Berlin. Die „Friday for Future“-Aktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer hatten sich für den Besuch bei Angela Merkel viel vorgenommen.

Am heutigen Donnerstag ist der 20. August, vor zwei Jahren am 20. August 2018 hat die Schwedin Greta Thunberg mit ihrem Schulstreik für das Klima vor dem Reichstag in Stockholm begonnen. Daraus hat sich die weltweite Bewegung „Fridays for Future“ entwickelt, die vor allem jungen Menschen und Schüler anzieht.

Es ist daher kein überhaupt kein Zufall, dass sich Thunberg an diesem Donnerstag, an dem für sie wichtigen Jahrestag, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel traf. Es ist ein Signal an die Welt, dass der Kampf für das Klima und eine saubere Umwelt längst nicht beendet ist und auch nicht durch die weltweite Corona-Pandemie ausgesetzt wird.

Und wie lief es? Merkel bezeichnete nach dem Treffen die Bekämpfung der Erderwärmung als globale Herausforderung. Beide Seiten seien sich in diesem Zusammenhang einig gewesen, dass den Industriestaaten bei der Bewältigung dieser Aufgabe eine besondere Verantwortung zukomme, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag nach dem Treffen in Berlin mit.

Angela Merkel und Greta Thunberg sprechen über CO2-Bepreisung

Basis dafür sei die konsequente Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Zentrales Thema des Gesprächs von Merkel mit Thunberg sowie der deutschen Aktivistin Luisa Neubauer und den Belgierinnen Anuna de Wever van der Heyden und Adélaïde Charlier seien die klimapolitischen Schwerpunkte in der laufenden EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands gewesen, schrieb Seibert weiter.

Als Einzelpunkte nannte er die angestrebte EU-Klimaneutralität bis 2050 sowie die Konkretisierung eines verschärften Zwischenziels für die Treibhausgas-Emissionen bis 2030. Die Kanzlerin und die Vertreterinnen von „Fridays for Future“ hätten auch über die Bedeutung der CO2-Bepreisung sowie über nationale Maßnahmen der Klimapolitik wie den Ausstieg aus der Kohleverstromung diskutiert.

„Nach zwei Jahren der Schulstreiks befindet sich die Welt noch immer in einem Zustand des Leugnens der Klimakrise“, heißt es in einem bereits am Mittwoch veröffentlichten Beitrag im britischen „Guardian“.

Diesen hatte die 17-Jährige Schwedin vorab zusammen mit ihren drei Mitstreiterinnen, der Deutschen Luisa Neubauer und den beiden Belgierinnen Anuna de Wever und Adélaïde Charliér, die ebenfalls beim Treffen mit Merkel dabei waren, verfasst. „Wir können so viele Treffen haben, wie wir wollen, aber der Wille zum Wandel ist nirgends in Sicht.“

Greta Thunberg und Luisa Neubauer wollen Kanzlerin Angela Merkel stellen

Angela Merkel hatte die vier Klimaaktivistinnen für den Donnerstag zum „Meinungsaustausch“ ins Bundeskanzleramt eingeladen. Sie musste sich auf einiges gefasst machen, denn der Beitrag im „Guardian“ beinhaltet viel Kritik, die die Marschroute für das Treffen bereits ankündigt. Der Sprecher der Kanzlerin, Steffen Seibert, verkündete, dass sich Merkel auf den Besuch freue: Mit den jungen Aktivistinnen sollten Fragen des Klimaschutzes auf nationaler sowie auf internationaler Ebene besprochen werden.

„Die Bundeskanzlerin unterstützt, dass junge Menschen auf die Straße gehen und für ambitionierten Klimaschutz kämpfen“, sagte Seibert. Daher freue sich die Kanzlerin auf das Gespräch „und vielleicht tun das auch die Aktiven von Fridays for Future“. Die Begegnung solle „dem gemeinsamen Anliegen des Klimaschutzes“ dienen.

Neubauer erwartete von dem Treffen einen „konstruktiven Austausch“ mit Merkel, wie sie unserer Redaktion vorab sagte. Von Merkel fordert die Neubauer „unbequeme Taten und ungewöhnliche Wege“. Es seien „krasse Zeiten, überall auf der Welt drischt die Klimakrise auf die Menschen ein“

Im Artikel im „Guardian“ beklagen die vier Aktivistinnen auch, dass viele noch nicht begonnen haben, die Klima- und Umweltkrise als Krise zu behandeln, trotz etlicher Naturkatastrophen. Der Abstand zwischen dem, was getan werden müsse, und dem, was tatsächlich getan werde, wachse unentwegt. „Tatsächlich haben wir zwei weitere Jahre durch politische Untätigkeit verloren.“

Greta Thunberg: Die Erwartungen an Deutschland sind hoch

Deutschland hat derzeit die turnusmäßige EU-Ratspräsidentschaft inne. Gerade vor diesem Hintergrund müsse Merkel sich dem Klimanotfall stellen, hieß es in dem Beitrag weiter. „Europa hat eine Verantwortung zu handeln.“ Dazu habe sich die EU im Pariser Weltklimaabkommen verpflichtet.

