Berlin. Die Regierung plant für illegale Autorennen Haftstrafen und Beschlagnahme des Autos.

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Unser Leser Horst Gerike aus Hannover fragt:

Wo bleibt hier eine Gesetzesinitiative des Bundesjustizministeriums? Diese Behörde hat dem verantwortungslosen Treiben jahrelang tatenlos zugeschaut, nicht nachvollziehbar.

Die Antwort recherchierten Philipp Neumann und Hannah Schmitz

Der vergangene Sonntagabend im Norden von Berlin: An der Ampel stehen ein BMW und ein Mercedes. Die Fahrer sind 20 und 24 Jahre alt, sie lassen die Motoren aufheulen. Bei Grün drücken sie das Gaspedal durch. Sie überholen sich immer wieder gegenseitig, bis die Polizei sie drei Kilometer später stoppt. „Beide Autofahrer zeigten sich uneinsichtig“, heißt es im Polizeibericht, einer habe keinen Führerschein gehabt. Beide Männer bekommen Bußgeldbescheide zugeschickt. Am Dienstagabend gibt es ähnliche Szenen in Bremerhaven: Ein 56-Jähriger liefert sich betrunken mit einem 29-Jährigen ein Rennen. Er verliert die Kontrolle über seinen Wagen, prallt damit gegen drei geparkte Fahrzeuge und verletzt sich schwer.

„Die Strafen sind jetzt schon nicht ohne. Aber eine Verschärfung setzt vielleicht ein Signal.“
„Die Strafen sind jetzt schon nicht ohne. Aber eine Verschärfung setzt vielleicht ein Signal.“ © Dirk Antonio Harms, Fachpsychologe für Verkehrspsychologie

Um solche Exzesse künftig zu verhindern, legt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nun einen Gesetzentwurf vor – wie ihn auch unser Leser einforderte – der illegale Rennen und auch schon den Versuch dazu nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeit einstuft, sondern als Straftat. Der Bundesrat brachte bereits im September einen Gesetzentwurf der Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen auf den Weg, in dem für die Raser eine zweijährige Haftstrafe gefordert wurde. Dobrindts Vorschlag ist mit diesem Gesetzesentwurf weitgehend identisch. Er sieht ebenfalls vor, dass es kein Bußgeld gibt, sondern dass sofort eine Freiheitsstrafe verhängt werden kann. Im Regelfall soll sie zwei Jahre betragen. In schweren Fällen, wenn also das Leben anderer Menschen in Gefahr war oder schwerer Sachschaden entstanden ist, können es bis zu fünf Jahre sein. Führt ein illegales Rennen gar zum Tod eines Menschen, kann der Täter sogar bis zu zehn Jahre in Haft kommen.

Szenen wir die in Berlin und Bremerhaven sind nicht nur für die Polizisten dort Routine. In vielen Städten gibt es inzwischen eine Szene von Leuten, die mitten in der Stadt Rennen veranstalten – ohne Rücksicht auf Verluste. In Siegen konnte sich ein Fußgänger kürzlich nur durch einen Hechtsprung auf den Bürgersteig vor zwei heranrasenden Autos retten. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nennt solches Verhalten „ein Hobby von Verrückten“, das man dringend härter bestrafen müsse. „Wir müssen alles tun, um die Menschen vor solchen Verrückten zu schützen“, sagte Maas dieser Redaktion. Angesichts der Entwicklung auf den Straßen sei es „vernünftig, dass wir rasch gesetzlich reagieren“.

Autorennen gelten bisher als Ordnungswidrigkeit

Bislang gelten illegale Autorennen als Ordnungswidrigkeit. Dafür ist in der Regel nur ein Bußgeld von 400 Euro vorgesehen und ein einmonatiges Fahrverbot. Weil der gesetzliche Rahmen bislang nicht viel mehr hergibt, versuchen Richter, die Raser auf andere Weise zu stoppen: In Berlin läuft derzeit ein Prozess, bei dem zwei Männer wegen Mord angeklagt sind. Sie hatten sich auf dem Kudamm ein Rennen geliefert, bei dem ein unbeteiligter Rentner gestorben war. Auch in Bremen hat die Staatsanwaltschaft einen Motorradfahrer wegen Mordes angeklagt, weil ein Mensch starb, als der Mann durch die Stadt raste. Zuvor war er mehrfach mit Autofahrern um die Wette gefahren. Videos davon stellte er ins Internet, wo er eine Fangemeinde hat.

