Berlin. Reparieren statt Wegwerfen: Die Verbraucherzentralen fordern Bonuszahlungen für Reparaturen. Wie jeder Verbraucher profitieren könnte.

Die Abfallberge steigen und steigen. Allein in Deutschland produziert jeder Verbraucher im Schnitt 10,3 Kilo Elektroschrott jährlich. Statt kaputte Smartphones, Laptops oder Küchengeräte zu reparieren, werden sie weggeworfen und durch neue ersetzt. Manchmal, weil es bequem ist, weil sich Geräte nicht mehr reparieren lassen, aber auch oft, weil Reparaturen teuer sind. Sie schonen zwar das Klima, aber nicht den Geldbeutel. Nur 22 Prozent aller defekten Geräte – also jedes fünfte – werden laut Statistischem Bundesamt repariert.

Um das Erhalten statt Verschrotten für Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland attraktiver zu machen, fordern Verbraucherschützer jetzt neue finanzielle Anreize für Reparaturen. „Reparieren verlängert die Lebensdauer von Produkten und spart so Ressourcen und CO2“, sagt Jutta Gurkmann, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv).

Verbraucherschutz: Reparaturen sollten sich finanziell lohnen

„Damit Reparaturen wieder eine gute Option für kaputte Produkte werden, müssen sie für Verbraucher auch finanziell Sinn machen“, argumentiert die Vorständin. Konkret fordert Gurkmann einen staatlichen Reparaturbonus sowie eine Mehrwertsteuersenkung für Reparaturen – zum Beispiel von 19 auf 7 Prozent. Zudem sollte die Reparierbarkeit von Geräten durch einen Reparaturindex verbessert werden.

Ein Reparaturbonus könnte sich am Vorbild Österreich orientieren. In der Alpenrepublik erhalten Verbraucher beispielsweise schon heute bis zum Jahr 2026 maximal 200 Euro Zuschuss pro Reparatur. Ein ähnliches Projekt läuft in Thüringen, wo Bürger und Bürgerinnen die Hälfte der Reparaturkosten bis maximal 100 Euro pro Person und Kalenderjahr erhalten, wenn sie Defektes reparieren lassen, statt wegzuwerfen. Ein Reparaturbonus könnte schnell umgesetzt werden und direkt Wirkung zeigen.

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Die Senkung der Mehrwertsteuer wäre auf Grundlage einer EU-Mehrwertsteuerrichtlinie bisher schon für Textilien, Schuhe und Haushaltsgeräte möglich. Die Verbraucherschützer fordern jedoch, dass dies auch für Reparaturen von Informations- und Kommunikationstechnik wie Smartphones und Laptops möglich werden sollte.

Elektroschrott: Manches Gerät hätte durch eine Reparatur länger in Betrieb sein können.
Elektroschrott: Manches Gerät hätte durch eine Reparatur länger in Betrieb sein können. © dpa-tmn | ns Kalaene

Bundesregierung setzt sich für Recht auf Reparatur ein

Grundsätzlich sollte zudem schon beim Kauf ersichtlich sein, wie gut ein Gerät repariert werden kann, fordern die Verbraucherschützer. In Frankreich helfe dabei ein Reparaturindex. Dieser gibt auf einer Skala von 0 bis 10 Auskunft darüber, wie gut ein Gegenstand repariert werden kann. Auch die Europäische Union arbeitet bereits an einem entsprechenden Index. Sollte sich dies weiter verzögern, fordern die Verbraucherzen­tralen die Bundesregierung auf, einen nationalen Reparaturindex einzuführen.

Auch die Ampelkoalition hat sich zum Ziel gesetzt, ein „Recht auf Reparaturen“ für Verbraucher einzuführen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein geplantes neues Gesetz oder eine Verordnung, sondern um einen Mix aus verschiedenen politischen Instrumenten, die auf EU- und nationaler Ebene umgesetzt werden sollen, heißt es im Bundesverbraucherschutzministerium von Steffi Lemke (Grüne).

Als eine Maßnahme unterstützt Lemke dazu die EU-Initiative für nachhaltige Produkte. Danach sollen künftig verschiedene Waren wie Waschmaschinen, Motoren, Möbel, Stahl oder Textilien strengere Anforderungen an nachhaltige Produktion, Haltbarkeit und Kreislauffähigkeit erfüllen. Ziel sei es, dass nachhaltige Produkte in Zukunft in der EU Standard sein sollen.

Verbraucherschutz: Auch beim Recycling gibt es Nachholbedarf

Noch in diesem Jahr will die EU einen Gesetzentwurf für ein europaweites Recht auf Reparatur vorlegen. Danach sollen Verbraucher zum Beispiel im Elektronikbereich von austauschbaren Akkus, einfacheren Reparaturen und länger garantierten Softwareupdates profitieren. Seit gut einem Jahr gilt bereits eine Ökodesign-Richtlinie zu Reparaturen. Danach sind Hersteller verpflichtet, dass Großgeräte wie Geschirrspüler oder Waschmaschinen mit üblichem Werkzeug auseinandergenommen werden können. Zudem müssen Ersatzteile sieben bis zehn Jahre verfügbar sein.

Klar ist allen Umweltexperten und Verbraucherschützern: Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und Reparaturen sind aktiver Klimaschutz. Dies müsse jedoch auch im Bewusstsein der Verbraucher noch stärker verankert werden.

Denn auch im Recycling gibt es noch Nachholbedarf. Eigentlich müssen Händler und Kommunen seit 2019 elek­trische und elektronische Altgeräte zurücknehmen. Doch die Rücknahmequote liegt in Deutschland gerade mal bei 43,3 Prozent. Damit kann nur ein Bruchteil recycelt werden. Ab Juli können auch kleinere Geräte wie Rasierer, Mobiltelefone oder Stabmixer kostenlos bei größeren Drogerien oder Lebensmittelgeschäften abgegeben werden, unabhängig davon, ob man sich dort ein neues Gerät kauft oder nicht. Ob sich dadurch die Recyclingquote erhöht, bleibt allerdings abzuwarten.

Dieser Artikel ist zuerst auf abendblatt.de erschienen