Berlin. Die Pleite von Veranstalter Thomas Cook war für viele Urlauber ein Schock. Künftig soll der Deutsche Reisesicherungsfonds einspringen.

Für Herfried M. (Name geändert) und seine Familie platzte der Traum vom lang ersehnten Urlaub am 25. September 2019: Der zweitgrößte Reiseveranstalter Thomas Cook meldete Insolvenz an. Umgehend setzten Hotels Tausende Reisende vor die Tür. Andere konnten erst gar nicht losfliegen.

Wenig später zeigte sich: Die auf 110 Millionen Euro gedeckelte Insolvenzabsicherung für Pauschalreisen deckte gerade einmal 17 Prozent des Schadens. Für den Rest sprang der Staat mit Steuergeld ein. Doch wegen eines Formfehlers ging Familie M. leer aus. Rund 5000 Euro sind weg. Fälle wie diesen gibt es viele.

Die Lehre aus drastischen Bildern von gestrandeten Touristen, einem Schaden von 300 bis 400 Millionen Euro und viel Bürokratie bei der Erstattung von Anzahlungen: Pauschalreisen müssen viel besser abgesichert werden.

Fonds sichert Pauschalreisen bei 150 Veranstaltern ab

Nach Stillstand in der Corona-Pandemie ging es im Spätsommer plötzlich ganz schnell: Am 31. August beauftragte das Bundesjustizministerium den neu gegründeten Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF), Pauschalreisen mit bis zu 750 Millionen Euro abzusichern. Pünktlich zum 1. November hatten die Geschäftsführer Andreas Gent und Thomas Schreiber die Mission erfüllt.

Rund 150 kleinere und größere Reiseveranstalter hat der Fonds zum Start aufgenommen, darunter alle bekannten Namen der Branche. Alle Anbieter mit mehr als zehn Millionen Euro Jahresumsatz mit Pauschalreisen müssen sich über den DRSF absichern, kleinere können sich weiterhin selbst versichern.

„Wir haben als Fonds aber auch eine ganze Reihe an Reiseanbietern mit weniger als zehn Millionen Euro Jahresumsatz aufgenommen, die freiwillig zu uns gekommen sind“, sagt Geschäftsführer Thomas Schreiber unserer Redaktion. „Das zeugt von einem hohen Vertrauensvorschuss gegenüber dem Reisesicherungsfonds.“

Szenen von Thomas-Cook-Pleite sollen sich nicht wiederholen

Hinter dem Fonds stehen fünf große Verbände aus der Reisewirtschaft, allen voran der Deutsche Reiseverband (DRV). Der Fonds stach beim Zuschlag aus dem Justizministerium den einzigen Wettbewerber, Kaera, aus. Der Versicherungsdienstleister hatte die Schäden der Thomas-Cook-Pleite abgewickelt.

Auch wenn DRSF-Chef Schreiber das Risiko einer Großpleite derzeit für „eher überschaubar“ hält, muss der Fonds ab sofort für den Krisenfall gerüstet sein. „Was in Zukunft nicht passieren soll: dass der Fonds einen Scheck ausstellt und die Reisenden sich selbst überlässt. So etwas wollen wir Verbraucherinnen und Verbrauchern ersparen“, er.

Künftig sollen Touristen im Krisenfall auf einen gut vorbereiteten Apparat treffen, wenn es etwa um die Erstattung von Anzahlungen geht. „Aus Kostengründen können wir dafür natürlich keine eigene Mannschaft auf Abruf vorhalten“, sagt Schreiber. Stattdessen schließt der Reisesicherungsfonds Verträge mit Dienstleistern. „Es gibt Organisationen, die innerhalb von 24 Stunden Hunderte oder Tausende Mitarbeiter bereitstellen und für den Umgang mit so einer Situation schulen können.“

Wie bringt man gestrandete Urlauber schnell nach Hause?

