Braunschweig. Der Medienpädagoge Stefan Schaper gibt Eltern Tipps, wie sie mit ihren Kindern einen gesunden Umgang mit Medien erlernen können.

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Ob Smartphone oder Tablet, Kinder und Jugendliche wachsen heute wie selbstverständlich mit digitalen Geräten und Internetzugang auf. Knapp die Hälfte der Sechs- bis 13-Jährigen besitzt schon ein eigenes Handy oder Smartphone. Bei den 12- bis 19-Jährigen sind es nahezu 100 Prozent. Das geht aus Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest hervor. Mit dem Medienpädagogen Stefan Schaper aus Braunschweig hat Hannah Schmitz über einen altersgerechten Medienkonsum und die Vorbildfunktion von Eltern gesprochen.

Herr Schaper, sind Schüler von den sozialen Medien und den Messenger-Diensten gestresst?

Zum Teil sind sie ziemlich gestresst, ja. Wenn morgens zwischen 6 und 8 Uhr schon 100 Nachrichten über Whats-App eingetrudelt sind, kostet das die Schüler viel Zeit.

Wie kommen so viele Nachrichten zustande?

„Seinem Kind das Smartphone wegzunehmen, löst kein Problem.“
„Seinem Kind das Smartphone wegzunehmen, löst kein Problem.“ © Stefan Schaper, Leiter des AWO Kinder- und Jugendzentrums in Broitzem

Die meisten Kinder und Jugendlichen sind ja in verschiedenen Chat-Gruppen. Das fängt bei der Klassen-Gruppe an, geht über die Fußball-Fan- oder Voltigier-Gruppe und hört bei dem Familien-Chat auf. Wenn ein Kind aus einer 30-köpfigen Klasse „Guten Morgen“ schreibt und die anderen Mitschüler höflich mit „Guten Morgen“ antworten, sind das schon 30 Nachrichten. Dann muss noch einer fragen „Wie gehts“, schon können es locker über 100 Nachrichten werden. Aber oft wird in den Gruppen auch für den Schulalltag Relevantes besprochen, zum Beispiel, dass heute ein Religions-Test geschrieben wird oder die Klasse Mathe-Hausaufgaben auf hatte.

Was ist der Spitzenwert, der Ihnen an Chat-Nachrichten bei einem Schüler bekannt ist?

Das waren 736 Nachrichten auf dem Smartphone eines Fünftklässlers. Der musste sein Telefon auf Geheiß seiner Eltern nämlich auf dem Küchentisch ablegen, während und nach dem Essen. Die hereinkommenden Chat-Nachrichten vibrierten, und das Handy bewegte sich dadurch immer weiter in Richtung Tischkante, bis es hinunterfiel. Das Display ging kaputt. Deswegen wusste der Junge auch die Zahl noch so genau.

Sollten Eltern die Handynutzung früh morgens besser verbieten?

Ein Verbot ist nicht unbedingt nötig. Sinnvoll wäre es, mit den Kindern, der Lehrerin und den Eltern gemeinsam Regeln aufzustellen. Darin kann man zum Beispiel vereinbaren, dass nach 21 Uhr abends nicht mehr in den Klassen-Chat geschrieben werden darf. Oder dass ein 30-faches „Guten Morgen“ überflüssig ist. Genauso können sich Schüler in Untergruppen treffen, um einzelne Themen zu diskutieren. Dann ist nicht gleich die ganze Klasse eingebunden. Dafür müssen sich die Schüler aber gut strukturieren können. Solche Regeln funktionieren eher in den unteren Klassen.

Also ist bei den Älteren schon Hopfen und Malz verloren?

Das nicht unbedingt, aber Eltern sollten mit ihren Kindern schon früh über Regeln im Umgang mit dem Internet und Smartphones und Tablets verhandeln. Viele Eltern nehmen ihren älteren Kindern, meinetwegen 15-Jährigen, das Handy einfach weg. Das löst aber das Problem nicht. Da sollte man andere Maßnahmen finden, etwa um 22 Uhr den W-Lan-Zugang für dessen Smartphone abdrehen. Das nützt aber natürlich nur etwas, wenn das Kind nicht schon eine eine Daten-Flatrate hat. Und natürlich sollten Eltern das vorher begründen und mit ihrem Kind besprechen.

Wie viel Internetnutzung pro Tag ist zum Beispiel bei einem Achtjährigen ok?

Das kommt ganz darauf an. Drei Stunden sind sicherlich zu lange. Eine halbe Stunde oder eine Stunde sind aber ok. Eltern haben dafür meistens selbst ein ganz gutes Bauchgefühl, sie müssen nur darauf hören. Wichtig ist, dass man solche Zeiten flexibel handhabt. Guckt oder spielt er heute eine Dreiviertelstunde, wird es dafür morgen eine Viertelstunde kürzer. Digitale Medien erleichtern uns so etwas eigentlich, weil es bei Youtube, Netflix oder bei PC-Spielen einen Speicherpunkt gibt, an dem das Kind am nächsten Tag weitermachen kann, ohne etwas zu verpassen. Dann können Eltern einfach sagen: „Beim nächsten Speicherpunkt ist für heute Schluss.“ Das Kind muss nicht auf die Sekunde genau nach 30 Minuten den PC herunterfahren. Da können wir als Eltern selbst flexibel sein.

Manche Eltern befürchten, ihr Kind sei internetsüchtig...

Ein exzessives Nutzungsverhalten stellt noch keine Sucht da. Solche Phasen bei PC-Spielen etwa gehören zum Erwachsenwerden dazu. Lässt das nach drei bis fünf Monaten nicht nach, sollte man das Verhalten seines Kindes beobachten. Meistens liegt dann ein anderes Problem vor und die Kinder flüchten in die Spiele-Welt. Beim Smartphone ist es anders: Es ist ein Gerät mit vielen Funktionen. Kinder lesen hier, kommunizieren, informieren sich, hören Musik, schauen Videos und telefonieren. Da wirkt es oft wie eine Sucht, letztlich nutzen Kinder und Jugendliche es aber für viele verschiedene Dinge.

Wie wertvoll ist Kindern und Jugendlichen ihr Smartphone?

Für viele hat es einen Wert als solches, weil dort ihre Spiele-Apps, ihre Fotos und Videos drauf sind. Sie wollen es hegen und pflegen. Um es zu schützen rate ich oft, es mit einer Pin zu sichern. Viele Schüler haben eine externe Speicherkarte in ihrem Handy, auch die sollten sie durch einen Extra-Pin verschlüsseln. Das schützt nicht nur die Privatsphäre, sondern auch vor Cybermobbing.

Welche Rituale sind in Bezug auf Medien in Familien wichtig?

Generell gilt, dass Eltern mit ihren jüngeren Kindern Videos bei Youtube oder auf anderen Kanälen gemeinsam anschauen sollten. Um zu sehen: Wie reagiert mein Kind? Was kann es verarbeiten, was nicht? Bei einem 12-Jährigen ist das nicht mehr unbedingt angebracht. Rituale sind zum Beispiel beim gemeinsamen Essen gut, wenn hier etwa gilt: Das Handy bleibt in der Tasche. Da müssen Eltern aber auch mit gutem Beispiel vorangehen.