„Der Überraschungscoup ist ein Rückschlag für die SPD im Kampf um Anerkennung, Macht und Glaubwürdigkeit.“

Was für ein Paukenschlag. Was für ein Chaos. Was für eine seltsame Art, mit Partei und Wähler umzugehen. Wer wird Spitzenkandidat der SPD und in der Bundestagswahl 2017 ins Rennen gehen? Das sollte am Wochenende von der Parteiführung in einem geordneten Verfahren verkündet werden.

Monatelang wurden Medien und Öffentlichkeit vom Parteichef persönlich auf diesen Fahrplan vertröstet. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Über den „Stern“ verkündet der Parteichef Rücktritt und Verzicht auf die Spitzenkandidatur. Dass Gabriel angesichts der schlechten Umfragewerte entscheidet, Martin Schulz den Vortritt zu lassen, ist noch nachvollziehbar. Dass er den Parteivorsitz abgibt, um sich nicht ewig den Vorwurf des Zauderns anzuhören – ebenfalls. Dass aber die Parteiführung und die SPD-Mitglieder über eine Schlagzeile erfahren müssen, was ihr Parteichef plant und wie es mit der 153 Jahre alten Traditionspartei weitergeht, ist mehr als schlechter Stil. Der Überraschungscoup ist ein Rückschlag für die SPD im Kampf um Anerkennung, Macht und Glaubwürdigkeit. Ihre Erfolgsaussichten werden ohne Not verschlechtert und der neue Spitzenkandidat geht nach einem Rumpelstart ins Rennen.

Schulz, in Brüssel als Parlamentspräsident überzeugend, muss als Parteichef die SPD jetzt aus dem Keller holen. Er muss die erfolgreiche Kanzlerin angreifen und am schwierigsten: Er muss sich als frischgebackener Innenpolitiker in die Köpfe und Herzen der Deutschen hineinarbeiten.

Auch wenn sich die meisten SPD-Anhänger viel von ihm versprechen, ist die Aufgabe monströs groß. Dass Schulz sich das zutraut, spricht für ihn und seinen Machtwillen – ohne diesen wird eine Angela Merkel nicht bezwungen werden können. Dabei hat er einen entscheidenden Trumpf: Er muss – anders als der Vize-Kanzler – auf die Kanzlerin keine Rücksicht nehmen.