Washington. Würde mit Joe Biden alles besser? Zu erwarten wären eine Rückkehr zu Verlässlichkeit und Anstand, aber auch mehr Forderungen an Europa.

Das Heilsame vorweg: Die Befürchtung, morgens aufzuwachen und die globalen Ausläufer erratischer Twitter-Explosionen zu studieren, wäre mit Joe Biden hinfällig. Mediale Erregungskurven, die Amtsinhaber Donald Trump permanent erzeugt, würden abflachen, falls der Demokrat die US-Präsidentschaftswahl gewinnt. Was aber nicht heißt, dass Joe Biden der Welt, vor allem Europa, nicht jede Menge abverlangen würde.

Stil und Auftreten: Mit Biden würde US-Regierungspolitik entschleunigt, weniger toxisch, berechenbarer und nach Innen wie Außen versöhnlicher und anständiger. Mit dem dann 78-Jährigen träte ein empathischer Makler an die Stelle eines Vor-den-Kopf-Stoßers.

Biden ist für unerschütterliche Kompromisssuche bekannt. Er hat hohe Wertschätzung für internationale Institutionen von UN über WHO bis Nato und alte Allianzen. Vorliebe für autoritäre Herrscher und Möchtegern-Populisten? Keine.

US-Wahl: Wie Biden die Außenpolitik aufräumen will

Außenpolitik: Amerika hat unter Trump weltweit Kredit verspielt. Washington gilt nicht mehr als Partner, auf den man bauen kann. Biden will die Scherben aufsammeln. „Wenn ich gewählt werde, muss ich mit den Staatschefs telefonieren und erklären, Sie können auf uns zählen”, sagte er kürzlich, „ich werden unseren Verbündeten und Freunden zur Seite stehen.” Lesen Sie hier: Umfragen zur US-Wahl: Auf diese Bundesstaaten kommt es an

Problem: Der innenpolitisch von Rassismus bis Staatsverschuldung reichende Schutthaufen, besonders die wirtschaftlichen Kollateralschäden der Corona-Krise, zwingen Biden zur Innensicht.

Nato/Europa: Wie Trump würde auch Biden unmissverständlich darauf drängen, dass die Kosten für Amerikas schwindende Führungsrolle sozialisiert werden. Der Weltpolizist USA, der den Westen klaglos beschützt, käme unter seiner Präsidentschaft nicht zurück. Im Verteidigungs-Bündnis würde Biden die Mitglieder an ihre finanziellen Zusagen erinnern. Die extreme Staatsverschuldung Amerikas lässt ihm keine andere Wahl.

Joe Biden will US-Präsident werden. Bei seiner Vereidigung wäre er 78 – und hätte damit das höchste Alter aller US-Präsidenten bei Amtsantritt.
Joe Biden will US-Präsident werden. Bei seiner Vereidigung wäre er 78 – und hätte damit das höchste Alter aller US-Präsidenten bei Amtsantritt. © AFP | JIM WATSON

China/Russland: Biden wird die geopolitischen Gegenspieler „härter anfassen” als zu Zeiten Barack Obamas, sagen Berater, „aber durchdachter”. Wo Trump Peking im Alleingang mit der Zollkeule kam, will Biden die Europäer als Bündnispartner für eine „Koalition der Demokratien” gewinnen, um Chinas Hegemonialstreben zu bremsen. Moskau würde sich unter Biden an konfrontativere Töne gewöhnen müssen. Das Männerkumpaneiische mit Wladimir Putin der Ära Trump wäre vorbei. Biden: „Einmischung in US-Wahlen wird bestraft.”

Iran: Biden hat die Exhumierung des von Trump beerdigten Atomdeals mit Teheran angekündigt: Details? Noch keine.

Wie Joe Biden die Corona-Pandemie bekämpfen würde

Corona-Krise: Biden will planmäßig die Eindämmung des Virus betreiben, dabei auf „Lockdowns” verzichten, um die Wirtschaft nicht wieder abzuwürgen. Die Test-Kapazität würde ausgebaut und ein Gesundheits-Korps von 100.000 Amerikanern gebildet, das bei Kontakt-Rückverfolgung von Infizierten und der Versorgung von Alleinstehenden und Alten gegen Bezahlung helfen sollen.

Gouverneure aller Bundesstaaten sollen eine Maskenpflicht in der Öffentlichkeit anordnen. Seriöse Wissenschaftler bekämen wieder Vorfahrt im Weißen Haus.

Biden will mit USA dem Pariser Klimaschutzabkommen wieder beitreten

Klimawandel: Der Wieder-Eintritt Amerikas in das Klimaschutz-Abkommen von Paris ist für Biden beschlossene Sache. Dazu würde er einen Weltklimagipfel in Washington veranstalten. Nach seinem Plan, der nicht so radikal ist wie der „Green New Deal” der demokratische Linken, sollen in den USA die Treibhausgasemissionen bis 2050 netto auf null sinken. Lesen Sie hier: Florida: Die Wahl-Schlacht in Amerikas Rentner-Paradies

Biden will fossile Brennstoffe schrittweise durch erneuerbare Energien ersetzen. Zwei Billionen Dollar sollen in eine klimagerechte Infrastruktur investiert werden. Davon verspricht sich Biden zehn Millionen gut dotierte Jobs.

Biden sieht in Deutschland einen unersetzbaren Partner der USA

Deutschland: Biden kennt den Bündnispartner von mehreren Besuchen, schätzt Kanzlerin „Änschela” Merkel aus persönlichen Begegnungen, hat 2015 seiner Enkelin die KZ-Gedenkstätte Dachau gezeigt, sieht in Deutschland einen „unersetzbaren” Partner. Ein baldiger Besuch in Berlin, um die klimatischen Verstimmungen der Trump-Zeit zu beseitigen, wäre keine Überraschung. Lesen Sie hier: Chaos, Klagen, Amtsübergabe: Was in den USA passieren könnte

Aber: Bei Themen wie Verteidigungsausgaben, Handelsüberschuss, Gaspipeline Nordstream 2 würde auch Biden in der Sache hart bleiben. Den angekündigten Abzug von 12.000 US-Soldaten aus Deutschland würde er in Teilen stornieren, heißt es in seinem Umfeld. Außenpolitiker mit Deutschland-Interesse erinnern an das, was Biden 2009 sagte, als er als Vizepräsident im Auftrag Obamas zur Münchner Sicherheitskonferenz einflog: „Amerika wird mehr tun, das ist die gute Nachricht. Aber die schlechte Nachricht ist, dass Amerika auch mehr von seinen Partnern fordern wird.”

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