Berlin. Im Schatten der Pandemie verschlimmert sich weltweit die Chipkrise. Das bekommen Computerspieler wie deutsche Autobauer zu spüren.

  • Wegen des Bitcoin-Hypes gibt es weltweit eine hohe Nachfrage nach Mikrochips
  • Doch nicht nur Kryptowährungen befeuern die Chipkrise
  • Das bekommen Autobauer und Computerspieler gleichermaßen zu spüren

Der Bitcoin erlebt einen Boom, Audi muss Teile der Produktion stoppen und Wartelisten für Grafikkarten sind länger, als die mancher Impfzentren. Es mag nicht so wirken, aber alle diese Ereignisse stehen in einem direkten Zusammenhang. Denn neben der Corona- befindet sich die Welt bereits seit Monaten auch in der Chipkrise. Die Nachfrage ist riesig, die Halbleiter sind knapp.

Einer der Hauptgründe für die hohe Nachfrage ist der rasante Aufstieg der Kryptowährungen. Allein der Bitcoin vergrößerte seinen Wert an der Börse seit Juli vergangenen Jahres um fast das fünffache. Ein Bitcoin ist aktuell rund 40.000 Euro wert. Nun lassen sich Bitcoins aber nicht nur handeln, sondern auch selbst mit Hilfe von bestimmten Programmen erzeugen. Doch für das sogenannte "Mining" (Schürfen) werden sehr komplizierte Algorhytmen verwendet. Dafür wiederum braucht es hohe Rechnerleistungen, die mittels Chips und Grafikkarten der neuesten Generation sichergestellt werden.

Seit die Garfikkartenhersteller Nvidia und AMD vor wenigen Monaten ihre neuen Modelle auf den Markt gebracht haben, werden ihnen die Grafikkarten praktisch aus der Hand gerissen. Erst im April kaufte mit dem Unternehmen Hut 8 einer der größten Bitcoin-Miner der Welt bei Nvidia Grafikkarten-Prozessoren für 30 Millionen Dollar. Selbst wenn Hut 8 damit weniger wertvolle Kryptowährungen wie Ethereum schürfen würde, könnten die Prozessoren laut einer Schätzung des IT-Portals Golem.de 180.000 Dollar Umsatz "berechnen" – pro Tag.

Zwischenhändler machen mit GeForce RTX 3070 ein Bombengeschäft

Kein Wunder also, dass der Otto-Normalverbraucher kaum eine Chance hat, an eine der Grafikkarten zu kommen. In der Corona-Pandemie spielen nicht nur verstärkt Jugendliche am Computer – Ganz Deutschland ist im Zockermodus. Auch das sorgt für eine hohe Nachfrage nach Grafikkarten und Mikrochips. Findige Zwischenhändler, sogenannte Scalper, arbeiten für den Einkauf daher längst mit automatisierten Kaufprogrammen.

Sobald irgendwo Chips oder Grafikkarten verfügbar sind, bestellen die Programme automatisch große Mengen, um sie später gewinnbringend weiterzuverkaufen. Es lohnt sich. Die beliebte Nvidia-Grafikkarte GeForce RTX 3070 kam ursprünglich mit einer Preisempfehlung von 499 Euro auf den Markt. Der Endverbraucher bekommt sie aktuell, wenn überhaupt, nicht für unter 1000 Euro.

Doch wer nun fürs Zocken auf eine Spielekonsole, wie die neue Playstation 5 von Sony umsteigen will, schaut ebenfalls in die Röhre. Seit die Konsole im Herbst auf den Markt gekommen ist, ist sie Mangelware. Wieder trifft hohe Nachfrage auf Chipkrise und verschlimmert diese zusätzlich. Als das Containerschiff "Ever Given" vor wenigen Wochen den Suez-Kanal und damit den weltweiten Schiffsverkehr teilweise zum erliegen brachte, geisterte eine Frage tagelang prominent durchs Internet: "Stecken jetzt auch Playstation 5 und Grafikkarten fest?"

Die Sorgen waren berechtigt. Die Chip-Krise wird befeuert, weil wegen der Corona-Pandemie einmal weniger Container-Schiffe auf den Weltmeeren unterwegs und gleichzeitig Container selbst selten sind. Doch irgendwie müssen die Chips nach Europa und in die USA kommen. Hergestellt werden viele von ihnen in Taiwan. So sind fast alle großen Grafikkartenhersteller auf das Unternehmen TSMC aus Taiwan angewiesen. Auch Apple und Huawei lassen dort fertigen. Die Firma ist nach Intel und Samsung der drittgrößte Hersteller von Mikrochips weltweit. Für das erste Quartal 2021 meldete TSMC mit rund elf Milliarden Euro mal wieder einen neuen Umsatzrekord.

Mercedes und Audi müssen wegen Chipkrise Produktion verringern

Die taiwanische Mikrochip-Industrie ist auch Zulieferer für viele Automobilhersteller. In Zeiten von Bord-Computer und Bremsspurasisstent bekommen Audi, Mercedes und Co. die Chipkrise in aller Deutlichkeit zu spüren. Daimler wird deswegen an mindestens zwei Standorten Tausende Mitarbeiter wieder in die Kurzarbeit schicken. Betroffen sind wahrscheinlich ein Großteil der Beschäftigten der Mercedes-Werke in Rastatt und Bremen. Am Audi-Standort Neckarsulm wird die Produktion genauso teilweise gestoppt wie an zwei Jaguar-Standorten in Großbritannien. Bei Peugeot werden wieder analoge Zeiger-Tachometer verbaut, damit die Produktion nicht zum Erliegen kommt. Überall fehlen die Halbleiter für elektronische Bauteile.

Und sie werden es wohl auch noch eine ganze Weile bleiben. Die Chipkrise wird laut dem neuen Chef des Chipherstellers Intel, Pat Gelsinger, noch Jahre andauern. Die "beispiellose Nachfrage" strapaziere die Lieferketten in der Branche und es fehle an Fertigungskapazitäten, Material für Leiterplatten sowie an Bauteilen. "Wir erwarten, dass die nötigen Investitionen aus der Branche gegen diese Knappheit ein paar Jahre in Anspruch nehmen", sagt Gelsinger.

Doch bevor es überhaupt besser wird, wird es sehr wahrscheinlich erst einmal schlechter. Denn in Taiwan herrscht aktuell die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten. Nun sind Unternehmen dazu verpflichtet, den Wasserverbrauch zu senken. Das geht mit einer Verminderung der Produktionskapazitäten einher. Der Nachschub an Mikrochips wird noch einmal knapper werden. (mit dpa)