Berlin . E-Roller sollen bald auch durch deutsche Städte fahren. Doch um das „Wie“ gibt es noch Streit. Ein Verkehrsexperte findet das grotesk.

An der Haltestelle aussteigen, den Roller ausklappen, Schwung nehmen und ohne Schweiß bequem und umweltbewusst bis zur Arbeit kommen: Mit Elektro-Tretrollern, sogenannten E-Scootern, könnte das bald Realität werden.

Am Mittwoch hat das Bundeskabinett eine Verordnung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zur Zulassung von Elektrokleinstfahrzeugen im Straßenverkehr gebilligt. Damit das Gesetz in Kraft treten kann, muss noch der Bundesrat zustimmen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Um welche Roller geht es?

In die vom Bundeskabinett gebilligte Verordnung fallen Kleinstfahrzeuge mit elektrischem Antrieb, die eine Lenk- oder Haltestange haben. Der Roller darf maximal 55 Kilogramm wiegen, 1,40 Meter hoch und zwei Meter lang sein und zwischen sechs und 20 Stundenkilometer schnell fahren können. Damit gelten E-Roller rechtlich als Kraftfahrzeuge. Sie benötigen zwei Bremsen, und auch eine Klingel muss der Besitzer vorweisen. Zur Sichtbarkeit im Straßenverkehr sind Reflektoren und Beleuchtung Pflicht. Die Beleuchtung darf abnehmbar sein.

Da die elektrischen Roller als Kraftfahrzeuge gelten, ist ein neues Gesetz nötig, das die Fahrzeuge im Straßenverkehr zulässt. Die EU hat einer entsprechenden Neuregelung bereits zugestimmt. Wenn der Bundesrat grünes Licht gibt, könnten die E-Scooter schon in diesem Frühjahr auf die Straße kommen. Nach dem Plan der Regierung soll das Gesetz noch vor der im Juli beginnenden parlamentarischen Sommerpause in Kraft treten.

Gibt es E-Roller schon zu kaufen?

In Elektronikfachmärkten gibt es die E-Roller im regulären Sortiment, auch im Onlinehandel lassen sich die Fahrzeuge bestellen. Die Preisspanne ist groß: Günstige Roller, die mit rund 100 Watt Leistung zwölf Stundenkilometer auf die Straße bringen, gibt es für gut 100 Euro. Ein Modell des Autoherstellers BMW mit über 400 Watt Leistung und einer Reichweite bis zu 30 Kilometern kostet dagegen rund 2500 Euro. Aktuell ist es noch nicht legal, mit den Rollern am Straßenverkehr teilzunehmen.

Wer darf die neuen Roller fahren?

Wenn die Verordnung in ihrer aktuellen Form kommen sollte, wäre keine Mofa-Prüfbescheinigung Pflicht. Das bedeutet: Wenn ein Roller höchstens zwölf Stundenkilometer schnell ist, dürfen auch Jugendliche ab dem zwölften Lebensjahr mit ihm fahren. Allerdings dürfen diese Fahrzeuge nur auf Geh- und gemeinsamen Geh- und Radwegen genutzt werden. Nur wenn kein Geh- oder Radweg vorhanden ist, darf auf der Straße gefahren werden. Ab dem 15. Lebensjahr dürfen E-Scooter, die zwischen zwölf und 20 Stundenkilometer schnell sind, genutzt werden – ausschließlich auf Radwegen. Wenn kein Radweg vorhanden ist, soll auf die Straße ausgewichen werden.

Müssen E-Roller angemeldet werden?

Jeder E-Roller braucht eine Kfz-Haftpflichtversicherung, mit der Unfallopfer entschädigt werden sollen. Als Versicherungskennzeichen erhalten Rollerfahrer vom Versicherungsunternehmen oder Vermittler eine Klebeplakette. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft teilt mit: „Wer ohne Versicherung fährt, macht sich strafbar und hat keinen Versicherungsschutz.“

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Sind die Roller gefährlich?

Verkehrsminister Scheuer ist von den E-Rollern überzeugt: „Damit ebnen wir den Weg für die Mobilität der Zukunft und sorgen gleichzeitig für Sicherheit auf unseren Straßen.“ Das sieht Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, anders: „Auf der Straße haben die Rollerfahrer selbst ein großes Risiko, zu verunfallen, auf dem Gehweg gefährden sie sich und andere“, sagte Brockmann. Er halte es für falsch, dass keine Mofa-Prüfbescheinigung vonnöten sein soll, da so ein Nachweis der Kenntnis der Straßenverkehrsordnung fehlen würde.

Der ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, findet es dagegen richtig, dass kein Mofaführerschein benötigt wird. Er will eine Neuaufteilung des öffentlichen Raums: „Vorfahrt für alles, was innovativ und emissionsfrei unterwegs ist“, forderte Özdemir gegenüber unserer Redaktion. Die aktuelle Regelung drohe dagegen, Fußgänger, Fahrradfahrer und Nutzer von E-Kleinstfahrzeugen gegeneinander auszuspielen.

Burkhard Stork, Bundesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), warnte: „Die Radwege in Deutschland sind schon für den vorhandenen Radverkehr viel zu holprig und zu eng.“ Außerdem hätten Kraftfahrzeuge auf Gehwegen „absolut nichts zu suchen“.

Das sieht auch der Verkehrsexperte und Stadtplaner Heiner Monheim so. Für ihn ist klar: „Alles, was sich auf Rädern bewegt und nicht ein Kleinkind mit Laufrad ist, sondern etwas größer, gehört auf die Fahrbahn.“ Die Fahrbahn gehöre heutzutage nicht mehr den Autos allein, sondern sie gehöre „allen Fahrzeugen, die Räder haben“. Es wäre absurd, wolle man die Roller auf den Gehwegen unterbringen.

Den Streit um die Frage, wo die Roller in Zukunft fahren dürfen, findet Monheim grotesk. „Dieser Streit ist symptomatisch“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „So ist das in Deutschland: Wir machen daraus viele Grundsatzfragen, unsere Nachbarländer führen die Dinge einfach ein.“

Dass mit E-Rollern gewisse Risiken verbunden sind, zeigt eine Studie aus den USA. Dort sind die Vehikel bereits weit verbreitet. Innerhalb eines Jahres wurden in zwei untersuchten kalifornischen Krankenhäusern insgesamt 249 Patienten nach E-Scooter-Unfällen eingeliefert – das waren 54 Patienten mehr als es bei Fahrradunfällen gab.

40 Prozent der Verletzungen bei den Roller-Unfällen waren Kopfverletzungen. Ein Helm ist daher bei der Nutzung der Fahrzeuge zu empfehlen, auch wenn die geplante Verordnung in Deutschland keine Helmpflicht vorsieht.