Braunschweig. Immer mehr mit dem Insektizid Fipronil belastete Eier kommen auf den Markt. Die Unsicherheit bei den Verbrauchern wächst.

Unser Leser Dietmar Smala aus Vechelde fragt:

Wie können Verbraucher mit Fipronil belastete Eier erkennen?

Die Antwort recherchierte Tobias Bosse, Beate Kranz und Knut Pries

Die Deutschen sind verunsichert. Schuld ist der jüngste Lebensmittelskandal um die mit Fipronil belasteten Eier. Dabei ist der Konsum von Eiern in Deutschland enorm: Wie der Bundesverband Deutsches Ei berichtet, hat der Deutsche im vergangenen Jahr durchschnittlich 233 Eier gegessen. Das sind knapp 20 Eier pro Monat. So viel wie noch nie. Doch nicht alle Eier sind mit dem Insektizid kontaminiert. Verbraucher können die mit Fipronil belasteten Eier selbst identifizieren, indem sie die Printnummer auf dem Ei überprüfen.

Kennzeichnung von Hühnereiern

Seit 2004 müssen in der Europäischen Union produzierte Eier mit einem Code gekennzeichnet sein. Folgende Printnummer gibt beispielsweise einen betroffenen Betrieb aus Niedersachsen an:

1-DE-0357731. Die erste Ziffer gibt die Art der Haltung an. Anschließend folgen zwei Buchstaben, die für das Herkunftsland stehen. Die nächsten zwei Zahlen bestimmen das Bundesland. Und abschließend folgen drei Ziffern, die den Betrieb angeben. Die letzte Zahl ist die Stallnummer. Weitere Printnummern, die positiv auf Fipronil-Rückstände getestet worden sind und in Niedersachsen im Umlauf sind: 1-DE-0358001, 0-DE-0360521, 1-DE-0358001 und 0-DE-0360521.

Hinzu kommen folgende Nummern von Eiern, die aus den Niederlanden stammen: 0-NL-4310001, 1-NL-4167902, 1-NL-4385701, 1-NL-4339301, 1-NL-4339912, 2-NL- 4385702, 1-NL-4331901, 2-NL-4332601, 2-NL-4332602, 1-NL-4359801, 2-NL-4212103, 0-NL-4031001, 2-NL-4212103 und 0-NL-4031001. Empfehlungen komplett auf den Verzehr von Eiern zu verzichten, gibt es vom niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bislang nicht. Stattdessen wird Verbrauchern empfohlen, sich auf der Website www.lebensmittelwarnung.de über die betroffenen Printnummern selbst zu informieren und ständig auf dem Laufenden zu bleiben. „Die Bundesländer oder das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit publizieren auf dieser Internetseite öffentliche Warnungen und Informationen im Sinne des § 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches“, heißt es auf der Internetseite dazu.

Was ein regionaler Erzeuger von Eiern zu der Situation sagt:

Auch in Braunschweig seien die Menschen verunsichert, berichtet Maik Wiedemann, selbstständiger Landwirt und Geschäftsführer eines Hofladens in Vechelde. „Unsere Kunden stellen seitdem ungewöhnlich viele kritische Fragen. Sie wollen wissen, ob unsere Eier auch belastet sind und welche Insektizide wir verwenden“, erzählt Wiedemann. Der Landwirt erklärte, der Hof mit 4000 Legehennen in Vechelde würde seine Ställe vollständig selbst reinigen und desinfizieren, und zwar mit Mitteln vom Tierarzt. Das Insektizid Fipronil, wie es wohl von externen Reinigungsdiensten auf den betroffenen Höfen verwendet wurde, werde bei ihm nicht benutzt, sondern bestimmte Silikate, sagt Wiedemann. „Die sind vollkommen unbedenklich und hinterlassen keine Rückstände“, versichert Wiedemann und fährt fort: „Wir beantworten alle Fragen unserer Kunden in aller Ruhe und Ausführlichkeit. Ich denke, wegen dieser Transparenz vertrauen uns die Kunden und kommen direkt zum Erzeuger, anstatt in den Supermarkt zu gehen, nur um ein paar Cent zu sparen.“ Über mangelnden Zulauf könne sich Wiedemann jedenfalls nicht beschweren.

Ganz im Gegenteil. Seit dem Fipronil-Skandal seien es eher mehr geworden – Tendenz steigend. Denn im Gegensatz zum größten deutschen Discounter Aldi, der vorsorglich alle Eier aus den Regalen genommen hat, sind nach Angaben Wiedemanns seine Regale voll mit Eiern – und zwar mit unbelasteten.

Wie geht die EU mit dem Eier-Skandal um?

Nach den EU-Vorschriften ist Fipronil in der Nutztierhaltung verboten. Für die Ahndung von Verstößen sind aber die Mitgliedstaaten zuständig. In Belgien und den Niederlanden wird wegen Betrugs ermittelt. Beide Länder sowie die Bundesrepublik haben Brüssel Ende Juli über das Auftauchen der verseuchten Eier informiert. Die EU-Kommission hat alle Mitgliedstaaten alarmiert und kontrolliert jetzt, dass in den betroffenen Ländern Maßnahmen zur Eindämmung der Gefahr ergriffen werden. „Wir verfolgen das sehr genau“, heißt es. Bislang gebe es keinen Grund zur Beanstandung.

