Berlin. Wirtschaftsminister Habeck legt seinen ersten Jahreswirtschaftsbericht vor. Darin geht es auch um die Inflationsrate 2022.

Wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck an diesem Mittwoch seinen ersten Jahreswirtschaftsbericht vorlegt, geht es erst einmal um die Bewältigung der Krisen im Hier und Jetzt. Der Grünen-Politiker wird verkünden, wie stark sich die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr voraussichtlich aus dem Corona-Tief kämpfen wird, welche positiven Folgen das für den Arbeitsmarkt und welche dramatischen Folgen für die Inflation hat.

Doch Habeck, der ebenfalls Klimaschutzminister ist, wird auch davon reden, was er Großes mit der deutschen Wirtschaft vorhat. In dem Bericht, der unserer Redaktion vorab vorliegt, kündigt er ein „Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“ sowie den Umbau der sozialen zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft an.

Trotz der aktuellen Herausforderungen durch die Omikron-Welle zeigt sich Habeck für das Jahr 2022 vorsichtig optimistisch, wie unsere Redaktion aus Regierungskreisen erfuhr. Die deutsche Wirtschaft sei weiterhin robust, der Arbeitsmarkt bleibe stabil. Jedoch erwartet die Bundesregierung nur noch ein Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent.

Wirtschaft kämpft sich langsam aus dem Corona-Tief

Habecks Vorgänger Peter Altmaier (CDU) war im Herbst noch von 4,1 Prozent ausgegangen. 2020, im ersten Jahr der Corona-Pandemie, war das Bruttoinlandsprodukt um 4,6 Prozent eingebrochen, im vergangenen Jahr wuchs die Produktion dann wieder um 2,7 Prozent.

Nach Lage der Dinge erwartet die Bundesregierung, dass die Wirtschaft voraussichtlich noch im ersten Quartal durch die Corona-Pandemie und die entsprechenden Einschränkungen des Alltags beeinträchtigt sein wird – vor allem in den Dienstleistungsbereichen.

Im weiteren Verlauf des Jahres sieht die Bundesregierung nach der Abflachung des Infektionsgeschehens die konjunkturelle Erholung kommen – und diese würde dann auch spürbar an Fahrt gewinnen. Sobald sich die Lieferengpässe im Jahresverlauf allmählich auflösen, dürfte zudem die Industrie ihre Produktion wieder merklich ausweiten können. Mehr zum Thema: Habeck bei Söder: Antrittsbesuch mit schwieriger Mission

Für die Menschen im Land hat Habeck bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts eine gute und eine schlechte Nachricht parat. Die gute: Die Bundesregierung rechnet damit, dass nach dem Corona-Einbruch auf dem Arbeitsmarkt wieder deutlich mehr Menschen eine Stelle finden. Die Arbeitslosenquote werde im Jahresdurchschnitt auf 5,1 Prozent sinken (2021: 5,7 Prozent). Die Zahl der Erwerbstätigen steige auf durchschnittlich 45,3 Millionen Personen.

Preisauftrieb dürfte erst 2023 nachlassen

Die schlechte Nachricht: Auch 2022 dürfte die zuletzt besonders hohe Inflation kaum abflachen. Nachdem die Verbraucherpreise im vergangenen Jahr vor allem wegen besonders hoher Energiekosten bereits um 3,1 Prozent gestiegen sind, erwartet die Regierung nun eine weitere Steigerung. Der Preisauftrieb dürfte 2022 auf überdurchschnittlich hohe 3,3 Prozent steigen. Weiterlesen: Klima-Sofortmaßnahmen: Was jetzt auf Verbraucher zukommt

Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht in seiner am Dienstag vorgestellten Wirtschaftsprognose für die Industriestaaten sogar von einer Inflationsrate von 3,9 Prozent aus. Das sind 1,6 Prozentpunkte mehr als bei der im Oktober vorgelegten Prognose. Mit einer Erholung sei dank stabilerer globaler Lieferketten und Energiepreise sowie einer strafferen Geldpolitik 2023 zu rechnen. Mehr zum Thema: Rente: Was Ruheständlern bei der hohen Inflation bleibt

Abseits von Zahlen zur Lage der Wirtschaft geht es in dem Jahresbericht vor allem um die Pläne der Ampel-Koalition für einen grundlegenden Umbau der Wirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft will Habeck zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft weiterentwickeln. Die Ansage des Ministers: Er will eine offene Debatte darüber führen, „was Wohlstand und Lebensqualität langfristig wirklich ausmacht, wo sich Nachhaltigkeit und Wachstum ergänzen können und wo Abwägungen getroffen werden müssen“, wie es in dem Bericht heißt.

Das Wirtschaftswachstum soll nicht mehr über allem stehen. Erstmals würden Indikatoren für Soziales, Umwelt- und Klimaschutz, Bildung und Forschung, Demografie sowie öffentliche Finanzen und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse mit bewertet.

Regierung bemüht sich, Sorgen der Industrie zu entkräften

Zudem bemüht sich die Bundesregierung, Sorgen der Industrie vor einem zu schnellen klimagerechten Umbau zu entkräften. „Mit der richtigen Rahmensetzung durch eine überlegte Wirtschaftspolitik kann es deutschen Unternehmen gelingen, die Technologieführerschaft in CO2-neutralen Produktionsverfahren und klimafreundlichen Produkten zu erlangen“, skizziert die Regierung ihre Linie. Nötig sei ein klarer und verlässlicher Rahmen, der Unternehmen Planungssicherheit im Transformationsprozess bietet.

Beim ökologischen Umbau der Wirtschaft setzt die Ampel vor allem darauf, dass der CO2-Ausstoß immer mehr kostet. Dabei sei es wichtig, einen Schritt nach dem anderen zu setzen. „Damit Unternehmen und Privathaushalte auf die Preissignale reagieren können, muss eine entsprechende öffentliche und private In­frastruktur bereitgestellt werden“, schreiben die Autoren des Berichts.

Soll heißen: Bevor CO2-Abgaben zu stark steigen, muss die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff, grünem Strom sowie von alternativen Verkehrstechnologien sichergestellt sein.

Sonst „würde ein steiler CO2-Preispfad bei Unternehmen vielfach zu Emissionsverlagerungen ins Ausland und bei privaten Haushalten zu Realeinkommensverlusten führen“, hält der Report fest. Minister Habeck kündigt in seinem Vorwort sogenannte „Klimaverträge“ an. Diese sollen sicherstellen, dass klimaschonende Verfahren im Wettbewerb mit auf fossilen Energieträgern basierenden Verfahren keine Wettbewerbsnachteile haben.