Hannover. Neuwahlen am 15. Oktober sollen die Regierungskrise in Niedersachsen beenden. Schon das Festzurren des Wahltermins wird zum Politikum.

Für Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) läuft es vom Timing denkbar schlecht. Gerade erst hat seine rot-grüne Koalition ihre Einstimmen-Mehrheit im Landtag verloren, weil eine abtrünnige Abgeordnete zur CDU wechselte. Neuwahlen sind nötig. Dazu sieht sich Weil schweren Vorwürfen im VW-Abgasskandal ausgesetzt. Eine Regierungserklärung zur Dieselkrise ließ er im Oktober 2015 vorab vom Autobauer gegenlesen, räumte seine Staatskanzlei am Wochenende öffentlich ein. All dies ist Futter in einem schmutzigen Wahlkampf, der in Niedersachsen nun früher als geplant beginnt. Das Klima ist gründlich vergiftet.

Und so dauert es am Montag mehr als vier Stunden, bis sich Weil und Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU) mit Vertretern der Parteien auf einen Termin für die vorgezogene Wahl verständigen. Als die Politiker am Ende vor die Presse treten, hat Weil seine Finger fest ineinander verschränkt, dem CDU-Landesvorsitzenden Bernd Althusmann rinnt der Schweiß von der Stirn. Am 15. Oktober müssen die Niedersachsen nun an die Urnen, in den Herbstferien. Eigentlich sollte Anfang Januar 2018 gewählt werden.

Weil spricht von einem „Fortschritt“, der zur politischen Klärung beitragen werde. Althusmann nennt den Termin im Oktober ein „Kompromissdatum“, dem man aus staatspolitischer Verantwortung zugestimmt habe. Alle Parteien wollten schnellstmöglich Neuwahlen, besonders CDU und FDP drängten auf den Tag der Bundestagswahl am 24. September. Landeswahlleiterin Ulrike Sachs aber hatte rechtliche und organisatorische Bedenken - die Frist könnte gerade für kleine Parteien zu knapp werden.

Bei dem langen Ringen um den Wahltermin spielen wahltaktische und bundespolitische Aspekte eine Rolle. „Bei parallelen Wahlen hätte die Stimmung auf Bundesebene mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Land durchgeschlagen“, sagt der Parteienforscher Matthias Micus vom Göttinger Institut für Demokratieforschung. Das wäre vermutlich günstig für Schwarz-Gelb gewesen. Ein längerer zeitlicher Abstand zwischen Bundestags- und Landtagswahl hingegen hätte nach Einschätzung von Micus Mobilisierungseffekte für Rot-Grün bringen können.

Nun hat man sich auf einen Termin drei Wochen nach der Bundestagswahl geeinigt - damit fällt der Urnengang in eine Übergangszeit, wenn eine mögliche neue Konstellation in Berlin erst Formen annimmt. Trotzdem ist die Situation zugespitzt: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz geht bereits von einem Lagerwahlkampf in dem nördlichen Bundesland aus. „In Niedersachsen tritt Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün an“, sagte Schulz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Da es in diesem niedersächsischen Wahlkampf nun plötzlich um so viel geht, wird auch ordentlich mit Dreck geworfen. So dürfte es kein Zufall sein, dass nur zwei Tage nach dem Verlust der rot-grünen Mehrheit ein weiteres Unwetter über Weil hineingeborchen ist. Im Oktober 2015 hatte der Ministerpräsident eine Regierungserklärung zur VW-Affäre vorab an den Autokonzern gegeben, um diese rechtlich prüfen zu lassen. Die „Bild am Sonntag“ berichtete nun, die Firma habe den Text zu ihren Gunsten verändert. Vor allem aus Reihen der CDU kam dafür Kritik. Weil, der auch VW-Aufsichtsrat ist, wies den Vorwurf einer Einflussnahme durch VW zurück und erklärte, es sei lediglich um Rechts- und Faktenfragen gegangen.

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Noch während der Regierungschef in den stundenlangen Verhandlungen über den Neuwahl-Termin sitzt, müht sich seine Sprecherin mit dem Versenden verschiedener Manuskript-Versionen der Rede. Sie sollen beweisen, dass der Autobauer dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten nicht die Feder geführt hat. Doch der Schaden für Weil ist da. Und ein harter Wahlkampf in Niedersachsen hat gerade erst begonnen