Berlin. Die Corona-Pandemie zwingt Deutschland in den Lockdown. Das müssen Arbeitnehmer über Hygiene, Corona-Tests und Homeoffice wissen.

Die Rechtslage rund um die Corona-Verordnungen bleibt auch in der zweiten Lockdown-Periode unübersichtlich. An vielen Arbeitsplätzen dürfte es in den nächsten Wochen immer wieder zu Konflikten kommen, da in den Betrieben unterschiedliche Einschätzungen über das richtige Vorgehen herrschen. Unsere Redaktion beantwortet dazu wichtige Fragen.

Kann mich der Arbeitgeber zu einem Corona-Test zwingen?

In den meisten Fällen geht das nicht. Allerdings dürfte ein Arbeitgeber berechtigt sein, den Gesundheitszustand der Arbeitnehmer zu überprüfen – dies aber nur bei Infektionsverdacht. In diesem Fall dürfe er ein ärztliches Attest verlangen, sagt Volker Serth, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Wirtschaftskanzlei FPS in Frankfurt.

Dürfen Chefs ihre Mitarbeiter ins Home­office schicken?

Ganz ohne Formalien geht es nicht. „Der Arbeitgeber darf Arbeitnehmer nicht einfach ins Homeoffice schicken“, sagt Benjamin Onnis von der Wirtschaftskanzlei FPS. Dazu sei ein Vertrag nötig. „Im Prinzip geht das auch über einen mündlichen Vertrag – viel besser ist jedoch ein schriftlicher.“ Viele Firmen setzen derzeit auf ein einheitliches Dokument als Ergänzung zum Arbeitsvertrag, das beiden Seiten Flexibilität gibt.

Wenn Mitarbeiter Hygienemaßnahmen verweigern, kann der Arbeitgeber dann eine Abmahnung oder Kündigung aussprechen?

Die Firmenleitung kann ihr geltendes Hygienekonzept notfalls auch mit Ermahnungen, Abmahnungen und Kündigungen durchsetzen. Das gilt auch für das Tragen einer Maske, beispielsweise bei Kundenkontakt oder in Situationen mit höherem Ansteckungsrisiko. „Voraussetzung ist allerdings, dass die Regeln vorher in einer Dienstanweisung festgelegt wurden“, sagt Serth.

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Eine rechtmäßige Dienstanweisung werde zum Teil des Arbeitsvertrags. Wenn ein Mitarbeiter sich also weigert, in den vorher festgelegten Situationen seine Maske korrekt zu tragen, ist auch eine Abmahnung möglich. „Der Arbeitgeber hat für die Beurteilung solcher Situationen einen erheblichen Ermessensspielraum.

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    Welche Kriterien gelten hier?

    In Deutschland ist die gesundheitliche Sicherheit der Mitarbeiter grundsätzlich gut geschützt. Wo Ansteckungsrisiken herrschen, darf der Arbeitgeber eingreifen und auch entsprechende Vorgaben machen. „Wenn eine Maßnahme damit begründet ist, die Gesundheit anderer Mitarbeiter zu schützen, dann ist sie auf jeden Fall gerechtfertigt“, sagt Serth.

    Das Wohlbefinden und die Sicherheit der Kunden sind ebenfalls starke Argumente. Im Außenkontakt – etwa an der Theke einer Bäckerei – lassen sich also Masken vorschreiben, auch wenn die örtliche Corona-Verordnung das für Verkaufspersonal nicht zwingend vorsieht.

    Gilt das auch in Situationen, in denen eine von Chefs verordnete Hygieneregel nicht wirklich sinnvoll erscheint?

    Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer keinen Forderungen des Chefs Folge leisten, die ganz klar widersinnig sind. Wenn dieser etwa verlangt, dass Mitarbeiter auch in gut gelüfteten Einzelbüros ständig Masken tragen, dann müssen diese sich nicht daran halten.

    Doch die Mitarbeiter können nicht auf eigene Faust entscheiden, was ihnen sinnvoll erscheint. Es gelten die Regeln und Standards, die von den Behörden mitgeteilt werden, beispielsweise die drei Regeln „Abstand halten, Hände waschen, Alltagsmaske tragen“ (AHA).

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    Was können Mitarbeiter tun, wenn Arbeitgeber nicht genug für deren Schutz machen?

    Wenn ein Betrieb gegen die bekannten Regeln und Verordnungen verstößt, können die Arbeitnehmer sich wehren. Wenn Arbeiter beispielsweise in engen, ungelüfteten Räumen lange Zeit ohne Masken zusammenarbeiten sollen, können sie im Zweifelsfall zu Hause bleiben oder einen anderen Einsatzort verlangen. „Wenn der Arbeitnehmer durch das Verhalten des Arbeitgebers gefährdet wird, besteht Leistungsverweigerungsrecht“, sagt Serth.

    Das Gehalt muss dennoch weitergezahlt werden. Für Lkw-Fahrer sei beispielsweise längst entschieden, dass sie ihre Lenkzeiten nicht überschreiten dürfen, auch wenn der Chef es von ihnen verlangt. Die Angestellten können ihren Chef andererseits aber auch nicht zwingen, besonders strenge Corona-Regeln zu erlassen, die über das allgemein anerkannte Maß hinausgehen.

    Kann ich von den Kollegen mehr Schutz verlangen – wie das Tragen von Masken?

    Derzeit fühlen einige Menschen sich gefährdeter als andere. Wenn beispielsweise im Großraumbüro bereits ein Hygienekonzept mit Trennwänden und Luftreinigern umgesetzt ist, können einzelne Mitarbeiter nicht verlangen, dass alle anderen zusätzlich immer auch Masken tragen.

    Sie können vom Chef auch nicht verlangen, strengere Anweisungen zu geben – so funktioniert das Arbeitsleben nicht. „Hier wäre sicher das Gespräch über einen Homeoffice-Arbeitsplatz sinnvoll“, sagt Serth. In akuten Situationen wie physischen Besprechungen lassen sich die AHA-Regeln natürlich auch unter Kollegen jederzeit anmahnen.

    Was, wenn ein Mitarbeiter die Existenz der Pandemie leugnet und deshalb nicht bei Hygienemaßnahmen mitmacht?

    Auch wer selbst nicht an das Virus oder die Wirksamkeit des Infektionsschutzes glaubt, muss sich an Dienstanweisungen des Chefs halten. Wenn es Streit um die Anweisungen geben sollte und es zu einer Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht kommt, dann ist der Stand der Wissenschaft maßgeblich, wie anerkannte Experten ihn vertreten.

    Es wird auch den Wortlaut und Geist der geltenden Verordnungen heranziehen. Auch die Einschätzungen der örtlichen Gesundheitsämter können eine Rolle spielen.