Berlin. Sie sind potenzielle Rivalen ums Kanzleramt. Jetzt stellte Markus Söder eine Laschet-Biografie vor – und verriet gemeinsame Schwächen.

Die Tasse hat Markus Söder in München gelassen. Am Wochenende rätselte die halbe Nation darüber, warum der CSU-Chef bei einem digitalen Parteitag einen Fanartikel aus der blutrünstigen Fantasy-Saga „Game of Thrones“ auf seinem Schreibtisch drapierte. Am Mittwochmorgen jedenfalls sitzt Söder ohne Motto-Tasse in Berlin und schaut sich im „Meistersaal“ um.

Für Musikfans auf der der ganzen Welt sind das heilige Hallen, in den Hansa-Studios in Kreuzberg spielten schon U2, Iggy Pop, Depeche Mode oder die Toten Hosen ihre Longplayer ein. David Bowie nahm im „Meistersaal“ sein Album „Heroes“ auf. Das dürfte nach dem Geschmack von Söder gewesen sein, obwohl der in der Jugend Franz Josef Strauß Jimi Hendrix vorzog. So oder so gehörte die Bühne dem bayerischen Leader für einen besonderen Auftritt.

Ausgerechnet der CSU-Vorsitzende, der sich im Corona-Krisenmanagement manches Süd-West-Fernduell mit Armin Laschet lieferte und ein potenzieller Rivale um die Kanzlerkandidatur der Union ist, stellte auf Einladung des Essener Klartext-Verlages, einer Tochter der Funke Mediengruppe, die erste Biografie über den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten vor – moderiert vom Chefredakteur der Funke Zentralredaktion, Jörg Quoos. Laschet jettete derweil nach Rom, wo er am Donnerstag von Papst Franziskus empfangen wird.

Stammt Laschet von Karl dem Großen ab? Söder: „Ich stamme von Max ab“

Schlagzeilen machte das Buch „Der Machtmenschliche“ der beiden Journalisten Tobias Blasius und Moritz Küpper bereits, weil sie darin aufdecken, dass die Familie Laschet wohl an eine Abstammung von Karl dem Großen glaubt. Laschets Bruder Patrick ist Hobby-Ahnenforscher. Er trug akribisch Stammbäume zusammen und meint, dass seine Familie über 40 Ecken mit dem einstigen Frankenkönig und Karolinger-Kaiser verbunden sei, der vor 1200 Jahren lebte. Dafür erntete Laschet in den sozialen Medien einigen Spott.

Hat Söder ähnliche prominente Wurzeln aufgetan? „Ich stamme von Max ab, das ist mein Vater“, sagte er. Und erzählt aus dem Nähkästchen, dass sich Laschet über den Rummel zur Abstammungsanekdote ein bisschen aufgeregt habe. Diese Stelle halte Laschet für „überpointiert“, habe dieser ihm erzählt. Was ist bei Söder hängengeblieben nach der Lektüre der kurzweiligen und spannenden Analyse über Laschets Karriere?

Markus Söder im Gespräch mit Jörg Quoos, dem Chef unserer Zentralredaktion, am Mittwoch in Berlin bei der Präsentation der Laschet-Biografie „Der Machtmenschliche
Markus Söder im Gespräch mit Jörg Quoos, dem Chef unserer Zentralredaktion, am Mittwoch in Berlin bei der Präsentation der Laschet-Biografie „Der Machtmenschliche" von Tobias Blasius und Moritz Küpper. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Salat oder Burger? Da tickt Söder doch wie Laschet

Laschet sei ein „humorvoller, ernsthafter, heimatbewusster, sehr lebensfroher Mensch“. Dass der Aachener Laschet dem FC Bayern die Daumen hält, schmeckt dem Nürnberger Club-Fan Söder nicht besonders. Am witzigsten habe er die Anekdote gefunden, als Laschet im Urlaub mal in einen Pool gefallen sei – und nicht sein Handy, sondern den Zigarillo über Wasser gehalten habe.

Beide Ministerpräsidenten eint die Schwäche, in Stresslagen zwischen Terminen auf der Autobahn bei McDonalds & Co. eine Pause einzulegen. „Salat, Salat, Salat“, schreie es im Kopf – aber das „Psycho-Navi“ in der Dienstlimousine schalte dann doch auf Burger um, verriet Söder.

Menschlich ist wohl nicht so viel zwischen beiden: „Ein feiner Mensch, irgendwie“

Deutlich wurde in dem Talk aber auch, dass Söder und Laschet sich privat wohl nie näher gekommen sind. Laschet sei „ein feiner Mensch, irgendwie“, sagte Söder. Er hat den jungen Laschet als einen der CDU-Wilden in Erinnerung, die gerne und heftig gegen die Schwesterpartei im Süden und Edmund Stoiber stänkerten. Umgekehrt rückte Söder das gern kolportierte Klischee gerade, Laschet sei zu soft für die erste Liga. Wer eine NRW-Wahl gegen die SPD gewonnen habe, den respektiere er. „Ich glaub schon, dass er auch mit Macht umgeht.“

Söder selbst kennt das zur Genüge. Der machtbewusste und rhetorisch starke Ex-Journalist wird in viele Schubladen gesteckt. Söder nennt das die „Klischee-Bugwelle“. So erwiderte er auf die Frage, ob er ein eiskalter Machiavellist sei, er habe doch das zweimalige Rücktrittsgesuch seiner bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml nach dem Testchaos abgelehnt. Ohne Menschlichkeit könne kein Politiker erfolgreich sein: „Man muss ein Philantrop sein.“

Söder zu Laschet: „Ich glaube, er traut sich die Kanzlerkandidatur zu“

Aber kann Laschet Kanzler? Darüber rätseln sie ja nicht nur in der Union. Auch die Buchautoren tun sich mit einer Antwort schwer. Laschet sei seine ganze Karriere immer ein Kompromisskandidat gewesen. Viele in der CDU hätten ihn für zu weich gehalten. Laschet sei sich aber mit Stärken und Schwächen stets treu geblieben, sagte Co-Autor Blasius, ein langjähriger „WAZ“-Korrespondent und Vorsitzender der NRW-Landespressekonferenz. Daher rühre der Titel der Biographie, „Der Machtmenschliche“.