Wie viele Eier in Deutschland sind mit Fipronil belastet?

In Deutschland sind bislang geschätzt rund zehn Millionen Eier verkauft worden, die mit Fipronil belastet sind. Sie stammen vor allem aus den Niederlanden, berichtet der niedersächsische Agrarminister Christian Meyer (Grüne). Betroffen sind – außer Sachsen und dem Saarland – alle Bundesländer. Die meisten Eier dürften in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verkauft worden sein, was sich aus der Nähe zu den Niederlanden ergibt. In Deutschland sind aktuell vier Höfe wegen Fipronil-Funden gesperrt. Weitere Betriebe werden untersucht.

Sollten die Bürger jetzt auf ihr Frühstücksei verzichten?

„Wenn man ganz vorsichtig sein will, dann ja“, sagt Bernhard Burdick, Leiter der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, der seit Langem Lebensmittelskandale in Deutschland verfolgt. Vor allem bei empfindlichen Kindern sollte man aufpassen. Gleichzeitig beruhigt er aber: „Eine akute Gesundheitsgefahr geht von dem Gift nach derzeitigem Wissen nicht für den Menschen aus.“

Was ist Fipronil?

Fipronil ist ein Insektizid, das vor allem gegen Läuse, Zecken, Milben und ähnliche Parasiten eingesetzt wird. Es dient sowohl als Pflanzenschutzmittel als auch zur Behandlung von Hunden und Katzen. Kommen Insekten damit in Berührung, gelangt es in ihr zentrales Nervensystem. Sie fangen an zu zappeln und sterben. In Hühnerställen hat Fipronil nichts zu suchen – überall, wo Nutztiere gehalten und Lebensmittel hergestellt werden, ist es verboten.

Wie ist Fipronil in die Eier gelangt?

Nach bisherigem Stand ist die giftige Substanz über das Anti-Milben-Reinigungsmittel Dega-16 in die Ställe gelangt, das nur auf ätherischen Ölen wie Menthol und Eukalyptus beruht. Vermutlich hat jedoch ein belgischer Betrieb dem Mittel das Insektizid Fipronil illegal beigemischt, um Blutläuse bei Hühnern zu bekämpfen. So kam der Giftstoff in den Körper der Hühner und über die Legehennen wieder in die Eier. Auch die Belastung von Bio-Eiern ist aus Sicht von Verbraucherschützern nicht ausgeschlossen.

Ist das Mittel für Menschen gefährlich?

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schließt nach aktuellem Erkenntnisstand ein Gesundheitsrisiko für Erwachsene weitestgehend aus. Eine krebserregende oder genverändernde Wirkung sei bislang noch nicht nachgewiesen worden. In Tierversuchen bei Ratten und Mäusen greift Fipronil laut BfR bei hohen Dosierungen das Nervensystem und die Leber an.

Wie viele der belasteten Eier darf man essen?

Bislang sind nur geringe Mengen in den belasteten Eier festgestellt worden. Das BfR rechnet vor, dass ein Erwachsener mit 65 Kilogramm Körpergewicht am Tag sieben Eier mit den bisher am höchsten gemessenen Belastungswerten essen könnte, ohne dass der gesundheitliche Richtwert für den Stoff überschritten wird. Bei Kindern mit einem Körpergewicht von 15,16 Kilogramm wären 1,7 Eier am Tag noch unbedenklich. Generell empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) nicht mehr als drei Eier pro Woche zu essen – inklusive Eiern in Nudeln und anderen Speisen.

Sind verunreinigte Eier in anderen Produkten aufgetaucht?

Noch nicht. Das Veterinäruntersuchungsamt Münsterland Emscher-Lippe hält es aber für naheliegend, „dass es bei Eiern nicht bleibt“, sagt dessen Vorsitzender Peter Fürst. Rückstände seien möglicherweise auch in Produkten wie Mayonnaise oder Eierlikör zu finden. Auch der niedersächsische Landwirtschaftsminister Meyer schließt nicht aus, dass vergiftete Eier in Kuchen oder Nudeln gelandet sind. Entsprechende verdächtige Produkte würden geprüft.

Ist auch Hühnerfleisch betroffen?

Da das Mittel Fipronil wohl nur bei Legehennen zum Einsatz kam, dürfte belastetes Fleisch nicht in den Verkauf gelangt sein. Legehennen werden in der Regel nicht zur Fleischproduktion gezüchtet. Betroffene Hühner werden in den Niederlanden dennoch vorsorglich zu Zehntausenden getötet und das Fleisch vernichtet.

Wohin kommen belastete Eier?

Verbraucher können entscheiden, ob sie die Eier entsorgt oder trotzdem in geringem Maße konsumiert. Wer die Eier entsorgen will, sollte sie in den Restmüll werfen. Rewe-Märkten, Penny sowie Aldi bieten eine Rücknahme an. Kunden erhalten Geld zurück.