Lesen Sie nach: Das wurde auf der Weltklimakonferenz in Paris im Jahr 2015 beschlossen.

Bereits im Juni hatte die Organisation „Fridays for Future“ einen Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs öffentlich gemacht, in dem sie mehr Anstrengungen im Kampf gegen die Erderwärmung anmahnten, insbesondere einen sofortigen Stopp von Investitionen in fossile Brennstoffe.

Thunberg schrieb im Internetdienst Twitter, über diesen Brief solle während des auf 90 Minuten angesetzten Gesprächs mit Merkel auch diskutiert werden. Über den Brief hatten die Klimaschützer zuvor auch bereits mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesprochen.

Lesen Sie auch: Warum Greta Thunberg Ursula von der Leyen schwere Vorwürfe macht.

Ärger zwischen Thunberg und Merkel nach UN-Klimagipfel

Zuletzt hatte es zwischen Merkel und Thunberg ein paar Spannungen wegen eines Fotos gegeben. Dieses Bild ist im vergangenen Jahr am Rande des UN-Klimagipfels in New York entstanden. Merkel hatte sich dafür wir viele andere Regierungschefs und Teilnehmer in eine Reihe angestellt. Greta Thunberg hatte sich später kritisch dazu geäußert, dass Politiker sich zwar gern mit ihr fotografieren ließen, aber den Klimaschutz vernachlässigten. Dabei erwähnte sie ausdrücklich auch Merkel.

Angela Merkel musste für das Foto mit Greta Thunberg am Rande des UN-Gipfels in New York im vergangenen Jahr sogar anstehen.
Angela Merkel musste für das Foto mit Greta Thunberg am Rande des UN-Gipfels in New York im vergangenen Jahr sogar anstehen. © ddp images/Bundesregierung | Bundesregierung/Twitter

Unterdessen wurde bekannt, dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 möglicherweise doch einhalten kann. Die angestrebte Emissionsminderung um 40 Prozent verglichen mit 1990 sei „in greifbarer Nähe“, sage ein Sprecher des Bundesumweltministeriums in Berlin. Sicher bestätigt werden könne dies allerdings noch nicht.

In den vergangenen Jahren galt es wegen eines erheblichen Rückstands bei der Emissionsminderung als weitgehend ausgeschlossen, dass Deutschland das 40-Prozent-Ziel rechtzeitig erreichen werde. Doch noch möglich wird dies nun offenbar durch einen starken Rückgang des CO2-Ausstoßes als Folge der Corona-Krise. Experten haben allerdings wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich hier bloß um einen Einmaleffekt handeln dürfte, der nicht nachhaltig sei.

Neubauer blickt trotz „dramatischer Lage“ optimistisch in die Zukunft

Neubauer gibt zudem zu Bedenken, dass weder Deutschland noch Europa auf dem Weg seien, dass Abkommen der Pariser Klimakonferenz einzuhalten. „Die Lage ist dramatisch und mit Blick auf den Klimaschutz desaströs, deshalb gibt es viel zu besprechen“, so Neubauer.

Die Zukunft sieht sie dennoch optimistisch: „Bei all dem Schlimmen, was die Corona-Pandemie den Menschen gebracht hat, zeigt diese Krise aber auch, dass gesellschaftlichen Akteure aus Politik, Regierungen, Medien, Wissenschaft und Bürger und Bürgerinnen in der Lage sind, eine Krise ernst zu nehmen“, glaubt Neubauer. Die Menschen hätten gezeigt, dass sie auf Krisen regieren können und die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Zuletzt gab es die letzten großen Fridays-Future-Proteste in Hamburg:

Fridays for Future in Hamburg- Zehntausende demonstrieren mit Greta Thunberg

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    Der Pandemie-bedingte Rückgang des CO2-Ausstoßes hat voraussichtlich auch zur Folge, dass Deutschland weniger Emissionsrechte bei anderen EU-Staaten zukaufen muss als bisher angenommen. Der Ministeriumssprecher bestätigte im Grundsatz entsprechende Schätzungen des Thinktanks Agora Energiewende. Genaue Zahlen dürften demnach aber erst im kommenden März vorliegen.

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