Berlin. „Sie wollen ja Kanzler werden!“: Bei „Maybrit Illner“ bekam NRWs Ministerpräsident den Corona-Frust einer Reisebüro-Lobbyistin ab.

Vor rund drei Monaten mussten wir uns vor italienischen Verhältnissen fürchten, nun scheine nur noch das Reisen so richtig problematisch zu sein: „Wie gefährlich wird der Urlaub“, wollte Maybrit Illner passend dazu am Donnerstagabend wissen.

Maybrit Illner: Das waren die Gäste

  • Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Bernhard-Nocht-Institut Universität Hamburg
  • Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von NRW und Kandidat für den CDU-Vorsitz
  • Katja Kipping, Parteivorsitzende der Linken
  • Marija Linnhoff, Verbandschefin der unabhängigen Reisebüros
  • Reinhold Messner, Südtiroler und Star-Bergsteiger

Reiseverkehrskauffrau legt sich mit Laschet an: „Sie wollen ja Kanzler werden!“

Einen imposanten Auftritt legte in einer ansonsten müden Runde Marija Linnhoff hin. Mit Nachdruck warb die Verbandschefin der unabhängigen Reisebüros für entschiedene Schritte der Politik: „Wenn Sie es nicht schaffen, sich in den Bundesländern zu einigen, schaffen die es in Brüssel auch nicht“, warf Linnhoff dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Laschet an den Kopf.

„Sie haben doch Einfluss auf Bundesebene!“, forderte sie ihn weiter. Da lächelte Laschet seelig, was Linnhoff sogleich quittierte: „Ja Sie lachen, Sie wollen ja Kanzler werden!“

Urlaub im Ausland: In diese Länder können Sie 2020 reisen

Damit hatte die Lobbyistin einen Punkt. Schließlich ist von einer europäischen Lösung für das Reisen die Rede – doch selbst in den Bundesländern gibt es längst keine einheitlichen Vorgaben. Das führe zu einer großen Verunsicherung, die sich wiederum in vielen Anfragen in den ohnehin gebeutelten Reisebüros niederschlagen würde, stellte Linnhoff fest. Urlaub in Deutschland: Diese Regeln für Urlaub gelten in den Bundesländern

„Daran müssen wir arbeiten“, räumte Laschet ein. Eine Untertreibung, wenn man etwa bedenkt, dass Thüringen weitgehend hochfahren will – und Bayern deswegen mit Gegenmaßnahmen droht. Doch so groß sei der Flickenteppich in Deutschland gar nicht, beschwichtigte der CDU-Politiker. Und kündigte an, weiter auch mit Angela Merkel im Gespräch bleiben zu wollen.

Marija Linnhoff, Vorsitzende Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros, kritisiert, dass bei Urlaub alle Bundesländer eigene Regeln haben.
Marija Linnhoff, Vorsitzende Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros, kritisiert, dass bei Urlaub alle Bundesländer eigene Regeln haben. © ZDF/Svea Pietschmann

Diskussion bei Maybrit Illner: Ist Reisen 2020 überhaupt vernünftig?

Doch wohin sollte man überhaupt Reisen? „Die Gebirge geben Möglichkeit zur Gesundung“, empfahl nicht ganz uneigennützig Reinhold Messner, der auch Unternehmer ist. Beim Blick auf die Infektionszahlen stellte die Runde fest, dass Griechenland und Portugal aktuell relativ entspannte Ziele in Europa wären – so denn die Reisebeschränkungen aufgehoben werden.

Hintergrund: Was Touristen bei Reisen nach Griechenland 2020 beachten müssen

Doch wäre das überhaupt vernünftig? „Man kann sich mehr Freiheit durch clevere Maßnahmen erkaufen“, erklärte der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. Das koste Geld allerdings mehr Geld, weil beispielsweise mehr getestet werden müsse.

Die Allermeisten werden aber wohl in Deutschland bleiben. „Der Urlaub wird anders aussehen“, sagte dazu Katja Kipping. Nicht nur in der Form, sondern auch weil viele weniger finanzielle Mittel hätten. „Die Bereitschaft, jetzt viel Geld in den Urlaub zu stecken, ist gesunken“, sagte die Chefin der Linkspartei. Das werde sich auf die Tourismusbranche auswirken. Lesen Sie hier: Urlaub an Pfingsten – In Deutschland trotz Corona möglich?

Davon konnte Messner ein Lied singen. „Die Hotels werden wahrscheinlich nicht voll werden“, sagte der frühere Extrembergsteiger. Wenn nichts passiere, drohten spätestens in einem Jahr zahlreiche Insolvenzen. „Ich sehe viele Arbeitslose und viele Pleiten“, warnte Messner. Und plädierte dafür, nicht in gesteigertem Konsum, sondern in einem schonenden Tourismus das Heil zu suchen.

Das Fazit der „Maybrit Illner“-Sendung

Es hat etwas Beruhigendes, dass wir über Italien mittlerweile nicht mehr nur als Corona-Krisenland reden. Zugleich ist es aber auch etwas beängstigend: Sind wir am Ende etwas zu entspannt, um etwas Entspannung zu erfahren?

Sicher wird man das wohl erst im Herbst wissen. „Verbieten wir den Menschen das Reisen? Ich glaube, das können wir nicht“: In Anbetracht der stetig sinkenden Fallzahlen scheint der grundsätzliche Ansatz von Armin Laschet derzeit aber durchaus vernünftig.

Zur Ausgabe von „Maybrit Illner“ in der ZDF-Mediathek