Berlin. Psychische Probleme? Die Suche nach einem Therapieplatz kann manchmal viele Monate dauern. So sollten Betroffene am besten vorgehen.

Rund ein Drittel der Deutschen entwickeln im Laufe ihres Lebens ein psychisches Leiden. Bedingt durch den Ausnahmezustand der Pandemie steigt die Zahl derer, die seelisch erkranken, noch weiter an. Psychotherapeutinnen und -therapeuten können einen Weg aus der Krise aufzeigen. Doch wie findet man den richtigen Ansprechpartner? Und welche Formen der Therapie gibt es überhaupt? Ein Überblick.

Wie lange warten Patientinnen und Patienten auf einen Termin?

Wenn die seelische Last zu groß wird und Gespräche mit Familienmitgliedern und Freunden nicht mehr ausreichen, um sie zu lindern, sollten Betroffene den Rat einer Fachperson einholen. Zwar gibt es deutschlandweit mehr als 20.000 von den Krankenkassen zugelassene Psychotherapeutinnen und -therapeuten, nicht alle jedoch verfügen auch über freie Therapieplätze. Der Bedarf ist groß. Lesen Sie auch:Wie Therapiehund „Digby“ Menschen vor Suizid bewahrt

Die Wartezeiten sind oft lang. Das belegt eine Erhebung der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die im März veröffentlicht wurde. Für sie wurden die Daten aus dem Jahr 2019 ausgewertet. Demnach warteten rund 40 Prozent der Betroffenen, bei denen eine psychische Erkrankung festgestellt wurde, zwischen drei und neun Monaten auf den Beginn einer Behandlung.

Wen sollten Betroffene ansprechen, um kurzfristig einen Termin bei einer Psychologin oder einem Psychologen zu bekommen?

Wie also vorgehen, um kurzfristig einen Therapieplatz zu erhalten? „Wir empfehlen, in die Sprechstunde eines niedergelassenen Psychotherapeuten zu gehen“, sagt Dietrich Munz, Präsident der BPtK. Denn: Das sei die Voraussetzung für einen späteren Behandlungstermin.

Im Gespräch mit der Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten solle nicht nur geklärt werden, ob die betroffene Person tatsächlich behandlungsbedürftig ist. Die Therapeutinnen und Therapeuten würden hier bereits beratend tätig werden. In dringenden Fällen, so Munz, könnten Betroffene außerdem die telefonischen Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigungen nutzen.

Deren Mitarbeiter vermitteln auch an Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Die Terminservicestellen erreichen Sie rund um die Uhr bundesweit unter der Telefonnummer 116 117 oder online auf der Seite: www.eterminservice.de/terminservice. Auch interessant:Anorexie im Lockdown: Die Geschichten von Lilly und Hannah

Auch wenn die Wartezeiten für einen Termin äußerst lang sind, empfehlen Therapeuten den Patienten weiter zu suchen, falls die Chemie zwischen den beiden nicht stimmt. (Symbolfoto)
Auch wenn die Wartezeiten für einen Termin äußerst lang sind, empfehlen Therapeuten den Patienten weiter zu suchen, falls die Chemie zwischen den beiden nicht stimmt. (Symbolfoto) © imago images | Cavan Images

Welche Formen der Therapie gibt es?

Therapieformen unterscheiden sich vor allem im Ansatz. Von den Krankenkassen finanziert werden Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Psychotherapie, Psychoanalyse und systemische Psychotherapie. Letztere allerdings nur bei Erwachsenen, erklärt Susanne Berwanger vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen.

Eine Verhaltenstherapie korrigiert Verhaltensweisen und Einstellungen, die sich Menschen im Lauf des Lebens angeeignet haben. Die tiefenpsychologische Psychotherapie und Psychoanalyse hingegen beschäftigen sich vorrangig mit unbewussten psychischen Einflüssen und Konflikten, die bis in die Kindheit zurückgehen können.

In der systemschen Psychotherapie werden Probleme nicht als Störungen eines einzelnen Menschen begriffen, sondern als Folge einer Störung in dessen sozialem Umfeld. Welche Therapieform für Betroffene am besten geeignet ist, sollten diese gemeinsam mit einer Psychologin oder einem Psychologen ergründen. Lesen Sie auch:Sozialphobie: Was hilft gegen die Furcht, sich zu blamieren?

Worin unterscheiden sich die Therapeuten?

Entscheidend dafür, ob die Behandlung bei der Patientin oder dem Patienten anschlägt, ist auch das Verhältnis zur jeweiligen Therapeutin, beziehungsweise zum Therapeuten, betont Munz. „Statt rational abzuwägen, sollten Betroffene ihrem Bauchgefühl folgen und auch trauen.“

Bei dieser wichtigen Entscheidung könnten folgende Fragen helfen: Kann ich mich der Fachperson gegenüber öffnen? Fühle ich mich verstanden? Kann ich ihr Erlebnisse und Gefühle anvertrauen, die ich anderen Menschen nicht unbedingt anvertrauen würde? Und ganz wichtig: Stimmt die Chemie?

Grundsätzlich haben Therapiesuchende im Rahmen der sogenannten Probatoriksitzungen zu Beginn einer Behandlung die Möglichkeit, fünf verschiedene Psychotherapeutinnen und -therapeuten kennenzulernen, erklärt Berwanger. Auch interessant:Reform der Psychotherapie-Ausbildung - Das ändert sich jetzt

Was, wenn die Chemie mit Therapeutin oder Therapeut nicht stimmt?

Auch wenn es schwerfällt, weil die Recherche in diesem Fall von Neuem beginnt: Expertinnen und Experten empfehlen, weiterzusuchen. „Betroffene sollten immer den Mut haben, Störungen anzusprechen oder zu Unklarheiten Fragen zu stellen. Anhand der Reaktion der Therapeutinnen und Therapeuten können sie erkennen, ob sie mit dem eigenen Anliegen verstanden werden und wertschätzend mit ihnen umgegangen wird“, sagt Psychologin Berwanger.

Kann Online-Beratung zur Problemlösung beitragen?

Mittlerweile gibt es zahlreiche Online-Angebote, die Menschen mit seelischen Problemen Heilung oder zumindest Linderung versprechen. Doch können virtuelle Beratungen und ausgebildete Fachpersonen tatsächlich dasselbe leisten?„Wir sind nicht grundsätzlich dagegen“, so Munz, „empfehlen Betroffenen aber dringend, vorher mit einer Psychotherapeutin oder einem -therapeuten zu sprechen und, wenn gewünscht, gemeinsam ein passendes Programm auszuwählen.“

Für die Diagnose, so der Präsident, würden Online-Angebote nicht ausreichen. Dafür bräuchte es ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Ebenso verhielte es sich im Hinblick auf die mögliche Suizidalität einer Patientin oder eines Patienten. Während einer Sprechstunde falle es betroffenen Personen oft leichter, darüber zu reden. „Das lässt sich mit Online-Angeboten nicht abdecken“, glaubt Munz.