Berlin. Innenminister Seehofer und BKA-Chef Münch sehen in der Kriminalstatistik eine beunruhigende Tendenz – vor allem bei rechten Tätern.

Es sind höchst beunruhigende Daten: Die politisch motivierte Kriminalität in Deutschland hat im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Die Sicherheitsbehörden registrierten für 2019 insgesamt 41.177 Fälle dieser Art, wie aus der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) hervorgeht. Dies entspricht einem Anstieg von 14,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 2018 waren 36.062 solcher Straftaten verzeichnet worden.

Nach Worten von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) war dies mit der stärkste Anstieg im Bereich politischer Straftaten seit 2001. Lediglich im Jahr 2016 – dem Folgejahr der Flüchtlingskrise – habe dieser Wert noch höher gelegen. Seehofer betonte, politische Kriminalität mache zwar nur ein Prozent aller Delikte in Deutschland aus. Sie sei aber für die Stabilität der Demokratie und der Verfassungsorgane von zentraler Bedeutung.

Mehr als die Hälfte der betreffenden Vergehen aus dem vergangenen Jahr wurden aus rechtsextremen Beweggründen begangen. Mit 22.342 Fällen sind Straftaten aus diesem Spektrum um 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Bei den antisemitischen Vergehen verzeichneten die Sicherheitsbehörden sogar eine Zunahme um 13 Prozent auf 2032 Delikte, davon waren 93 Prozent rechts motiviert. Laut Seehofer ist das der höchste Stand seit Beginn der statistischen Erfassung vor 20 Jahren.

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Kriminalstatistik: Seehofer sieht Rechtsextremismus als größte Bedrohung

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, betonte, die Daten zeigten einerseits, „dass ein in Teilen der Gesellschaft latent vorhandener Antisemitismus offenbar nur sehr mühsam zurückgedrängt werden kann“. Zum anderen zeige sich im Anstieg der Zahlen auch die erhöhte Bereitschaft und der Mut der Betroffenen, antisemitische Straftaten konsequent zur Anzeige zu bringen.

Seehofer sagte mit Blick auf den Anschlag auf die Synagoge im sachsen-anhaltinischen Halle im vergangenen Oktober, in allen Bundesländern würden die Schutzmaßnahmen für jüdische Gotteshäuser hochgefahren. Auch für Moscheen gelte dies. Eine Rolle spielt hierbei, dass auch bei den islamfeindlichen Straftaten neun von zehn Tätern eine rechtsradikale Einstellung hatten.

• Mehr zum Thema: Nach Anschlag von Halle: Mord-Anklage gegen Stephan B.

Die Zahl der Delikte gegen Muslime oder islamische Einrichtungen stieg laut Polizeistatistik um 4,4 Prozent auf 950. „Die Hauptquelle ist der Rechtsextremismus“, sagte Seehofer, die größte Bedrohung bei der politischer Kriminalität komme aus diesem Bereich. Rechte Straftäter sind laut Statistik auch verantwortlich für die meisten Fälle von Körperverletzung.

Der Fall Walter Lübcke- Chronologie eines Neonazi-Mordes

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    Deutlicher weniger Straftaten gegen Asylunterkünfte

    Bei Brandstiftungen wurden mehrheitlich Tatverdächtige aus dem linken Spektrum ermittelt. Die Zahl der links motivierten Straftaten stieg um fast 24 Prozent auf 9849 Delikte. In mehr als der Hälfte der angezeigten Fälle kam es zu Sachbeschädigungen sowie zu Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Linke Gewaltdelikte haben dagegen um 21 Prozent abgenommen.

    Bei den religiös motivierten Taten beobachten die Sicherheitsbehörden einen Rückgang um mehr als 27 Prozent auf 425 Straftaten. Deutlich rückläufig waren im vergangenen Jahr auch Straftaten gegen Asylunterkünfte. Insgesamt gab es 126 solcher Vergehen, rund 27 Prozent weniger als 2018. Auch aus der „Reichsbürger“-Szene verzeichnete die Polizei weniger Straftaten, und zwar 673. Das war ein Minus um rund 22 Prozent.

    Zahl der Angriffe auf Amtsträger und gewählte Abgeordnete deutlich gestiegen

    Hingegen ist die Zahl der Angriffe auf Amtsträger und gewählte Abgeordnete um ein Drittel gestiegen. 1674 solcher Straftaten wurden der Polizei im vergangenen Jahr bekannt. Allein die tätlichen Attacken gegen Vertreter des Staates nahmen um acht Prozent zu. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bezeichnet die Entwicklung der politisch motivierten Kriminalität als besorgniserregend. Alarmierend sei das „immer offenere und drastischere Auftreten extremistischer und radikaler Gruppen“, betonte GdP-Bundesvize, Jörg Radek. Ziel müsse es sein, „den Kampf gegen die extremen Verführer und Hetzer nicht nur annehmen, sondern ihn gesellschaftlich forcieren“.

    Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte, menschenverachtende Volksverhetzungen, Bedrohungen und Beleidigungen ließen Hemmschwellen sinken und bereiteten den Boden für Gewalttaten. Lambrecht schlug zugleich einen Bogen zur aktuellen Pandemie. „Es ist erschreckend, wie die Corona-Krise zu neuen Formen von Hass und Hetze führt“, sagte die SPD-Politikerin. Menschen asiatischer Herkunft würden angegriffen und beschimpft, „dahinter steht nichts als dumpfer Rassismus“.

    • Newsblog: Alle aktuellen Infos zur Coronavirus

    Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), konstatiert ein „aufgeheiztes politisches Klima, was zu Straftaten führt“. Der FDP-Innenpolitiker, Benjamin Strasser, sieht die Ursachen woanders. Er betont: „Die Saat, die seit Jahren vor allem von der AfD verbreitet wird, geht nun voll auf.“