Berlin. Der Diesel-Skandal beschäftigt noch immer die Gerichte: 2020 landeten 30.000 Fälle vor dem Oberlandesgericht als Berufungsinstanz.

Auch fast sechs Jahre nach Bekanntwerden der Manipulationen an der Abgasreinigung von zig Millionen Dieselautos ebbt die Prozesswelle an deutschen Gerichten nicht ab. Die Zahl der Klagen gegen Hersteller wie Volkswagen, zunehmend aber auch Daimler, bleibt hoch.

Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Deutschen Richterbunds bei den 24 Oberlandesgerichten hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach hat die Berufungsinstanz 2020 bundesweit etwa 30.000 Neuzugänge verzeichnet. Im Vorjahr waren es rund 40.000 Fälle.

„Fast sechs Jahre nach dem Auffliegen des Abgasskandals ist ein Ende der gerichtlichen Aufarbeitung noch nicht in Sicht“, sagte Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Richterbunds. „Trotz Pandemie verzeichneten die Oberlandesgerichte 2020 bundesweit immer noch rund drei Mal so viele neue Diesel-Fälle wie 2018.“ Die meisten Fälle beträfen laut Richterbund den Volkswagen-Konzern sowie die Hersteller Daimler und BMW.

Klagen gegen Daimler innerhalb eines Jahres verdreifacht

Die ersten vier Monate des laufenden Jahres würden noch kein einheitliches Bild ergeben. Mehrere Gerichte melden teils deutlich sinkende Zahlen bei Dieselklagen, andere verzeichnen gleichbleibende oder steigende Zahlen. Und zwar „teilweise massiv“, so der Richterbund.

Die höchsten Zahlen melde derzeit das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, bei dem 2020 mehr als 4800 Berufungsverfahren in Diesel-Abgasfällen eingegangen sind. In den ersten vier Monaten 2021 verzeichneten die Stuttgarter bereits 2320 neue Fälle.

Während die Klagezahlen gegen VW auch angesichts der Verjährungsfristen überall mehr oder weniger stark zurückgingen, „häufen sich aktuell die Klageeingänge gegen Daimler“, sagte Rebehn. In Stuttgart hätte sich die Fallzahl in den ersten vier Monaten 2021 mit 1500 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2020 fast verdreifacht.

Auch um die Softwareupdates für Dieselmotoren wird gestritten

Aber auch Fälle, in denen es um mögliche Manipulationen neuerer Dieselmotoren von VW geht, nähmen stark zu. Damit könnte das Rekordniveau des Jahres 2019, als in Stuttgart etwa 7500 Verfahren eingingen, in wieder in Reichweite kommen. Unterdessen drängt die Elektromobilität den Diesemotor zunehmend von der Straße.

Einige Gerichte weisen laut Richterbund darauf hin, dass in Verfahren um die Manipulation älterer VW-Motorenmodelle die Frage der Verjährung verstärkt Gegenstand des Rechtsstreits werde.

Bei Gebrauchtwagenkäufen gehe es zudem in vielen Klagen nicht mehr um das Bekanntwerden des Dieselskandals, sondern um die später erfolgten Softwareupdates: Diese hätten die Abgas-Manipulation aus Sicht der Kläger nicht beseitigt.