Washington. Trump beendet den Nominierungsparteitag der Republikaner mit einer aggressiv-polemischen Rede. Biden stellt er als Sozialisten dar.

Szenen-Applaus und Ovationen im Stehen von Anhängern politischer Parteien auf dem weitläufigen Areal des Weißen Hauses hat es in der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika nicht gegeben. Die Regierungszentrale in Washington ist das „Haus des Volkes” und somit der Neutralität verpflichtet. Perdu.

Zum Abschluss des viertägigen Präsidentschafts-Parteitages der Republikaner hat Amtsinhaber Donald Trump am Donnerstagabend auf dem Südrasen vor rund 1500 geladenen Gästen, die meisten ohne Corona-Atemschutzmasken, mit einer aggressiv-polemischen Marathon-Rede an die Adresse der oppositionellen Demokraten und deren Spitzenkandidat Joe Biden offiziell seine Nominierung für die Wahl im November angenommen. Lesen Sie hier: Nach den Parteitagen – Donald Trumps Chancen auf Wiederwahl gestiegen.

„Wir haben die vergangenen vier Jahre damit zugebracht, die Schäden zu beseitigen, die Joe Biden über 47 Jahre angerichtet hat”, erklärte Trump auf einer eigens aufgebauten Bühne, die in ein Meer amerikanischer Nationalflaggen getaucht war während seiner 70-minütigen Ansprache. (Biden betrat 1973 die politische Bühne).

Donald Trump warnt vor „sozialistischer Agenda“

Bei der Wahl im November, die zur „wichtigsten Wahl in unserer Geschichte” werde, entscheide sich, „ob wir den amerikanischen Traum retten oder ob wir zulassen, dass eine sozialistische Agenda unsere hochgeschätzte Bestimmung zerstört”, sagte Trump.

Sein Herausforderer Joe Biden sei „nicht der Retter der Seele unserer Nation”. Im Fall seiner Wahl werde der 77-Jährige der „Zerstörer amerikanischer Großartigkeit” sein und ein „Arbeitsplatzvernichter”. Die Demokraten seien zu einer Bewegung geworden, „die unseren Lebensstil auf immer zerstören wird”.

Er, Trump, hingegen würde dafür sorgen, dass die US-Wirtschaft in Rekordzeit wieder zu Vollbeschäftigung und Wohlstand komme. Trump versprach die Schaffung von zehn Millionen Arbeitsplätzen binnen zehn Monaten.

Donald Trump, Präsident der USA, und First Lady Melania Trump treffen auf dem Südrasen des Weißen Hauses während des Parteitages der Republikaner ein.
Donald Trump, Präsident der USA, und First Lady Melania Trump treffen auf dem Südrasen des Weißen Hauses während des Parteitages der Republikaner ein. © dpa | Evan Vucci

Donald Trump verspricht: Amerika werde „stärker als jemals zuvor sein”

Für sich und seine Regierung nahm Trump in Anspruch, bis zum Ausbruch der Coronavirus-Epidemie „die stärkste Wirtschaft in der Geschichte der Welt” geschaffen zu haben. Nachdem der „neue, mächtige, unsichtbare Feind” (Corona) besiegt sei, werde Amerika „stärker als jemals zuvor sein”. Trump sprach erneut davon, dass „vor Ende des Jahres oder vielleicht sogar schon früher” ein Impfstoff gegen das Virus zur Verfügung stehen werde.

In einer ausufernd langen Passage trug Trump, immer wieder von Beifall und „Vier weitere Jahre!”-Rufen unterbrochen, seine Leistungsbilanz der vergangenen dreieinhalb Jahre vor: Pariser Klima-Abkommen gekündigt, Öl-Pipelines gebaut, Energie-Unabhängigkeit erreicht, Steuer-Reform verabschiedet, IS-Chef Al Baghdadi und Irans Terror-Führer Suleimani ausgeschaltet, 20.000 Gang-Mitglieder und 500.000 kriminelle Illegale deportiert und, und, und.

Der Auftritt Trumps, dem etliche Vorredner, darunter seine Tochter und Beraterin Ivanka, umfangreiche Danksagungen entgegenbrachten, während außerhalb des Hauses Gegendemonstranten Sirenen aufheulen ließen, war überlagert von extremen Problemen: den Auswirkungen von Hurrikan „Laura”, der just im Süden des Landes schwere Schäden angerichtet hat, den Unruhen und tödlichen Ausschreitungen nach den jüngsten Fällen extremer Polizeibrutalität gegen Schwarze von Minneapolis bis Kenosha und rund 180.000 Coronavirus-Toten. Der mutmaßliche Todesschütze von Kenosha ist Trump Fan.

Demonstranten stoßen während eines Protests gegen US-Präsident Trump in der Nähe des Weißen Hauses mit Polizisten zusammen.
Demonstranten stoßen während eines Protests gegen US-Präsident Trump in der Nähe des Weißen Hauses mit Polizisten zusammen. © dpa | Julio Cortez

Donald Trump arbeitet sich vor allem an Joe Biden ab

Trump stilisierte den Urnengang am 3. November zur Jahrhundert-Wahl: „Zu keinem Zeitpunkt zuvor standen die Wähler vor einer klareren Wahl zwischen zwei Parteien, zwei Visionen, zwei Philosophien oder zwei Agenden.”

Weite Strecken der Rede widmete der Präsident dem Ziel, seinen Herausforderer, den er über 40 Mal erwähnte, nach Strich und Faden zu diskreditieren, ja, zu einer Gefahr für den Bestand der Vereinigten Staaten zu stilisieren. „Joe Biden war seine ganze Karriere über auf der falschen Seite der Geschichte”, sagt Trump und warf dem für moderate Positionen bekannten Politiker vor, ein „trojanisches Pferd für Sozialismus” zu sein, den die „radikale Linke” der Demokraten so schnell wie möglich exekutieren werde. Biden, der “schwach” sei, “keinen Schimmer” habe, erhalte von dort seine “Marschbefehle”.

Am schlimmsten werde sich dies in der inneren Sicherheit auswirken, wo Polizeireviere im ganzen Land mit Finanzkürzungen zu rechnen hätten. „Niemand wird sicher sein in Bidens Amerika”, sagte Trump. Zuvor hat der demokratische Kandidat bereits gekontert: „Wenn Donald Trump heute Abend sagt, dass Sie in Joe Bidens Amerika nicht sicher sein werden, schauen Sie sich um und fragen Sie sich: Wie sicher fühlen Sie sich in Donald Trumps Amerika?”

Zum Abschluss der Politshow, die Trump im Beisein seiner Familie inszenieren ließ, aus der Gattin Melania wegen ihres giftgrünen Kleides herausstach, stiegen über dem Obelisken hinter dem Weißen Haus Feuerwerksraketen in den Nachthimmel. Dazu sang ein Opern-Sänger italienische Arien. Unterdessen arbeiteten die Faktenprüfer diverser US-Zeitungen im Akkord. Trumps Rede-Manuskript enthielt erwartungsgemäß viele Facetten, die nicht der Wahrheit entsprachen, wie Analysten in ersten Stellungnahmen im US-Fernsehen sagten.

Zum Abschluss des Parteitags, nach Donald Trumps Rede, gab es ein Feuerwerk über dem Washington Monument.
Zum Abschluss des Parteitags, nach Donald Trumps Rede, gab es ein Feuerwerk über dem Washington Monument. © AFP | Jose Luis Magana