Braunschweig. Ein neun Monate alter Säugling hat in einer Klinik in Berlin vermutlich andere Patienten sowie Angestellte und Angehörige mit Masern angesteckt.

Unsere Leserin Regina Wull fragt auf unserer Facebook-Seite:

Warum ist das Personal in Krankenhäusern nicht gegen Masern geimpft?

Die Antwort recherchierte Nora Sonnabend

Das berichtete jüngst die Berliner Morgenpost. Vermutlich seien etwa 20 Personen mit Masern infiziert worden, sagte der Sprecher des zuständigen Gesundheitsamtes Pankow der Zeitung.

Die Frage unserer Leserin, wieso Angestellte in einem Krankenhaus nicht gegen Masern geimpft seien, liegt in der Tat nahe. Schließlich ist die meldepflichtige Krankheit hochansteckend. Fast jeder Kontakt von ungeschützten Personen mit einem Erkrankten führt zu einer Ansteckung, warnt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Dennoch: „Es gibt in Deutschland keine Impfpflicht“, erklärt Doris Berve-Schucht, Sprecherin des Bundesministeriums für Gesundheit. „Das Präventionsgesetz sieht vor, dass Unternehmen, die in sensiblen Bereichen arbeiten, von erkrankten Personen verlangen können, zu Hause zu bleiben.“ Eine gesetzliche Regelung, die Mitarbeitern im Gesundheitswesen eine Impfung vorschreibt, gebe es aber nicht.

Masern

Die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts empfiehlt, Säuglinge ab dem 11. Lebensmonat zum ersten Mal gegen Masern zu impfen. Eine zweite Impfung folgt frühestens vier Wochen später, spätestens am zweiten Geburtstag. Ab dem neunten Lebensmonat können Babys ausnahmsweise schon geimpft werden, wenn sie eine Kindertagesstätte besuchen oder Kontakt zu Masernkranken hatten. Früher ist eine Impfung allerdings nicht zugelassen. Möglicherweise verhindern Antikörper der Mutter und das noch unreife Immunsystem des Kindes zu diesem Zeitpunkt, dass der Impfstoff wirkt.

Das Gesundheitsamt in Pankow geht davon aus, dass das Baby bereits vor Aufnahme in der Berliner Klinik mit Masern infiziert war. Nun werden alle Personen ermittelt, die Kontakt zu ihm hatten und womöglich unwissentlich weitere Personen infizieren.

Knapp die Hälfte der Masernkranken von 2013 bis 2016 in Niedersachsen waren jünger als zehn Jahre alt. Ein vergleichbarer Fall wie in Berlin sei bisher aber nicht bekannt, sagt Holger Scharlach, Sprecher des Landesgesundheitsamts. Den letzten größeren Masernausbruch gab es zwischen November 2001 und Juli 2002 im nordwestlichen Niedersachsen, vor allem im Landkreis Leer und der Stadt Emden, so Scharlach: „Zu diesem Zeitpunkt war die Impfquote in der betroffenen Region besonders niedrig – weniger als 75 Prozent der Schulanfänger waren geimpft.“

1651 Menschen hatten 2001 und 2002 in Niedersachsen Masern. Die aktuelle Impfquote im ganzen Land beträgt 94,1 Prozent (Stand: 2015). 2016 hatten nur 16 Niedersachsen Masern. In diesem Jahr wurden bisher noch keine Infektionen gemeldet. 2015 erkrankten etwa 20 Mitglieder einer Großfamilie an Masern.

Masern werden durch Tröpfchen übertragen, zum Beispiel beim Husten, Niesen oder Sprechen. Wer sich infiziert, hat ein geschwächtes Immunsystem. Bronchitis, Mittelohr- oder Lungenentzündungen können die Folge sein, in etwa einem von 1000 Fällen kommt auch eine Gehirnentzündung vor. Daran sterben bis zu 20 Prozent der Betroffenen. Bei fast einem Drittel bleiben schwere Folgeschäden wie eine geistige Behinderung oder Lähmungen zurück. „Generell kann eine Maserninfektion bei Kindern und auch Erwachsenen schwer verlaufen“, sagt Thomas Pietschmann vom Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, Twincore, in Hannover.

Allerdings gibt es auch noch eine Spätfolge, die nahezu immer tödlich verläuft – eine generalisierte Entzündung des Gehirns (SSPE). „Diese Komplikation wird nur bei Kindern und Jugendlichen beobachtet“, so Pietschmann. „Glücklicherweise ist sie sehr selten – sie tritt etwa einmal unter 10 000 Infektionen auf.“