Braunschweig. Die absurden Behauptungen einer Heilpraktikerin in der Schweiz sorgen in sozialen Medien für Erheiterung – und Besorgnis.

Bei Facebook und in anderen Medien verbreitet sich derzeit ein Artikel der „Toggenburger Zeitung“ viral wie eine Masern-Epidemie. Er beschäftigt sich mit einer Heilpraktikerin aus Uznach in St. Gallen. Die „informiert“ ihre Patienten über einen Aushang in ihrer Praxis: „Symptome der Impfkrankheit: Schlafstörung, Legasthenie, Stottern, Autismus, Hirntumor.“

Nichts davon ist auch nur ansatzweise wissenschaftlich belegt. Im Gegenteil: Die Behauptung, dass Impfungen Autismus verursachen, stammt von einem betrügerischen ehemaligen Arzt aus Großbritannien, dem wegen der Fälschung von Studiendaten seine Lizenz entzogen wurde.

Solche Behauptungen sind in der Szene der Impfgegner alltäglich. Erst kürzlich lobten der Anwalt Robert F. Kennedy Jr. und der Schauspieler Robert De Niro, beides prominente Impfgegner in den USA, eine Belohnung von 100.000 US-Dollar für den Beweis aus, dass Impfungen garantiert sicher für Kleinkinder und schwangere Frauen sind. Sie verweisen auf das Konservierungsmittel Thiomersal, das Spuren von Quecksilber enthält und deswegen gefährlich sei.

Eine doppelt unsinnige Herausforderung: Denn erstens ist es unmöglich, die Nichtexistenz eines Phänomens zu beweisen, zumal bei einer so komplexen Beziehung wie zwischen einer Impfung und einer Krankheit, wo bei jeder Erkrankung nach einer Impfung aus einer zeitlichen Folge ein falscher Wirkzusammenhang konstruiert werden kann. Angesichts der Tatsache, dass laut Weltgesundheitsorganisation WHO 85 Prozent aller Kinder weltweit gegen Masern geimpft sind, ist aber ein gravierender negativer Gesundheitseffekt durch die Impfung ausgeschlossen. Der wäre an Millionen von Kindern zu beobachten.

Darüber hinaus enthalten Impfstoffe für Kindern in den USA auch gar kein Thiomersal. Die Autismus-Lüge hat Ende der 1990er Jahre dazu geführt, dass die Behörden in den USA und in der EU vorsorglich von der Verwendung von Thiomersal in solchen Impfstoffen abrieten. So wird es weiterhin gehandhabt, obwohl die Europäische Arzneimittelagentur 2004 zu dem Ergebnis kam, dass es keinen Zusammenhang zwischen Thiomersal und Autismus gibt.

Der Grund für die Aufregung über die Schweizer Heilpraktikerin liegt aber nicht an der Aufwärmung alter Mythen, sondern an ihrer originellen Erweiterung. Denn als Symptom der „Impfkrankheit“ nennt sie auch „Masturbation“. Die Zeitung zitiert mehrere Ärzte aus St. Gallen, die ihre Besorgnis zum Ausdruck bringen, dass von Falschinformationen verwirrte Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen könnten. Auch die WHO warnt vor einem Anstieg von Impfskepsis vor allem in reichen Ländern.

In den sozialen Medien hingegen wird der Artikel zumeist mit Humor genommen. Ein vielzitierter Kommentar eines (wohl fiktiven) Kinderarztes: „Nein, Sie müssen nicht alle Ihre Kinder impfen lassen – nur die, die Sie behalten wollen.“