Berlin. Chaos auf deutschen Autobahn-Raststätten: Es fehlen nachts 23.000 Parkplätze für Lkw. Wie der Bundesverkehrsminister dagegen vorgeht.

Die Suche nach einem freien Platz für die Nacht gleicht einem Hindernislauf. Tausende Lastwagenfahrer müssen jeden Abend oft mehrere Parkplätze an der Autobahn ansteuern, um einen Stellplatz zu finden. Denn die meisten Buchten an Raststätten sind bereits belegt. Nicht selten stellen sich Brummifahrer in ihrer Not sogar illegal in die Nähe von Ein- und Ausfahrten der Raststätten oder auf Standspuren. Damit gefährden sie nicht nur ihren eigenen Truck, sondern auch die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer – und nicht zuletzt ihr eigenes Leben.

Die Situation ist brisant. Täglich sind rund 750.000 Lastwagen auf Deutschlands Straßen unterwegs – davon 94.100 in der Nacht. Auf den Rastanlagen des Bundes und Autohöfen entlang der Autobahnen gibt es aktuell aber nur rund 70.800 Stellplätze. Im Schnitt fehlen damit mindestens 23.300 Stellplätze, auf denen Lkw sicher abgestellt werden können, wie eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen schon für das Jahr 2018 ergeben hat. Und die Lage spitzt sich mit jedem Jahr weiter zu. Denn aufgrund des boomenden Online-Handels und der guten Konjunktur wachsen die Transporte mit jedem Jahr.

Jedes Jahr investiert der Staat 100 Millionen Euro in Lkw-Parkplätze

Die Güterverkehrsbranche beklagt den Mangel bereits seit Jahrzehnten. Auch das Bundesverkehrsministerium hat die Brisanz erkannt. In den vergangenen zwölf Jahren investierte der Staat jährlich rund 100 Millionen Euro für den Bau neuer Rastanlagen – insgesamt 1,2 Milliarden Euro. Damit entstanden seit 2008 etwa 17.000 neue Stellplätze. Doch das reicht bei Weitem nicht.

Mit einem neuen Förderprogramm von 90 Millionen Euro will der Bund bis zum Jahr 2024 auch private Anbieter dazu gewinnen, in einem Radius von drei Kilometern entlang der Autobahnanschlussstellen weitere Stellplätze auf Autohöfen und in Gewerbegebieten einzurichten. Je nachdem, ob die Plätze neu gebaut oder bestehende aufgerüstet werden, stehen bis zu 60.000 Euro Unterstützung je Antrag zur Verfügung.

Parkplätze an Autobahn müssen Toiletten und Duschen haben

Die geförderten Plätze müssen ganzjährig zwischen 18 Uhr und 6 Uhr morgens geöffnet sein und sollen mindestens für die nächsten zehn Jahre betrieben werden. Die Anlagen sollen zudem über ausreichend sanitäre Einrichtungen wie Duschen und Toiletten verfügen, heißt es in den Förderbedingungen, die unserer Redaktion vorliegen. Der Neubau und die Umgestaltungen sollen mit bis zu 90 Prozent der förderungsfähigen Kosten unterstützt werden – dazu zählen sanitäre Anlagen oder Zäune.

Zudem sollte künftig die Belegung online erfasst und für Fahrer über den Mobilitäts Daten Marktplatz (MDM) einsehbar sein. Die Förderanträge können vom 14. Juli an beim Bundesamt für Güterverkehr gestellt werden, die Förderrichtlinien werden am Montag veröffentlicht. Legt man eine Branchenschätzung zugrunde, wonach ein neuer Stellplatz etwa 58.000 Euro kosten kann, dürften mit den Fördermillionen mindestens 1550 Stellplätze entstehen, es könnten aber auch deutlich mehr sein.

Der Verkehr wächst schneller als die Zahl der Parkplätze

„Während der Corona-Pandemie haben wir erlebt, wie wichtig ein funktionierender Güterverkehr ist“, sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer seien unermüdlich unterwegs, um Waren und Güter an ihr Ziel zu bringen. „Umso wichtiger sind Pausen, in denen sie neue Kräfte tanken können“, so Scheuer.

„Mit unserem neuen Förderprogramm wollen wir dazu beitragen, dieses Dilemma aufzulösen und zugleich eine Gefahrenquelle für andere Verkehrsteilnehmer beseitigen.“ Der Bedarf steige schneller, als der Bund bauen könne. Deshalb wendet sich das Ministerium nun auch gezielt an private Geldgeber.

ADAC kritisiert enormes Sicherheitsrisiko durch Falschparken

Der ADAC geht davon aus, dass viele Lkw-Unfälle auf Übermüdung der Fahrer zurückzuführen sind. „Aber auch regelwidrig abgestellte Lkw auf den Zu- und Abfahrten von Rastanlagen oder auf dem Seitenstreifen sind ein enormes Sicherheitsrisiko. Ein weiterer Ausbau der Stellplatz-Kapazitäten ist daher zwingend erforderlich“, sagt ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand unserer Redaktion.

Der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) begrüßt die Initiative, den eklatanten Mangel an Parkmöglichkeiten entlang der großen Bundesfernstraßen zu beseitigen. „Der Bau zusätzlicher öffentlicher Parkplätze mit Lkw-Stellplätzen hinkt der konstanten Zunahme des Straßengüterverkehrs hinterher“, kritisiert der DSLV.

Lesen Sie auch: Bahn will ICE-Schnellnetz auf 1500 Kilometer ausbauen

Güterverkehr fordert mindestens 35.000 bis 40.000 neue Parkplätze

Das Problem: Nicht nur nachts – auch tagsüber fehlt es an genügend Stellplätzen. Allein in Deutschland sind etwa 500.000 Lastwagen zugelassen, hinzu kommen zahlreiche Brummis aus den EU-Staaten und Osteuropa. Ihre Fahrerinnen und Fahrer müssten sich alle an gesetzliche Ruhezeiten halten – und dafür regelmäßig parken.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) beziffert den weiteren Bedarf an fehlenden Stellplätzen bis zum Jahr 2023 sogar auf deutschlandweit 35.000 bis 40.000. Besonders betroffen seien Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen.

„Dem Fahrpersonal sind aus Gründen der Verkehrs- wie der Arbeitssicherheit vom Gesetzgeber ganz konkrete Ruhe- und Pausenzeiten zwingend vorgeschrieben, für die eine ausreichende Anzahl geeigneter Lkw-Stellplätze unerlässlich ist“, sagt der Vorstandssprecher des BGL, Dirk Engelhardt.

Stattdessen führten „zeitraubende, stressige und unökologische Parkplatzsuchverkehre“ dazu, dass Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer in ihrer Not an dafür nicht geeigneten Stellen parken. „Bei Zufahrten zu Autobahnparkplätzen hat dies bereits zu tödlichen Unfällen geführt. Deshalb lautet unser Credo: Ausgeruhte Lkw-Fahrer erhöhen die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer.“