Braunschweig. Der SPD-Fraktionsvize fordert einen Finanzpakt für bessere Bildungschancen, die Sanierung von Schulen und digitale Bildung.

Unser Leser Geert Teunis aus Braunschweig fragt:

Die Ausstattung mit verbesserter Rechnertechnik ist sehr zu begrüßen. Aber was ist digitale Bildung?

Die Antwort recherchierte Tobias Feuerhahn

Der Vorstoß von Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) für mehr digitale Bildung in Schulen sorgt für heftige Diskussionen. Per Verfassung ist es dem Bund bislang verboten, die Länder im Bereich der schulischen Bildung finanziell zu unterstützen. Tobias Feuerhahn sprach mit dem stellvertretenden SPD-Fraktionschef Hubertus Heil über eine Verfassungsänderung und die Herausforderungen der digitalen Bildung.

Herr Heil, unser Leser möchte wissen, was der Begriff digitale Bildung überhaupt umfasst?

In der digitalen Bildung geht es nicht nur um Ausstattungsfragen, sondern vor allem um die Vermittlung digitaler Fähigkeiten und Kenntnisse. Schülerinnen und Schüler müssen durch digitale Bildung die Chancen erhalten, in einer sich durch Digitalisierung rasant verändernden Wirtschafts- und Gesellschaftssituation selbstbestimmt leben zu können. Und wir müssen digitale Möglichkeiten für eine Verbesserung der schulischen Bildung insgesamt nutzen. Dabei spielen Inhalte, Fähigkeiten und natürlich auch die nötige Infrastruktur eine Rolle.

Sehen Sie auch mögliche Gefahren der digitalen Bildung?

Wenn wir es richtig machen, sehe ich in erster Linie Chancen. Wenn gezielt über die Möglichkeiten aufgeklärt wird. Natürlich ist ein offener Umgang der Schülerinnen und Schüler mit neuen Medien wichtig, genauso darf er aber nicht unkritisch sein.

Im Zuge der Diskussion um digitale Bildung fallen häufig die Begriffe Bildungsallianz und Digital-Pakt. Was beinhalten diese Begriffe?

Die SPD schlägt eine nationale Bildungsallianz vor, die das Thema digitale Bildung als einen Schwerpunkt nimmt, aber nicht isoliert betrachtet von der insgesamt zu verbessernden schulischen Situation. Wir haben im deutschen Schulsystem alte und neue Herausforderungen: Zum Beispiel, dass die soziale Herkunft von Kindern und Jugendlichen in Deutschland stärker über Bildungs- und Lebenschancen entscheidet als Talent und Leistung. Eine neue Aufgabe ist etwa das Thema Integration von Flüchtlingen im schulpflichtigen Alter.

Und: Die Bildungsinfrastruktur in Deutschland ist marode. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau sagt, dass ein Investitionsstau von 34 Milliarden Euro besteht und dass jede zweite Schule sanierungsbedürftig ist. Dazu kommt die große Herausforderung der digitalen Bildung. Um das alles bearbeiten zu können, brauchen wir eine Allianz von Bund, Ländern und Kommunen. Der Digital-Pakt ist ein isolierter Vorschlag von Frau Ministerin Wanka, der sich ausschließlich der Frage widmet, dass der Bund sich an der digitalen Infrastruktur in Schulen beteiligen soll.

Dabei ist von fünf Milliarden Euro die Rede, die der Bund dazu beisteuern möchte. Sind Sie der Meinung, dieser Vorschlag greift zu kurz?

Unser Vorschlag ist, für die Bildungsallianz als Bund einen Betrag von neun Milliarden Euro zu mobilisieren. Und zwar in der Zeit von 2017 bis 2021 – also noch beginnend in dieser Legislaturperiode –, um den Investitionsstau aufzulösen und einen Beitrag zur Verbesserung der Situation zu leisten. Frau Wanka hat zwar einen Digital-Pakt vorgeschlagen – und das ist auch ein richtiges Thema –, aber es ist nicht richtig untersetzt.

Warum nicht?

