Berlin. Wegen Reiseverboten fallen viele Flüge aus. Lufthansa muss Kunden noch 100.000 Tickets erstatten. Wie bekommt man sein Geld zurück?

  • Wegen der Corona-Pandemie entfielen in den vergangenen zwölf Monaten unzählige Flüge
  • Passagiere haben mitunter ein Recht auf eine Rückerstattung des Reisepreises
  • Doch viele Fluggesellschaften machen es den Kunden alles andere als leicht

Die Corona-Krise zwingt die Fluggesellschaften in immer neue Lockdowns. Flüge werden gestrichen, Urlaube fallen aus. Für Reisende ist diese Situation nicht nur ärgerlich, weil sich ihre Pläne in Luft auflösen. Für viele beginnt auch eine Odyssee, um ihr Geld für ausgefallene Tickets oder angezahlte Hotels erstattet zu bekommen.

„Wir bekommen jede Woche noch Hunderte Anrufe von Verbrauchern, die sich über nicht erstattete Flüge beschweren“, berichtet der Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (Söp), Heinz Klewe. Die meisten betreffen Airlines, gefolgt von Mäkeleien über die Bahn.

Zwei Gründe zählen zu den häufigsten Beschwerden: Entweder bieten Fluggesellschaften ihren Kunden nur Gutscheine statt Bargeld an. Oder sie sagen die Erstattung zwar zu, doch die Überweisung findet nicht statt. Das gilt für internationale Airlines genauso wie für Billigfluglinien.

Corona-Ausfall: Flugtickets müssen innerhalb von sieben Tagen erstattet werden

Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Unternehmen sind laut Fluggastrechteverordnung verpflichtet, die Kosten für ausgefallene Flüge „binnen sieben Tagen“ zu erstatten. Zwar zeigen viele Reisende Verständnis für Verzögerungen, wenn die Wochenfrist in der Pandemie nicht eingehalten wird. „Wenn aber selbst nach mehreren Monaten das Geld immer noch nicht überwiesen wurde, wächst ihr Ärger“, berichtet Klewe.

Allein die Lufthansa hat aktuell mehr als 100.000 offene Vorgänge, die noch nicht entschädigt wurden, teilt eine Lufthansa-Sprecherin mit. Seit der Corona-Krise wurden bislang 3,9 Milliarden Euro an 9,8 Millionen Kunden für stornierte Flüge ausgezahlt.

Lesen Sie hier:Lufthansa-Rettung: Politik darf nicht Unternehmer spielen

Doch dabei bleibt es wohl nicht. Jede Woche kommen neue Flugausfälle hinzu, da aufgrund neuer Einreisebestimmungen im Zuge der Pandemie immer wieder Flüge ausfallen, so die Sprecherin. Aktuell fliegt die Lufthansa rund 20 Prozent des Flugaufkommens, das vor einem Jahr angeboten wurde.

Schlichtungsstelle führt oft zu schneller Regulierung

So wartet ein Berliner bereits seit zehn Monaten vergeblich auf die Erstattung von zwei Flügen nach Bangkok für 1450 Euro, die im März stattfinden sollten, aber gestrichen wurden. Im Dezember erhielt der Kunde schließlich eine Mail mit der Information, dass die Lufthansa nun mit der Bearbeitung seines Falls begonnen habe. Der Flugpreis wurde bis heute nicht zurückerstattet.

Die Schlichtungsstelle ist für manche Verbraucher die letzte Anlaufstelle, wenn Kontaktversuche mit Airlines, Hotels oder anderen Anbietern erfolglos bleiben. Und fast immer wirkt die Söp wie ein Joker. Kaum verfolgt sie eine Beschwerde und tritt mit den Unternehmen in Kontakt – folgt die Erstattung oft binnen Tagen, worauf der Verbraucher zuvor Wochen oder Monate gewartet hatte.

Der Vorteil gegenüber Inkassounternehmen: Der Service ist für die Verbraucher kostenlos, es werden auch keine Provisionen fällig. Zudem gingen während der Pandemie praktisch alle Ticketbeschwerden zugunsten der Reisenden aus, so die Söp.

Verbraucherschützer fordern Ende der Vorkasse für Flugtickets

So erhielt ein Urlaubsreisender den vollen Flugpreis von der Linie Air France zurück, die zuvor nur einen Gutschein gewähren wollte. Ein Fluggast von Easyjet wurde nach eigenen Angaben im Internet über Monate vertröstet, Flüge erstattet zu bekommen: „Nachdem ich die Schlichtungsstelle angeschrieben habe, ging alles ganz schnell.“

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisiert die verzögerten Auszahlungen der Fluglinien. „Auch wenn die Fluggesellschaften pandemie-bedingt Liquiditätsengpässe haben, dürfen diese nicht zulasten der Fluggäste gehen“, sagt Vorstand Klaus Müller. Als Konsequenz aus den jüngsten Erfahrungen fordert Müller eine grundlegende Änderung der Zahlungsbedingungen. „Die für Verbraucher unfaire Vorkasse-Regelung bei Flugbuchungen muss geändert werden. Sonst bleiben nach wie vor Verbraucher auf ihren Kosten sitzen, wenn Fluggesellschaften pleitegehen.“

Corona-Jahr 2020: So viele Beschwerden wie nie

2020 war für die Schlichtungsstelle Söp bislang das Jahr mit den meisten Beschwerden. Insgesamt gingen bei der Söp 41.210 Beschwerden ein und damit rund 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Die meisten Fälle entfielen mit 34.652 auf Flüge, gefolgt von 5504 wegen Bahnfahrten.

Auch interessant:Corona: Tausende Schlichtungsanträge wegen Flugausfällen

Auch im Januar dieses Jahres sind in den ersten Wochen schon mehr als 510 Beschwerden eingegangen, davon 433 über Flugticketerstattungen – und damit gut 70 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, als die Pandemie Deutschland noch nicht im Griff hatte.