Braunschweig. Ein Verkehrspsychologe begrüßt das Berliner Urteil und erklärt den Antrieb der Raser.

Über das Berliner Urteil, Raser und illegale Rennen sprach Andre Dolle mit dem Braunschweiger Verkehrspsychologen Dr. Dirk Antonio Harms.

Das Berliner Urteil für diese Form der Raserei ist einmalig. Überrascht Sie die Entscheidung?

Das überrascht mich, ja. Es ist das erste Mal, dass Raser wegen Mordes verurteilt wurden. Das ist ein wegweisendes und richtiges Signal, um illegale Autorennen stärker zu ächten.

Die Staatsanwaltschaft argumentierte, die Fahrer hätten tödliche Folgen billigend in Kauf genommen. Sie hätten aus niedrigen Beweggründen gehandelt, um ein illegales Rennen zu gewinnen. Teilen Sie diese Sichtweise?

Das ist juristisch sicherlich nicht ganz einfach zu bewerten, aber diese Raser ignorieren bewusst, dass andere Verkehrsteilnehmer getötet werden können. Damit disqualifizieren sie sich selbst.

Welche niedrigen Beweggründe verleiten denn zum Rasen?

Es geht um reine Profilierung. Die Teilnehmer solcher illegaler Rennen wollen als harte, schnelle Autofahrer gelten. Sie wollen sich als Person aufwerten. Das lässt sich mit der Sicherheit im Straßenverkehr nicht in Einklang bringen.

Wer ist besonders anfällig?

Tendenziell sind das jüngere, besonders autoaffine Männer. Es sind Typen, die meist in anderen Lebensbereichen nicht besonders erfolgreich sind. Sie wollen den Kick, suchen mit ihren aufgemotzten Autos in illegalen Rennen Erfolgserlebnisse und Spannungsabbau. Dabei nehmen sie es in Kauf, sich und andere zu gefährden.

Abgesehen von diesen Rennen gibt es aber auch den rasenden Berufskraftfahrer, der enorm unter Zeitdruck steht und seinen Job nicht verlieren will. Als dritten Typus gibt es den des Chefs, der mit seinem Dienstwagen viele Kilometer abreißt, auch unter Termindruck steht, seine fahrerischen Fähigkeiten überschätzt und die berufliche Aufgabe zu wichtig nimmt.

Die Verteidiger argumentierten in Berlin, die Angeklagten seien davon ausgegangen, alles unter Kontrolle gehabt zu haben. Kommt Rasern das Risiko wirklich nicht so stark in den Sinn?

Da haben die Verteidiger nicht ganz Unrecht. Das Risikoempfinden ist immer subjektiv. Raser bewegen sich zuweilen im Grenzbereich des fahrphysikalisch Machbaren, manchmal auch darüber hinaus.

Das macht es aber nicht besser. Raser müssten im wahrsten Sinne des Wortes schnell aus dem Verkehr gezogen werden...

Leider muss immer erst etwas passieren, dann greifen ja auch die Maßnahmen aus dem Fahrerlaubnisrecht.

Bislang kommen Teilnehmer und Organisatoren der illegalen Rennen zumeist mit vergleichsweise milden Strafen davon. Ein Gesetzesentwurf sieht nun höhere Strafen vor. Ist das richtig?

Absolut. Höhere Strafen haben einen abschreckenden Charakter.