Berlin. Bayer und Curevac wollen bei Zulassung, Vertrieb und Vermarktung des Corona-Impfstoffs zusammenarbeiten. Warum das auch Nachteile hat.

Während die Bundesregierung in der Kritik steht, zu wenig Impfstoffe des Mainzer Herstellers Biontec geordert zu haben, rüstet ein deutscher Konkurrent auf: Das Tübinger Unternehmen Curevac hat den Dax-Konzern Bayer als Partner für seinen Impfstoff gewonnen. Gemeinsam möchten sie nun das weltweite Rennen um Massenimpfungen gegen das Coronavirus weiter aufrollen. Ziel sei es, nach einer Zulassung sehr rasch „mehrere hundert Millionen Dosen" des Curevac-Mittels zu produzieren. Der Impfstoff befindet sich seit Mitte Dezember in der letzten Studienphase.

Curevac entwickelt ein Mittel, das ähnlich wie die in Europa zugelassenen Impfstoffe von Biontech und des US-Konzerns Moderna auf Basis von Messenger-Ribonukleinsäure (mRNA) basiert. Mit dem Knowhow von Bayer will das Biotech-Unternehmen Curevac nun aufholen und strebt eine Zulassung im Frühjahr an, der April gilt als realistisch. Die EU hat bei Curevac schon 225 Millionen Dosen bestellt. Der Bund hatte sich wiederum bereits im August 2020 an Curevac mit 16 Prozent über die KfW-Bank beteiligt – auch um zu verhindern, dass ihm die Amerikaner zuvorkommen. Curevac gehört zur Hälfte dem SAP-Gründer Dietmar Hopp.

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Bayer unterstützt Curevac bei Entwicklung, Zulassung und Vermarktung

Bayer wird das Biotech-Unternehmen Curevac vor allem bei der Entwicklung, Zulassung, Herstellung und Vermarktung seines Covid-Impfstoffs unterstützen. „Mit seiner Expertise und Infrastruktur kann uns Bayer helfen, unseren Impfstoffkandidaten noch schneller verfügbar zu machen“, sagte Curevac-Chef Franz-Werner Haas. Das Großunternehmen könne den Impfstoff außerhalb Europas vermarkten, während Curevac die Lizenzen für die EU behalte. Bayer-Vorstand Stefan Oelrich betonte: „Der Bedarf an Impfstoffen gegen Covid-19 ist enorm. Wir stellen unsere Fähigkeiten und Netzwerke zur Verfügung, um dazu beizutragen, diese Pandemie zu beenden.“

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Bayer soll Curevac zunächst bei der Fertigstellung der letzten Phase-3-Studie und bei den Zulassungsdetails unterstützen. Anschließend will Bayer seine Vertriebswege und globale Logistik-Infrastruktur nutzen, um die weltweite Auslieferung zu organisieren. Ob der Dax-Konzern auch in die Produktion des Impfstoffs einsteigen wird, ist noch offen. Bayer will prüfen, ob man auf vorhandenen Anlagen die Impfstoffe herstellen könne. Denn: Bayer ist zwar ein wichtiger Medikamentenhersteller gegen Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In der Impfstoff-Produktion ist das Unternehmen aber nicht aktiv.

Curevac folgt dem Beispiel Biontech

Curevac hatte sich zuvor schon Partner für die Produktion ins Boot geholt: den französischen Arzneimittelhersteller Fareva und die deutsche Wacker AG. Für Bayer spannend werden die Märkte außerhalb Europas, vor allem in den USA. Denn die Leverkusener erhalten die Option, „um Inhaber der Marktzulassung in anderen Märkten außerhalb Europas zu werden". Das bedeutet, Bayer könnte etwa in den USA den Curevac-Impfstoff unter eigenem Namen produzieren lassen und vertreiben.

Curevac folgt mit der Partnerschaft dem Beispiel seines Rivalen Biontech, der schon im März ähnliche Verträge mit Pfizer aus den USA und Fosun aus China abgeschlossen hatte. Biontech hatte bei den Gesprächen mit Pfizer einen Vorteil: Es gab seit 2018 eine Zusammenarbeit mit dem US-Konzern zum Beispiel bei einer Grippeimpfung.

Aktien von Bayer und Curevac legen deutlich zu

Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit mit einem Pharmariesen für einen Mittelständler stets heikel. Die Größenunterschiede sind beträchtlich: Pfizer hat 90.000 Mitarbeiter, Biontech hatte zu Beginn des Projekts 1300 Mitarbeiter. Für Pfizer arbeiten mehr Juristen, als Biontech überhaupt Mitarbeiter hat. Während Biontech da noch kein einziges Produkt auf dem Markt hatte, blickt Pfizer auf 170 Jahre Geschichte und Tausende von erfolgreichen Medikamenten zurück.

Ähnlich ungleich sehen die Verhältnisse zwischen Curevac und Bayer aus. Der Dax-Konzern beschäftigt 100.000 Mitarbeiter, Curevac nur 500. Bayer macht vier Milliarden Euro Gewinn im Jahr, der kleine Partner aus Tübingen kennt bisher nur Verluste. Auf der einen Seite macht der Mangel an Erfahrung den großen Partner so wichtig und wertvoll. Auf der anderen Seite müssen die kleineren Unternehmen aufpassen, sich nicht übervorteilen zu lassen. Die Großunternehmen wollen sich in der Regel besonders weitreichende Rechte an dem geistigen Eigentum des kleineren Spielers sichern.

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Nachteil: Bayer bietet schon lange keine Vakzine mehr an

Während Bayer als deutscher Konzern den Tübingern kulturell näherstehen mag, hat es im Vergleich zu Pfizer jedoch einen Nachteil: Das deutsche Unternehmen bietet schon lange keine Vakzine mehr an. Im Jahr 2000 hat Bayer seine Sparte für Tierimpfstoffe abgestoßen. Pfizer ist dagegen nicht nur eine Impfstoff-Großmacht, sondern hat auch eigene Kompetenzen im Umgang mit der neuen Generation von Impfstoffen (mRNA) mitgebracht. Das US-Unternehmen konnte daher zügig eine Produktion nach dem Biontech-Verfahren für den nordamerikanischen Markt aufbauen.

Das deutsch-deutsche Team Curevac-Bayer scheint im Impfstoffrennen jedenfalls hochwillkommen – nicht nur im Kampf gegen die Pandemie, sondern auch am Markt: Die Aktien beider Unternehmen legten deutlich zu.