„Martin Schulz kann natürlich noch einige Wochen herumeiern, bis zur NRW-Wahl allemal, aber womöglich ist er dann nicht Herr des Verfahrens. “

Der Sturm findet nicht statt. Das Wasserglas ist zu klein: Die Wahl im Saarland bietet den parteiinternen Kritikern von Angela Merkel keinen Raum; im Land fiel der Wechsel aus. Und doch hat sich auf Bundesebene viel verändert: der Blick auf den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, die Sicht auf rot-rot-grüne Experimente, der Glaube der Union an ihre Stärke. Wer anderen imponieren will, muss sich selbst imponieren. Dieser Erfahrungssatz war in der CDU in Vergessenheit geraten.

Das Saarland ist klein, und um die CDU-Kanzlerin oder ihren SPD-Herausforderer ging es am Sonntag auch nicht. Auf breiterer Basis wird man erst Mitte Mai nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen Rückschlüsse ziehen können. Die Angst vor Rot-Rot-Grün zu schüren, ist eine Karte, von der die CDU nicht wusste, ob sie noch sticht. Nun stellte sie im Saarland fest: Sie verfängt bei ihren Anhängern. Was im Kleinen geklappt hat, das könnte auch im größeren Maßstab funktionieren.

Martin Schulz ist ein Profi. Der SPD-Chef hat den Hype um seine Person in den letzten Wochen wahrscheinlich nüchtern analysiert und gewusst, dass die Trauben hoch hängen und Stimmungen keine Stimmen sind. Was ihn wirklich beunruhigen muss, ist die Sache mit der Linkspartei. Wer nach den Gründen für den Erfolg der CDU an der Saar sucht, kommt nicht daran vorbei, dass Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer beliebt ist und eine Wechselstimmung nicht spürbar war. Aber spätestens an dritter Stelle kommt das linke Spektrum ins Spiel. SPD, Grüne und Linke – jede Partei hat einzeln und als Block zusammen verloren. Definitiv hat die Warnung vor einem Linksbündnis politisiert und mobilisiert.

Schulz hat die Linkspartei weder hofiert noch dämonisiert. Er war vorsichtig. Bislang: zu Recht. Wenn er eine Koalition mit der Linkspartei ausschließt, gibt er eine Machtperspektive auf – in aller Regel ein Nachteil. Wenn er wie seine Partei im Saarland mit den Linken kokettiert, ist ein Teil der Wähler der Mitte verunsichert. Das ist das strategische Dilemma der SPD. Wie auch immer Schulz und die SPD sich entscheiden werden, jedes Ergebnis ist mit Nebenwirkungen verbunden.

Schulz kann natürlich noch einige Wochen herumeiern, bis zur NRW-Wahl allemal, aber womöglich ist er dann nicht Herr des Verfahrens. Im Klartext: In Umfragen hat Rot-Grün in NRW seit Langem keine Mehrheit. Falls Hannelore Kraft an der Macht bleiben sollte, muss sie sich womöglich neu erfinden. Sie hat schlicht aufgrund der Größe des Landes die Macht, Fakten zu schaffen.

Gehen wir einmal alle Varianten durch: Eine große Koalition im größten Bundesland wäre auf Bundesebene demobilisierend. Rot-Rot-Grün in Düsseldorf würde die SPD beflügeln und entspricht der Gefühlslage der Mehrheit ihrer Partei. Das muss man dann aber auch unverhohlen anstreben. Wenn man von letzten SPD-Kanzler Gerhard Schröder etwas lernen kann, dann Mut zum Risiko. Jetzt, nach dem Saarland, ist es Zeit, Risiken einzugehen. Schulz wäre gut beraten, Farbe zu bekennen und sein Verhältnis zur Linken zu klären. Es ist eine Frage der Redlichkeit und der praktischen Klugheit, nicht länger alles im Ungewissen zu halten. Wenn er es nicht festlegt, tun es andere für ihn.

Wenn man sich die vier Wahlen dieses Jahres als eine Reihe von Dominosteinen vorstellt – Saarland, Schleswig-Holstein, NRW und Bund – ist am Sonntag ein Stein in Richtung der CDU gefallen. Ob daraus eine Kettenreaktion wird, liegt an der Schulz-SPD. Die Grünen und die Linke würden gern wissen, woran sie sind. Seine eigene Partei vermutlich auch.