Berlin. Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde der Sender statt. Der Rundfunkbeitrag soll nun um 86 Cent erhöht werden.

  • Der Rundfunkbeitrag wird nun doch angehoben
  • Das entschied das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag
  • Die Richter äußerten in ihrem Beschluss scharfe Kritik am Land Sachsen-Anhalt

Es war ein großer Streit um einen Betrag, der zumindest auf den ersten Blick klein ist. 86 Cent pro Monat und Beitragszahler wollten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zusätzlich haben – und die sollen sie jetzt auch bekommen, sagt das Bundesverfassungsgericht. In einer Entscheidung, die am Donnerstag veröffentlicht wurde, gab der Erste Senat des Gerichts einer Beschwerde recht, die die Rundfunkanstalten im vorigen Jahr eingelegt hatten. Das Urteil ist der vorerst letzte Akt in einem Drama, das im letzten Jahr begann, fast die Landesregierung in Sachsen-Anhalt zerschlug und die Sender über Monate hinweg im Ungewissen ließ.

Rückblick: Im Februar 2020 schlug die zuständige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kurz Kef, vor, dass der Rundfunkbeitrag für die Finanzierung des Angebots von ARD, ZDF und Co. um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat steigen soll. Es sollte die erste Erhöhung der Gebühren seit 2009 werden und den Rundfunkanstalten insgesamt 1,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Finanzlücken bescheren. 15 Länderparlamente waren bereit, dem Kef-Vorschlag zuzustimmen – nur Sachsen-Anhalt sträubte sich.

Erhöhung des Rundfunkbeitrags: Wie der Streit um 86 Cent begann

Die dortige CDU-Fraktion wollte keine Erhöhung. Gleich mehrere Punkte kritisierten sie: Zum einen sehe man schon lange Reformbedarf beim Öffentlich-Rechtlichen, im Koalitionsvertrag von 2016 war „Beitragsstabilität“ als Ziel vereinbart worden. Auch bemängeln die Christdemokraten seit Längerem, dass zu wenige der Gemeinschaftseinrichtungen von ARD und ZDF – wie etwa der Kinderkanal Kika – ihren Sitz in Ostdeutschland haben und die ostdeutschen Länder insgesamt im Programm unterrepräsentiert seien. Nicht zuletzt, argumentierten sie, sei eine Erhöhung mitten in der Corona-Krise, die viele Menschen finanziell belastet, nicht vertretbar, auch wenn es nur um 86 Cent gehe.

Doch außer der AfD vertrat diese Position keine der anderen Landtagsfraktionen. Die damaligen Koalitionspartner von SPD und Grünen waren sauer, witterten gemeinsame Sache von CDU und AfD. Um zu verhindern, dass die CDU-Fraktion mit der Rechtsaußen-Partei gegen den Vertrag stimmt, wurde die Abstimmung im Landtag damals abgesagt. Das Ja aus Sachsen-Anhalt blieb aus, das Geld für die Sender ebenfalls – und die zogen vor Gericht.

Eigentlich hätte der Rundfunkbeitrag im Januar erhöht werden sollen.
Eigentlich hätte der Rundfunkbeitrag im Januar erhöht werden sollen. © dpa

Sender bilden „Vielfalt sicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht“

Das entschied nun: Eine „verfassungsrechtlich tragfähige Rechtfertigung“ für ausgebliebene Zustimmung ist keines der vom Land vorgetragenen Argumente. Die Kammer sieht die Rundfunkfreiheit der Sender verletzt. Der Erste Senat hob die besondere Rolle der Anstalten hervor: In Zeiten „vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits“ wachse die Bedeutung des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks, heißt es in dem Beschluss vom 20. Juli. Lesen Sie auch: Bundestagswahl: Wie leicht ist sie durch Fake News manipulierbar?

Die Sender sollten die Wirklichkeit durch „authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten“, unverzerrt darstellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund rücken. So bildeten sie ein „Vielfalt sicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht“.

Journalistenverband freut sich über „Ohrfeige“ für Populisten

Der Gesetzgeber sei dafür verantwortlich, dass auch die finanziellen Voraussetzungen für diese Aufgaben gegeben sind. „Erfüllt ein Land seine Mitgewährleistungspflicht nicht und wird dadurch die Erfüllung des grundrechtlichen Finanzierungsanspruchs unmöglich, liegt bereits darin eine Verletzung der Rundfunkfreiheit“, heißt es weiter.

Die Rundfunkanstalten reagierten mit Erleichterung auf das Urteil: Tom Buhrow, Intendant des WDR und Vorsitzender der ARD, erklärte, die Entscheidung versetze „uns in die Lage, in den kommenden Jahren weiter das bestmögliche Programm für die Menschen zu machen“. ZDF-Chef Thomas Bellut sagte, der klare Beschluss der Karlsruher Richter „bestätigt und stärkt die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Auch Journalismus-Gewerkschaften begrüßten das Urteil. Eine „schallende Ohrfeige“ sei das für Populisten, die über die Finanzierung Einfluss nehmen wollten auf Programminhalte, sagte Frank Überall, Vorsitzender des Deutsche Journalistenverbands.

Ob die CDU in Sachsen-Anhalt sich davon angesprochen fühlt, kann man bezweifeln. Es habe gute Gründe gegeben, dem Vertrag nicht zuzustimmen, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff am Donnerstag nach der Entscheidung – unter anderem die zusätzliche finanzielle Belastung von Bürgerinnen und Bürgern durch die Pandemie.

Zukünftiger Beitrag soll neu festgesetzt werden

Vor allem aber sieht Haseloff ein grundlegendes Problem, dass die Entscheidung des Gerichts nicht gelöst habe. Wenn die Kef den Finanzbedarf der Anstalten ermittelt habe, könnten die Parlamente eigentlich nur zustimmen, wenn sie verfassungsgemäß handeln wollten, so Haseloff. Doch frei gewählte Abgeordnete müssten auch die Möglichkeit haben, mit Nein zu stimmen.

Die „Dilemma-Situation“, die daraus entstehe, sei verfassungsrechtlich unaufgelöst geblieben, so der CDU-Politiker. „Das ist ein Demokratie-Problem, das wir hier haben.“ Und das auch weiterhin bestehen bleiben werde, glaubt Haseloff. In wenigen Jahren könnten Länder und Rundfunkanstalten erneut vor derselben Situation stehen. Aus Karlsruhe habe man sich einen „Innovationshinweis“ gewünscht. Der sei aber ausgeblieben.

Der zukünftige Beitrag soll nun neu festgesetzt werden. Bis das geschehen ist, gilt übergangsweise der Vorschlag der Kef – der Beitrag wird um 86 Cent steigen. Immerhin in einem Punkt kann sich die CDU Sachsen-Anhalt bestätigt fühlen: Die finanzielle Belastung durch die Corona-Krise, schreibt das Gericht, sei dabei in den Blick zu nehmen.