Fürs Nachhausebringen gestrandeter Reisender soll ein weiterer Dienstleister im Ernstfall ausgewählte Reiseveranstalter koordinieren, die alle wichtigen Reisegebiete abdecken. Dabei gehe es vor allem um eine Frage: „Wer hat in welchem Land schnell verfügbare Kapazitäten für Unterbringung, Bustransfer und Rückflug sowie Ansprechpartner vor Ort?“, sagt Schreiber. „Wichtig ist dabei eine schnelle und gute Kommunikation.“ Weiterlesen: Kanaren und Co.: Diese Urlaubsziele sind jetzt beliebt

Reichen dafür die 750 Millionen Euro Fondsvermögen aus? „Unsere Kalkulation beruht auf dem extremen Schadensszenario, dass einer der größten Anbieter und der Größte der mittleren Anbieter gleichzeitig in die Insolvenz rutschen“, sagt der DRSF-Chef. „Die 750 Millionen Euro reichen sogar für diesen unwahrscheinlichen Fall aus.“ Es gehe schließlich nur um die um einige Monate im Voraus geleisteten Anzahlungen und darum, gestrandete Urlauber mit dem nächsten Flug nach Hause zu holen.

Kritik hatte es zuvor aus der Reisewirtschaft wegen der zunächst hohen Kosten gegeben: Bis Ende Oktober 2027 müssen die 750 Millionen Euro Fondskapital zusammen sein. Bis dahin zahlen Veranstalter einen Prozent ihres Umsatzes mit Pauschalreisen in den Fonds ein.

„Massive wirtschaftliche Herausforderung“ für viele Reiseunternehmen

Das sei eine „massive wirtschaftliche Herausforderung für die überwiegende Mehrheit der Reiseunternehmen“, sagt etwa Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), „gerade jetzt, wo die Unternehmen mit den dramatischen Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen haben.“

Dennoch – oder gerade deswegen – hat die Branche die geforderte Verbesserung der Insolvenzabsicherung mit dem Fonds selbst organisiert. „Wir haben gemeinsam mit anderen Verbänden ein Konzept vorgelegt, das offensichtlich das Bundesjustizministerium als das beste mit niedrigen Kosten überzeugt hat“, sagt Fiebig. „Wir als Branche haben größtes Interesse daran, den Fonds und die Absicherung kostenbewusst und effizient zu managen.“

Tatsächlich war die Insolvenzabsicherung von Pauschalreisen vor der Thomas-Cook-Pleite deutlich billiger. „Allerdings ist die Leistung mit bis zu 750 Millionen Euro Absicherung bei uns auch viel umfangreicher“, sagt DRSF-Chef Schreiber. Mehr zum Thema:Reise storniert: Wann Kunden ihr Geld zurückverlangen können.

Er vergleicht die Insolvenz des britschen Reiseveranstalters mit dem Fall Lehman in der Finanzwelt. Auch in der Reisebranche gab es zuvor immer wieder Insolvenzen. „Meist geschah das recht geräuschlos. Die Thomas-Cook-Insolvenz war allerdings eine Zäsur, die sich im kollektiven Gedächtnis verankert hat“, sagt Schreiber.

Pauschalreise ist jetzt „noch sicherer“

Und die Kosten dürften auch wieder sinken. „Nach erfolgtem Aufbau des Fondskapitals können wir voraussichtlich deutlich weniger als ein Prozent Beitrag nehmen – sofern keine größeren Schäden auftreten“, sagt er. Bis dahin helfen Banken mit einer Kreditlinie aus, für die der Staat bürgt.

Inzwischen hat die Reisewirtschaft mit der besseren Absicherung von Pauschalreisen auch ihren Frieden gemacht. „Die Neuausrichtung der Kundengeldabsicherung über einen Fonds begrüßen wir grundsätzlich sehr“, sagt DRV-Präsident Fiebig. Mit dem Reisesicherungsfonds sei die Pauschalreise „noch sicherer und der Verbraucherschutz ist umfassend sichergestellt – das ist gut, das ist richtig so“.