Berlin. Die Rückholung der Produktion von Schutzmasken nach Deutschland läuft. Doch Experten bezweifeln, ob sie sich wirklich selbst trägt.

Im Frühjahr war der Schock groß, als das Virus nach Deutschland kam und es selbst in großen Krankenhäusern an Schutzkleidung fehlte. Sogar einfache Masken waren knapp, an eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung war gar nicht zu denken.

Denn sowohl die Filterstoffe als auch die Endprodukte selbst kamen aus Asien. Die Politik versprach Abhilfe, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollte die Maskenproduktion nach Deutschland zurückholen.

Masken: Die Produktion von medizinischen Masken läuft gerade erst an

Seitdem ist ein halbes Jahr vergangen – und es zeigen sich erste Erfolge der Rückholstrategie. Aber es mehren sich auch die Zweifel, ob sich die Herstellung in Deutschland langfristig selbst trägt.

Tatsächlich überschneiden sich derzeit zwei Trends: Während die Herstellung von Alltagsmasken deutlich zurückgeht, fährt die Produktion von medizinischen Masken mit hoher Filterwirkung gerade erst an – pünktlich zum Abschluss der Entwicklung der ersten Impfstoffe.

Wirtschaftsministerium fördert Investitionskosten

Einer der neuen Maskenanbieter ist Skylotec aus Neuwied. Geschäftsführer Kai Rinklake präsentiert eine Maschine von der Größe eines Lastwagens, an der außen Rollen und Trommeln angebracht sind, die ihre ausgeklügelte Technik ansonsten aber hinter hellgrauen Oberflächen versteckt. Sie stößt pro Jahr 500 Millionen Schutzmasken nach FFP-Standard aus. Das sind die Profi-Masken, die in Krankenhäusern gebraucht werden.

„Es sind Maschinen, von denen wir vorher nicht viel Ahnung hatten“, gibt Rinklake zu. Skylotec stellt eigentlich Klettergurte her. Als er im Frühjahr von dem Aufruf der Regierung gehört hat, in Maskenproduktion zu investieren, hat er einen Förderantrag gestellt. Das Wirtschaftsministerium hat ein Drittel der Investitionskosten von zehn Millionen Euro übernommen.

Altmaier: „Wir wollen die Abhängigkeit von Importen langfristig senken“

Die große Maschine kommt von dem Hersteller Winkler + Dünnebier, einem Weltmarktführer für Hygieneartikel-Produktionsausrüstung, der in Neuwied ein Nachbar von Skylotec ist. Rinklake hat Mitarbeiter aus der Kurzarbeit geholt, um die nötige Halle für das Gerät selbst auf sein Werksgelände zu setzen. Ab kommendem Jahr will Skylotec die Masken aus der Produktion in Neuwied am Markt anbieten.

Rinklake ist sich sicher, preislich mit der dominierenden Konkurrenz aus Fernost mithalten zu können. Es ist der Politik wichtig, dass Deutschlands neue Maskenindustrie den asiatischen Herstellern gewachsen sein soll. „Wir wollen die Abhängigkeit von Importen langfristig senken“, sagte Altmaier bei Übergabe des Förderbescheids an Skylotec. „Das funktioniert nur, wenn wir wettbewerbsfähig sind.“ Bereits im Interview mit unserer Redaktion hatte Altmaier die Produktion Milliarden Schutzmasken angekündigt.

Pro Jahr können bis zu 500 Millionen Masken von der neuen Maschine von Skylotec produziert werden.
Pro Jahr können bis zu 500 Millionen Masken von der neuen Maschine von Skylotec produziert werden. © Skylotec

Bund verteilte 40 Millionen Euro für die Produktion von Filterstoffen

Die Herstellung solcher Massenartikel war in den vergangenen Jahrzehnten fast vollständig aus Deutschland verschwunden, weil asiatische Anbieter unschlagbar günstige Preise anbieten können. Altmaier musste die Industrie vom Fundament her neu aufbauen lassen.