Startet Laschet nun durch, holt sich die CDU-Spitze und später das Kanzleramt? Söder sagte: „Ich glaube, er traut sich die Kanzlerkandidatur zu. Warten wir mal ab, wie es weitergeht.“ In zehn Wochen soll beim CDU-Parteitag am 4. Dezember in Stuttgart ein neuer Parteichef gekürt werden. Söder wollte keine Prognose verkünden, wer das Rennen macht. Schließlich muss der CSU-Chef danach mit dem Gewinner in der CDU eng zusammenarbeiten.

Auch Friedrich Merz und Norbert Röttgen seien „hochspannende Persönlichkeiten“. Wie aus dem Buch hervorgeht, fragte der Katholik Laschet vor ein paar Monaten seinen Pfarrer, was der davon halte, CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur? Auf die Idee käme Söder nicht. „Ich fände es relativ ungewöhnlich, wenn man seine Frau nicht fragen würde.“

Ministerpräsident Markus Söder (CSU), und die Autoren Tobias Blasius (l.) und Moritz Küpper (r.) bei der Buchpremiere der Biografie „Der Machtmenschliche - Armin Laschet.“
Ministerpräsident Markus Söder (CSU), und die Autoren Tobias Blasius (l.) und Moritz Küpper (r.) bei der Buchpremiere der Biografie „Der Machtmenschliche - Armin Laschet.“ © dpa | Britta Pedersen

Wo findet das Kandidatenfrühstück statt – in Nürnberg oder Aachen?

Und Söder selbst? Ist sein höheres Ziel, die Krönung seiner Laufbahn, die Kanzlerschaft? „Ich versuche, das Beste für Bayern zu erreichen“, spulte er seine Standardantwort ab. Außerdem gebe es bei der Kanzlerkandidatur ja eingeübte Prozesse in der Union. Mit dem nächsten CDU-Chef wird Söder sich zusammensetzen, wie es einst Edmund Stoiber und Angela Merkel bei einem legendären Frühstück in Wolfratshausen taten. „Und dann, nehme ich an, wird ein Kandidat ausgerufen werden.“

Wann das sein wird, im Januar, Februar oder erst März nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wie Söder sich das denkt, ist noch völlig offen.

  • Lesen Sie hier: CDU-Kandidaten einigen sich auf Fahrplan bis zum Parteitag

Diese unionsinterne Entscheidung sei nicht automatisch ein Ticket zur Macht. Söder warnte die Union erneut davor, sich von den aktuell guten Corona-Umfragen einlullen zu lassen. Da würden sich manche noch schwer täuschen. Das Ansehen von Angela Merkel sei viele Unionswähler entscheidend. Das sei nicht automatisch auf eine andere Person übertragbar. Wichtig seien auch Stil und inhaltliche Ausrichtung der Union. Söder machte deutlich, dass die CDU vor einer großen Richtungsentscheidung in der Zeit nach Merkel stehe, vergleichbar mit der Situation, als die CDU-Überväter Konrad Adenauer und Helmut Kohl abtraten.

Söder lästert über Lindners FDP: Immer nur Pfostenschüsse

Die Union müsse für Modernität stehen – denn die Grünen sind auf dem Vormarsch, wie die NRW-Kommunalwahlen eben erst bewiesen haben. Söder sagte, Schwarz-Grün werde gesellschaftlich von vielen zwar gewünscht. Die Union müsse aber aufpassen, dass die Ökopartei sie nicht über den Tisch ziehe. Für die FDP und deren Parteichef Christian Lindner hatte Söder nur milden Spott übrig. Jamaika-Abbruch, Thüringen-Chaos, Corona, die Liberalen kämen ihm wie ein Fußballer vor, der frei vor der Bude immer nur den Pfosten trifft.

In der Corona-Pandemie wirkten Söder und Laschet wie zwei Antipoden. In München der polternde „Lockdowner“, der ruckzuck die Grenzen dichtmachte. In Düsseldorf der im Aachener Dreiländereck aufgewachsene „Lockerer“, dem Schlagbäume ein Graus sind. Söder, der sonst gern mal Haltungsnoten für andere Ministerpräsidenten verteilt, hielt sich zurück. „Keiner hat den Anspruch auf Wahrheit und Richtigkeit.“ Es gebe in der Pandemie keine Blaupause.

Das Rückspiel kommt bald – dann stellt Laschet eine Söder-Biografie vor

Laschet forderte schon früh in der Pandemie eine Exit-Strategie, um das wirtschaftliche und soziale Leben wieder hochzufahren. Viel Kritik musste er dabei rund um die umstrittene Heinsberg-Studie einstecken. Vor ein paar Wochen aber erhielt der Aachener viel Anerkennung von der Kanzlerin. Angela Merkel bescheinigte Laschet, das nötige Rüstzeug für das Kanzleramt zu haben.

In ein paar Wochen kommt es übrigens zum Rückspiel zwischen Söder und Laschet. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident stellt dann das überarbeitete Buch zweier Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“ über den CSU-Chef vor. Titel: „Der Schattenkanzler“.