Berlin. Peer Steinbrück hat für die SPD Wahlergebnisse erzielt, die heute unrealistisch scheinen. Bei Lanz sagte er, wie er die Zukunft sieht.

  • Der ehemalige Kanzlerkandidat der SPD und Bundesfinanzminister a. D. war am Donnerstag bei Markus Lanz zu Gast
  • Dabei machte er das, was er schon immer am besten konnte: gegen die eigene Partei wettern
  • Steinbrück kritisiert den aktuellen Kurs der SPD und das neu gewählte Spitzenduo
  • Sigmar Gabriels Gang zur Deutschen Bank findet er „völlig in Ordnung“

Er ist wohl der letzte, der auf Bundesebene ein Wahlergebnis von über 25 Prozent für die SPD holte. Peer Steinbrück, ehemaliger Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat, bildet sich darauf schon noch ein bisschen was ein.

Der SPD-Politiker, der einst den Mittelfinger auf dem Cover des „Süddeutsche Zeitung Magazins“ reckte, hat auch seine spitze Zunge seit seinem Abschied von der Politik 2016 nicht verloren.

Steinbrück zu Gast bei Markus Lanz: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans fehlt die Kompetenz

Peer Steinbrück zu Gast in der Talkshow von Markus Lanz.
Peer Steinbrück zu Gast in der Talkshow von Markus Lanz. © imago images/APress | via www.imago-images.de

Das stellt er bei Markus Lanz unter Beweis: Steinbrück kann immer noch gegen alles und jeden in seinem politischen Umfeld schießen, am besten aber gegen die eigene Partei. Dass das neue Spitzenduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans damit geworben hatte, aus der großen Koalition auszusteigen und daraus dann nichts wurde, wundert den früheren SPD-Politiker nicht.

„Das war eine Fehl-Einschätzung von vornherein“, meint Steinbrück. Schließlich sei von Beginn an klar gewesen, dass das restliche Spitzenpersonal der Partei diesen Schritt nicht unterstützen würde. Steinbrück hätte sich auch eher Stephan Weil, Franziska Giffey oder Olaf Scholz als Parteivorsitzende gewünscht, verrät er in der Sendung. „Das sind die, die die Flughöhe dafür haben“, erklärt er. Letztendlich habe er für Scholz abgestimmt.

Das nun gewählte Duo sieht er kritisch – es fehle schlicht an Kompetenz. Mit Sorge sieht er in diesem Zusammenhang auch die Rolle des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert: „Ich sehe seine Strippenzieherei mit einem gewissen Erschrecken.“ Partei und Personalpolitik orientierten sich zudem stark am linken Flügel der Partei, nicht an potenziellen Wählern – und seien intransparent.

Im Gespräch mit Lanz wird evident: Da muss jemand mal ordentlich Druck ablassen. Wenn Steinbrück sich über seine Nachfolger beschwert, wirkt er beizeiten wie ein trotziges Kind, das auf einmal nicht mehr mitspielen durfte.

Dagegen konstatiert er wiederum nüchtern fünf zentrale Probleme, die die Sozialdemokraten plagen: Nur noch acht Prozent der Bevölkerung hielten die SPD für zukunftsgewandt, bei Existenzgründern sei die SPD besonders unbeliebt, ebenso bei allen unter 35-Jährigen. Zudem würde ein Großteil der Bevölkerung Sicherheit und Durchsetzung des Rechts für wichtig halten – damit aber nicht die SPD assoziieren. Inzwischen hätten außerdem viele Wähler das Gefühl, dass die Partei zwar für Bedürftige einträte, aber diejenigen, die das Bruttosozialprodukt erwirtschaften, vergessen würde.

„Diese Erkenntnisse müssten die SPD eigentlich aufwecken und zu einer neuen Strategie führen. Doch das kann ich bei der neuen Spitze nicht erkennen“, so Steinbrück. Der Moderator zeigt sich beeindruckt von dieser Analyse und Schilderung. Doch für Steinbrück ist sie tausend Mal durchdacht: „Das hält mich nachts wach, weil ich überzeugt bin, dass diese Gesellschaft eine gut aufgestellte Mitte-Links-Partei bräuchte.“

Gehört zum Gut-aufgestellt-Sein auch der Wechsel in den Finanzsektor, nachdem die politische Karriere hinter einem liegt? Dass sein Nachfolger Sigmar Gabriel nun Aufsichtsratvorsitzender bei der Deutschen Bank wird, lehnt Steinbrück nicht ab. „Das finde ich völlig in Ordnung“, sagt der Ex-Politiker. „Ein Mann mit seinen Begabungen und seiner Urteilsfähigkeit kann ja kein Berufsverbot haben.“ Die Empörung der Deutschen über derlei Entscheidungen gehe ihm mittlerweile auf den Keks.

Allerdings sei die Deutsche Bank natürlich schon ein moralisch zweifelhafter Verein – samt Verwicklungen in Cum-Ex-Geschäfte und Geldwäsche. „In solch einem Aufsichtsrat würde ich ungern die Kontrollfunktion übernehmen“, meint Steinbrück.

Steinbrück: Sigmar Gabriel hat die richtige Entscheidung getroffen

Dass er selbst zwar nicht Aufsichtsratvorsitzender einer Bank ist, aber seit Längerem die ING-Bank berät, erwähnt er dabei nicht. Und auch sonst gibt Steinbrück wenig von sich selbst preis, es sei denn die neuen SPD-Vorsitzenden lassen ihn mal wieder nicht schlafen.

Bei Lanz zeigt sich ein ehemaliger, damals ernstzunehmender Rivale für Angela Merkel, der allerdings bis heute nicht reflektiert hat, dass auch er fehlbar ist und war – sei es im Wahlkampf oder in der Kursbestimmung der Sozialdemokraten. Mit einem könnte er jedoch recht haben: „Solange die SPD ihrem Spitzenpersonal nicht gelegentlich den Freiraum gibt, vor der Partei herzulaufen und eher auf das Wählerpublikum zu gucken als auf die eigenen Delegierten, wird sie nicht über ein Potenzial von 20 Prozent hinauskommen.“

Hier geht es zur aktuellen Ausgabe von „Markus Lanz“ in der ZDF-Mediathek.