Der Führerschein kann für bis zu fünf Jahre entzogen werden

„Die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten haben sich in der Praxis als unzureichend erwiesen“, heißt es in dem Gesetzentwurf, der dieser Redaktion vorliegt. „Sie entfalten kaum mehr Abschreckungswirkung.“ Grund dafür sei, dass bisher nur Bußgelder verhängt werden konnten. Auch konnte nur ein Fahrverbot für maximal drei Monate erteilt werden – die Täter bekamen ihren Führerschein anschließend automatisch wieder. Künftig sollen die Behörden den Führerschein komplett entziehen können, was bedeutet, dass die Raser ihn neu beantragen müssen. Sechs Monate bis fünf Jahre kann eine solche Sperre dauern. Auch das Auto der Raser soll künftig eingezogen werden können. Beides, der Entzug von Führerschein und Fahrzeug, wird von Experten als besonders effektive Strafe betrachtet, weil sich die Raser in der Regel über ihre Autos identifizieren.

Konkret will Dobrindt das Straßenverkehrsgesetz (StVG) ändern. Hier sollen ein neuer Paragraf 6a und ein neuer Paragraf 23a eingefügt werden. Das Strafgesetzbuch (StGB) zu ändern und dort einen neuen Paragrafen für Autorennen einzuführen – wie es der Gesetzentwurf aus Nordrhein-Westfalen vorsah – halten Dobrindts Juristen aber für weniger praktikabel. Überhaupt hatte der Verkehrsminister zunächst gar keine Notwendigkeit für härtere Strafen gesehen. Illegale Rennen könnten auch jetzt schon mit 2000 Euro Bußgeld oder sogar mit Freiheitsstrafe belegt werden, hatte er im Herbst gesagt. Um die Rennen zu verhindern, müsse man nur stärker kontrollieren. Inzwischen hat der CSU-Politiker seine Meinung geändert und sagt: „Um die abschreckende Wirkung zu erhöhen, verschärfen wir die Strafen.“ Illegale Rennen seien eine Gefahr für die Allgemeinheit. Erwartet wird nun, dass der Gesetzentwurf der Länder nicht weiterverfolgt wird und stattdessen Dobrindts zum Teil wortgleicher Entwurf vom Bundestag beschlossen wird.

Die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, begrüßt die Pläne des Verkehrsministers grundsätzlich. Ihre Befürchtung ist aber: „Ein solches Rennen ist im konkreten Fall schwer nachzuweisen, und es würde kaum mehr Verurteilungen geben.“

Illegale Autorennen sind schwer nachzuweisen

Auch die Sprecher der Polizeiinspektionen in unserer Region fragen nach der Beweisbarkeit von Autorennen. Braunschweigs Polizeisprecher Wolfgang Klages erläutert: „Dafür brauche ich entweder eine Zeugenaussage oder ein Geständnis der Fahrer.“

Organisierte illegale Autorennen sind den Polizeiinspektionen in der Region nicht bekannt. „Hier gibt es keine Szene“, so Klages. Autorennen, die „hin und wieder vorkommen würden“, ergäben sich aus „Zufallsbekanntschaften“. „Es reicht, wenn zwei Heißsporne an einer Ampel aufeinandertreffen“, so Klages. Das geschah zuletzt 2007 mit schweren Folgen in Braunschweig. Bei einem Rennen zwischen einem 18- und einem 19-jährigen Fahrer wurde ein unbeteiligter 16-jähriger Passant schwer verletzt.

Dirk Antonio Harms, Verkehrspsychologe aus Braunschweig, betreute 2007 einen dieser jungen Möchtegern-Rennfahrer aus Braunschweig. Inzwischen habe dieser längst seinen Führerschein wieder. „Das Klischee, dass eher junge Männer Autorennen fahren, stimmt im Großen und Ganzen“, sagt er.

Ob sich Fahrer durch härtere Strafen von Autorennen abhalten lassen? Verkehrspsychologe Harms ist skeptisch: „Die Strafen sind jetzt schon nicht ohne. Aber es setzt vielleicht noch einmal ein Signal, denn durch höhere Strafen wird ein Autorennen noch mehr geächtet.“