehrfach homophobe Aktionen und die Diskriminierung von Schwulen gebilligt. Szajer selbst spielte eine Schlüsselrolle bei einer durch die Fidesz-Partei vorangetriebenen Verfassungsänderung. Sie legt unter anderem fest, dass die Ehe ein Bund zwischen Mann und Frau sein muss.

Orban selbst reagierte am Mittwoch wütend. Szajers Handeln sei „inakzeptabel und nicht zu rechtfertigen“, hieß es in einer Erklärung des Regierungschefs. Es entspreche nicht „den Werten unserer politischen Familie“. „Er hat die einzig richtige Entscheidung getroffen“, hatte zuvor bereits die Fidesz-Delegation mitgeteilt. Szajer war zuletzt Leiter der Delegation in der Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) , der auch CDU und CSU angehören.

Der Ungar Szajer ist nicht der einzige Politiker, der bei der Party erwischt wurde. Am Mittwoch wurde bekannt, dass auch ein Diplomat aus Estland daran teilgenommen hatte. Das Außenamt in Estlands Hauptstadt Tallinn bestätigte estnischen Medien, dass der Staatsvertreter nach eigenen Angaben bei der Feier gewesen war und wegen eines Verstoßes gegen Corona-Auflagen festgenommen wurde.

Ungarische Opposition wirft Orbans Fidesz-Partei Scheinheiligkeit vor

Obgleich der Diplomat als Privatperson an der Versammlung teilgenommen habe, sei es „bedauerlich“, dass die Person nicht die geltenden Beschränkungen in Belgien eingehalten habe, sagte Ministeriumssprecherin Aari Lemmik.

Laut einem Bericht der Zeitung „Het Laatste Nieuws“ sollen unter den vorwiegend männlichen Gästen der Sex-Party noch weitere Diplomaten gewesen sein. „Plötzlich war mein ganzes Wohnzimmer voller Bullen“, berichtete der Organisator der Party der Zeitung. „Sie fingen sofort an zu schreien: “Personalausweis! Jetzt!’ Aber wir hatten nicht einmal Hosen an, wie in Gottes Namen hätten wir so schnell unseren Ausweis herbeizaubern sollen?“

Die ungarische Opposition wirft der Orban-Partei nun Scheinheiligkeit vor. „Während Fidesz-Politiker uns über Christentum, Familie, traditionelle Geschlechterrollen und Moral belehren, leben sie in Wirklichkeit ein völlig anderes Leben, so weit wie möglich von den Werten entfernt, die sie vertreten“, sagte der Vorsitzende der Oppositionspartei DK, Ferenc Gyurcsany.

(afp/dpa/heg)

Joszef Szájer: Weiteres zur Orbán-Partei