„Werden wir weiterhin Verunglimpfungen, unbelegte Behauptungen und polemische Schwarzweißmalerei erleben?“

Nach diesem dramatischen Wochenende, an dem die rot-grüne Regierung Weil ihre Mehrheit verlor, ist vieles offen und eines klar. Es geht hier nicht nur um einen Termin für Neuwahlen. Es geht um die Frage: Was wird aus der politischen Kultur in Niedersachsen?

Ein Blick auf die Krisensymptome: Eine grüne Abgeordnete, die gerade noch erneut für ihre Partei kandidieren wollte, entdeckt angesichts ihres Scheiterns einen „Entfremdungsprozess“ und wechselt mitsamt dem Parlamentssitz zur CDU. Ihr Mandat hatte sie nicht im Wahlkreis gewonnen, sie verdankt es der Landesliste ihrer Partei. Auf Kritik reagiert sie mit einem Hochmaß an Wehleidigkeit. Der Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzende beschuldigt die CDU der Abwerbung, er hat aber nicht den Hauch eines Beweises. Der CDU-Spitzenkandidat und -Landesvorsitzende fordert den Ministerpräsidenten zum Rücktritt auf, weil er sich von Volkswagen beherrschen lasse. Dabei weiß er, dass das politische Mandat die Pflichten eines Aufsichtsratsmitgliedes nicht einfach aufhebt. Das war bei den Ministerpräsidenten mit CDU-Parteibuch nicht anders.

Sind die Auseinandersetzungen der vergangenen vier Tage ein Vorgeschmack auf den Wahlkampf? Werden wir weiterhin persönliche Verunglimpfungen, unbelegte Behauptungen und polemische Schwarzweißmalerei erleben? Der Politologie Nils Bandelow sagt Ja.

Hoffentlich widerlegen ihn die Spitzen der niedersächsischen Parteien. Politiker sind ja viel klüger und seriöser, als es sich unsere Stammtischweisheit träumen lässt. Im Parlament wird, gerade in den Ausschüssen, sachlich und detailgenau gearbeitet. So muss es auch sein. Das Mandat ist Ausdruck eines Vertrauensvorschusses der Bürger. Wer es akzeptiert, übernimmt Verantwortung für Staat und Gesellschaft, aber auch für die Glaubwürdigkeit des politischen Systems. Politik als Schlammbad? Dabei verlören alle.