Berlin. Einzelhandelsketten wollen einen gezielten Milchverkauf zum Wohl der Kühe in Deutschland. Warum dies Tierschützern noch nicht reicht.

Das Wohl der Tiere gewinnt im Handel zunehmend an Bedeutung. Nach Edeka und Netto wollen sich nun auch die Discounter Aldi und Lidl für eine artgerechtere Haltung von Nutztieren einsetzen – und dafür nur noch Milch von Kühen verkaufen, die aus einer besseren Haltung stammt. Tierschützer begrüßen den Schritt.

Bis spätestens 2030 soll die Trinkmilch der Eigenmarken von Aldi Nord und Aldi Süd nur noch von Tieren verwendet werden, die in Betrieben mit größeren Ställen und Laufhof gehalten werden – also in den Haltungsformen 3 und 4, kündigten die Discounter an. Auch der Discounter Lidl plant eine schrittweise Umstellung, ohne konkrete Daten zu nennen.

Die Supermarktkette Edeka und der Discounter Netto wollen bereits ab dem Frühjahr alle Frischmilch- und H-Milch-Produkte ihrer Eigenmarken (Gut Günstig, Edeka) schrittweise auf die besseren Haltungsformen 2 bis 4 umstellen – und diese ebenfalls kennzeichnen. Damit verzichtet Edeka auf die niedrigste Haltungsform 1 und verhindert, dass Milch von Kühen verkauft wird, die ganzjährig im Stall angebunden werden.

Aldi: Nachfrage für Produkte mit mehr Tierwohl steigt

„Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Die Nachfrage nach Tierwohl-Produkten wächst stetig“, begründet die Aldi-Managerin Tanja Hacker den Schritt. „Bereits heute stammen rund 25 Prozent unserer Milch aus den Haltungsformen 3 und 4.“ Bis 2023 soll der Anteil auf 40 Prozent steigen, bis 2030 auf 100 Prozent.

Gleichzeitig soll bis zum Jahr 2024 vollständig auf Milch aus der schlechteste Haltungsform 1 verzichtet werden – also, dass Milchkühe angebunden im Stall ihr Dasein fristen. Die verstärkte Nachfrage der Kunden habe den Discounter dazu bewegt, „den Haltungswechsel auch bei der Milch umzusetzen“, sagte Hacker.

Mehr Tierwohl: Aldi erhöht Milchpreise

Aus welcher Haltungsform die Milch stammt, sollen Verbraucherinnen und Verbraucher auf den Verpackungen deutlich erkennen können. Aldi will bereits in diesem ersten Quartal bis März die ersten Milchartikel mit den Tierhaltungslabels markieren, bei Edeka und Netto erfolgt dies ab April.

Gleichzeitig setzt Aldi konsequent auf Milch aus deutscher Herkunft: Bereits heute bezieht das Unternehmen seine Frischmilch komplett aus deutscher Haltung, ab 2024 soll dies auch für H-Milch gelten. Allerdings kostet Milch bei dem Discounter seit Anfang dieser Woche bereits 3 Cent je Liter mehr – der Liter Milch mit 1,5 Prozent-Fett kostet jetzt 75 Cent, bei 3,5 Prozent Fett sind es 83 Cent je Liter.

Milchkühe im Stall: Je nach Platz und der möglichen Auslauffälle im Freien bestimmt sich die Haltungsform für Tiere.
Milchkühe im Stall: Je nach Platz und der möglichen Auslauffälle im Freien bestimmt sich die Haltungsform für Tiere. © dpa | Sebastian Willnow

Tierschützer verlangen besseren gesetzlichen Schutz

Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt die Schritte des Handels, doch das reiche für den Tierschutz noch nicht. „Dass sich etwas bewegt, ist gut und wichtig“, kommentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Gleichzeitig fordert der Tierschutz-Chef die Politik auf, endlich den Tierschutz grundlegend zu verbessern.

„Der Gesetzgeber muss endlich Lücken im Ordnungsrecht schließen, um den Tierschutz in den Ställen sicherzustellen und um den notwendigen gesetzlichen Rahmen zu schaffen“, fordert Schröder. Der Handel treibe die Politik vor sich her und zeige, wohin die Reise gehen müsse.

Denn aus Tierschutzsicht sei auch die Haltungsformstufe 2 noch „unzureichend“, da sie immer noch eine saisonale Anbindehaltung der Kühe zulässt. Dies gelte bei Aldi noch weitere acht Jahre, kritisiert Schröder. Netto und Edeka hätten überhaupt noch kein Datum für die Stufe 2 genannt. Auch Lidl nenne keinen Zeitplan. Jede Form der Anbindehaltung müsse verboten werden, so Schröder.

Foodwatch fordert Reform der Tierhaltung

Auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hält eine grundlegende Reform der Tierhaltung für notwendig. „Die Ankündigungen der Handelsketten ändern nicht das Geringste an den eklatanten Missständen beim Tierschutz, die in der deutschen Landwirtschaft nach wie vor herrschen“, sagt Matthias Wolfschmidt, Veterinär bei Foodwatch dieser Redaktion.

„Es gilt, was der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundeslandwirtschaftsministerium im Jahr 2015 feststellte: Die Nutztierhaltung in Deutschland ist in dieser Form nicht zukunftsfähig.“ Die formalen Haltungsbedingungen sagten nichts darüber aus, ob ein Tier unter vermeidbaren Krankheiten litt, führt Wolfschmidt aus. Es müsse europaweit endlich eine gesetzliche Verbesserung des Tierschutzes geben.

Die Tabelle zeigt die Anbieter der verschiedenen Haltungsformen.
Die Tabelle zeigt die Anbieter der verschiedenen Haltungsformen. © Haltungsform

Tierhaltung: Die beste Haltungsform ist Stufe 4

Aktuell gibt es vier Haltungsstufen für Nutztiere, wobei der Komfort in der Stufe 4 am besten und in Stufe 1 am schlechtesten ist. Das heißt für Milchkühe konkret für die Haltungsstufe 3: Kühe werden nicht mehr im Stall angebunden, haben mindestens 5 Quadratmeter Platz und einen Laufstall mit ganzjährig nutzbarem Laufhof oder Weidegang.

Milchkühe in der Haltungsstufe 4 geht es noch etwas besser: Sie bekommen mindestens 6 Quadratmeter Platz, werden in Laufställen mit Laufhof und Weidegang gehalten. Die Haltungsstufe 1, in der Tiere in einer Liegebox stehen, oft angebunden sind und in der ein Auslauf nur optional ist, entfällt dann als Lieferant von Milch. Ebenso die Stufe 2, in der Tieren nur 4 Quadratmeter Platz geboten wird.