„Der Franzose Antoine Leiris schrieb ein Buch mit einem eindrucksvollen Titel: ,Meinen Hass bekommt ihr nicht.’“

Schrecken und Trauer – zwei Gefühlsregungen, die nah beieinander und meistens auch in dieser Abfolge die Menschen ereilen. Gestern war es umgekehrt. Europa hielt inne im Gedenken der Toten des Terroranschlags in Brüssel. Genau vor einem Jahr explodierten Bomben am Flughafen und in der Metro. 32 Menschen starben, die drei toten Attentäter waren vom IS geschickt worden. Und gestern – der Schrecken ist zurück. Es kann Zufall sein, dass am Jahrestag der Anschläge in Brüssel unschuldige Menschen in London einem Angriff zum Opfer fielen. Aber sollte es wirklich Zufall gewesen sein?

Madrid, London, Paris, Brüssel, Nizza, Berlin – und jetzt wieder London. War das alles vorhersehbar? Selbst wenn: Dies ändert nichts an den Ängsten, die eine solche Tat auslösen. Die Menschen trauern um die Opfer und fürchten, zu den nächsten zu gehören. Immer weniger Logistik ist notwendig, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Wie wollen die Geheimdienste einen Anschlag mit dem Messer oder eine Amokfahrt mit einem Auto verhindern? So makaber das klingt: Werden nicht im Vorfeld, beispielsweise über das Abgreifen von Kommunikationsdaten, die Attentatspläne durchkreuzt, bleibt nur die Hoffnung auf wenige Opfer.

Dem Hass der Attentäter muss die Demokratie ihre Wehrhaftigkeit entgegenstellen. Die drückt sich am besten nicht in maßlosen Gesetzen aus, die am Ende unsere Freiheit einschränken. Unsere Wehrhaftigkeit erweist sich auch im Mut, sich die Verletzlichkeit bewusst zu machen, die unsere Rechtsordnung mit sich bringt. Der Franzose Antoine Leiris ist Witwer. Seinen Sohn erzieht er seit den Anschlägen vom 13. November in Paris alleine. Seine Frau verlor er im Bataclan. Sie starb im Kugelhagel der Islamisten. Er schrieb einen Kommentar – und später ein Buch: „Meinen Hass bekommt ihr nicht.“

Das ist eine vorbildliche Einstellung. Nicht nur am 22. März.