Frau Wanka hat fünf Milliarden Euro versprochen, die sie bisher aber haushalterisch nicht angemeldet hat. Zudem ist noch unklar, was die genauen Inhalte des Pakts sind und wann sie mit einem solchen Programm starten will. Wir wollen noch in dieser Legislaturperiode loslegen, Frau Wanka spricht eher davon, dass das nach der Bundestagswahl mal irgendwann besprochen werden muss. Es reicht auch nicht aus, die Schulen mit ein paar Tablets und W-Lan zu versorgen, wenn die Schulen gleichzeitig marode sind. Die Digitalisierungsstrategie darf nicht isoliert betrachtet werden. Es geht natürlich auch um Lehrer Aus- und Fortbildung, um neue Lernsoftware und Clouds. Die Themen Datenschutz und Datensicherheit sind wichtig, um die informationelle Selbstbestimmung der Schüler zu sichern.

Also muss die allgemeine Infrastruktur verbessert werden?

Im Sinne von nachhaltiger Verbesserung ist es nicht allein damit getan, dass der Bund einmalig Geld zur Verfügung stellt und Geräte angeschafft werden, weil digitale Geräte in rasanter Geschwindigkeit überaltern. Wir brauchen eine digitale Strategie, die Teil einer Gesamtstrategie zur Verbesserung der schulischen Bildung ist. Man muss dazu zwischen Bund, Ländern und Kommunen im Rahmen eines Bildungsgipfels dafür sorgen, dass es klare Absprachen gibt und der Bund mitfinanzieren darf und mitfinanzieren kann.

In der Verfassung ist ein Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bereich Schule festgelegt. Der Artikel 91c erlaubt nur eine Zusammenarbeit im Bereich der Informationstechnik. Die Verfassung müsste demnach geändert werden.

Seit 2006 besteht dieses Kooperationsverbot. Der Bund war dadurch gehemmt, weil er bis jetzt keinen Cent geben darf, um die schulische Situation zu verbessern. Auf unseren Druck ist dieses Kooperationsverbot im Rahmen der Bund-Länder-Verhandlungen jetzt aufgebrochen worden. Dort ist auch schon eine Summe zur Unterstützung der Schulen vereinbart worden. Nämlich in einem ersten Schritt 3,5 Milliarden Euro, die durch die Bund-Länder-Vereinbarung jetzt zur Verfügung gestellt werden. Das muss jetzt noch gesetzlich umgesetzt werden, aber das beginnt bereits in dieser Legislaturperiode. Bei einer entsprechenden Gesetzesänderung könnten diese Mittel mit den von Frau Wanka angestrebten 5 Milliarden Euro zur Verbesserung der Lerninfrastruktur kombiniert werden. Dann läge man fast bei der Summe, die die SPD im Zuge der Bildungsallianz bis 2021 vorgeschlagen hat.

Wie kann eine solche Verfassungsänderung denn erreicht werden?

Zwischen Bund und Ländern ist das Aufbrechen des Kooperationsverbots bereits beschlossen. Das ist Teil der Einigung der 16 Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung. Sie muss jetzt noch durch eine Verfassungsänderung und haushalterisch unterlegt werden. Aktuell sind wir in Gesprächen über den genauen Text der Grundgesetzänderung. Dann kann das Programm 2017 starten. Wir brauchen dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag – die haben wir in der Koalition – und auch im Bundesrat. Es gibt noch einige Skeptiker, etwa Teile der CSU oder auch Bildungsministerin Wanka – aber die Vereinbarung steht und muss jetzt umgesetzt werden. Das heißt aber nicht, dass es anschließend eine Art Bundesschulamt gibt. Die Kernkompetenz für schulische Bildung liegt nach unserer Verfassung bei den Ländern. Schulträger sind weiterhin die Kommunen. Es geht dabei nur um die Frage, ob der Bund mit Investitionen gezielt mithelfen kann, die Infrastruktur zu verbessern, so dass jeder seine Aufgabe erledigen kann. Das beinhaltet Schulsanierungen, die digitale Bildung, den notwendigen weiteren Ausbau im Ganztagsschulbereich und Investitionen in die berufliche Bildung.

Einen Kommentar zum Thema Digitalisierung an Schulen lesen Sie hier:

Goodbye, Lehrer Lämpel