Der erste Schritt dazu war die Schaffung der Produktion der Filterstoffe. Das Ministerium hat dafür 40 Millionen Euro an 46 Unternehmen verteilt. Sie sollen künftig genug Vlies für fünf Milliarden Masken pro Jahr bereitstellen.

60 Millionen Euro stehen für Investitionen parat

Im zweiten Schritt geht es nun um die Herstellung der Masken selbst – das übernehmen Firmen wie Skylotec. Diese mussten in die passenden Maschinen investieren. Dafür stehen 60 Millionen Euro an Fördermitteln zur Verfügung. Daraus finanziert das Ministerium bis zur Hälfte der Kosten für die neuen Geräte.

Das Ziel: zusätzliche Produktionskapazitäten für die Herstellung von sieben Milliarden Masken im Jahr zu schaffen. In einem „Sprinterprogramm“ haben bereits 135 Unternehmen Förderung erhalten. Jetzt läuft das „Innovationsprogramm“, in das auch Skylotec fällt. Dafür sind 272 Anträge beim Ministerium eingegangen.

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Experten haben Zweifel an der Wettbewerbsfähigkeit

Experten bezweifeln jedoch, dass die Anbieter langfristig das Preisniveau von Importware halten können. Die einheimischen Hersteller seien im Vergleich zur asiatischen Konkurrenz kaum wettbewerbsfähig, glaubt Sebastian Dullien, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in Düsseldorf.

Die Regierungen von Bund und Ländern könnten die geringere Wettbewerbsfähigkeit jedoch durch langfristige Abnahmeverträge ausgleichen. „Es könnte durchaus mehr Maskenproduktion in Deutschland und der EU stattfinden“, glaubt auch Dullien.

Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMK, hält aktuell die einheimischen Hersteller dauerhaft für kaum wettbewerbsfähig.
Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMK, hält aktuell die einheimischen Hersteller dauerhaft für kaum wettbewerbsfähig. © imago images/Jürgen Heinrich

In China werden bis zu 116 Millionen Masken pro Tag hergestellt

Die Fabriken in Asien stützen sich eben nicht nur auf die gigantischen Märkte vor Ort, sondern liefern auch rund um den Globus aus. Sie stellen damit um Größenordnungen höhere Stückzahlen her als europäische Anbieter. Nach Angaben der Wirtschaftsplanungsbehörde in Peking lag der Ausstoß der chinesischen Fabriken in der Krise bei 116 Millionen Stück am Tag.

„Der Preisdruck hat inzwischen wieder enorm zugenommen“, beobachtet der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie. Chinesische Hersteller bieten OP-Masken schon wieder für wenige Cent pro Stück an. „Eine international wettbewerbsfähige Produktion wird zu solchen Preisen in Deutschland auf Dauer nicht möglich sein.“ Es sei daher weitere Förderung nötig.

Langfristige Subventionen sind nicht vorgesehen

Altmaier betont jedoch, langfristige Subventionen seien nicht vorgesehen. Einen groß angelegten Ankauf durch den Bund will er nicht versprechen, verweist aber auf den hohen Bedarf staatlicher Institutionen in Deutschland. Dullien hält es für wettbewerbsrechtlich machbar, bei der staatlichen Beschaffung gezielt Anbieter aus der EU zu bevorzugen – wenn dafür das entsprechende Regelwerk geschaffen wird.

Skylotec-Geschäftsführer Rinklake will sich auf eine Diskussion über staatliche Schutzschirme für seine neue Maskensparte gar nicht erst einlassen. „Es gibt keinen Plan B.“ Das erklärte Ziel sei, am Markt wettbewerbsfähig zu sein. Weil die Herstellung weitgehend automatisiert verlaufe, sei der Vorteil Asiens – die geringeren Personalkosten – in der heutigen Zeit nicht mehr ausschlaggebend.

Zudem sparten seine Kunden sich die Transportkosten für den langen Weg um den Globus. Außerdem biete er bessere Qualität. Auch Altmaier glaubt: „Wir werden diese Masken brauchen, sie werden die nötigen Preise erzielen.“