Hannover. Der Landtag will am Mittwoch ein umstrittenes Gesetz über den Zweckverband Großraum beschließen – er wird Regionalverband.

Unser Leser Jürgen Schönwald aus Cremlingen fragt:

Es gibt in jeder Stadt und jedem Ort Bürgermeister, Stadt- bzw. Ortsräte, ferner Stadtverwaltungen, Gemeindeverwaltungen, Landräte und Kreistage – warum noch einen ZGB?

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Landtagsabgeordneter wie früher ist Hennig Brandes nicht mehr. Doch am Mittwoch will der Direktor des Zweckverbandes Großraum Braunschweig (ZGB) im Landtag persönlich verfolgen, wie der ZGB der Zukunft aussehen soll.

„Wir können Vorschläge machen, aber wir können nichts entscheiden.“
„Wir können Vorschläge machen, aber wir können nichts entscheiden.“ © Detlef Tanke (SPD), ZGB-Politiker, zum neuen Gesetz.

Das „Gesetz zu institutionellen Stärkung und Weiterentwicklung des Zweckverbandes Großraum Braunschweig“ soll verabschiedet werden. SPD, Grüne und FDP sind dafür, die CDU dagegen. Detlef Tanke, Vorsitzender der ZGB-Verbandsversammlung und Landtagsabgeordneter, und Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) bekamen sich wegen des Gesetzes in die Haare.

Was ist der ZGB?

„Der niedersächsische Städtetag lehnt den Gesetzentwurf parteiübergreifend ab.“
„Der niedersächsische Städtetag lehnt den Gesetzentwurf parteiübergreifend ab.“

Ein Zweckverband. Und Zweckverbände sind regional für genau bestimmte Aufgaben zuständig, nicht nur in Braunschweig. Im Fall ZGB sind das der öffentliche Personen-Nahverkehr und die Regionalplanung, vor allem Windkraft. Der Verband hat einen Direktor an der Spitze seiner Verwaltung (nämlich Brandes) sowie die Verbandsversammlung mit Kommunalpolitikern. Der ZGB ist öffentlich zwar wenig bekannt. Schon die Zuständigkeit für den ÖPNV zeigt aber, wie massiv seine Arbeit die Lebensbedingungen in der Region beeinflusst,

Was soll sich nun mit dem neuen Gesetz ändern?

Der ZGB soll zum „Regionalverband“ werden und sich mit mehr Themen befassen, nämlich auch mit Verkehrsentwicklungsplanung und Gewerbegebieten, mit Daten zur Strukturentwicklung, mit Berufsschulen, Tourismus und Regionalmarketing sowie mit Hochwasserschutz. Die Mitglieder der Verbandsversammlung sollen zudem künftig direkt gewählt werden. Ein „Verbandsrat“ soll die Hauptverwaltungsbeamten – also Landräte und Bürgermeister der Region – zusammenbringen.

Warum die Aufregung um das Gesetz?

Vor allem aus politischen Gründen. Landräte und Bürgermeister fürchten um ihre Macht, zu den kommunalen Parlamenten kommt ein direkt gewähltes Regionalparlament. „Wir können Vorschläge machen, aber wir können nichts entscheiden“, rät SPD-Mann Tanke zur Gelassenheit. Bis auf die Verkehrsentwicklungsplanung geht es ausdrücklich um „Beratung“, „Erarbeitung von Konzepten“ und „Koordinierung“. Aus dem Befassungsrecht des Verbandes mit diesen Themen durch das Gesetz leiten die Verantwortlichen aber eine „Befassungspflicht“ ab.

Hinter dem Streit steht auch das alte Thema „Region Braunschweig“. In einem Beschluss des SPD-Bezirks Braunschweig vom 27. April 2013 heißt es: „Da eine Region Braunschweig kurzfristig (...) nicht zu erreichen ist, wollen wir den Zweckverband Großraum Braunschweig zum Regionalverband weiterentwickeln.“

Das Gesetz, das nun verabschiedet werden soll, ist das Ergebnis dieses Beschlusses. Auch ein CDU-Politiker wie Braunschweigs früherer Oberbürgermeister Gert Hoffmann hatte ein Weiterentwickeln des ZGB als „Plan B“ auf dem Weg zu einer Region gesehen. Der entschiedenste Kritiker des neuen Gesetzes, Städtetags-Chef Frank Klingebiel (CDU), hatte 2007 als OB von Salzgitter noch eine Aufgabenerweiterung des ZGB sowie die Direktwahl von Verbandsdirektor und Verbandsversammlung ins Spiel gebracht. Nun will Klingebiel vor den Staatsgerichtshof ziehen, um das rot-grün-gelbe Gesetz juristisch zu Fall zu bringen. „Der niedersächsische Städtetag lehnt den Gesetzentwurf parteiübergreifend ab“, so Klingebiel. Seit 2007 habe sich die Welt weitergedreht. Auch in einigen SPD-Kommunen hält sich die Begeisterung in Grenzen. Harte Ablehnung etwa kommt aus Peine von Landrat Franz Einhaus. Wolfsburg teilte kühl mit, die „zwingende Notwendigkeit“ einer Gesetzesänderung werde nicht gesehen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Innenminister Boris Pistorius (SPD) allerdings stützen die Pläne, schon weil der SPD-Bezirk sie will.

Warum ist das Gesetz rechtlich heikel?

Weil die kommunale Selbstverwaltung einen hohen Rang hat. Verlagert sich immer mehr Macht in den neuen Regionalverband, fürchten die Kommunen an Gestaltungsmöglichkeiten zu verlieren. Die Befürworter dagegen sehen neue Entwicklungsmöglichkeiten für eine Region, die sich unter Wert verkauft. Die CDU fürchtet gewiss auch eine „SPD-Region“.Dass das Terrain heikel ist, zeigt auch der Gesetzgebungsprozess. Der Entwurf des Gesetzes wurde noch einmal verändert, nachdem die Landtagsjuristen Kritik an Formulierungen geübt hatten. Die „Trägerschaft touristischer Großprojekte“ als explizite Aufgabe flog wieder raus. Ein weiterer Kritikpunkt: In der Region werkeln schon viele Akteure. „Völlig sinnlos“ nennt daher Wolfsburgs CDU-Frau Angelika Jahns das Gesetz. Doch selbst nach einem Wahlsieg 2018 bräuchte die CDU zur Rolle rückwärts einen Partner.

Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier: Kirchturmbedenken?