Berlin. Ein Öffentliches Fachgespräch zur Asse in Berlin zeigt: Die Kritiker sollen gehört werden, die Linie aber geben andere vor.

Unser Leser Volkmar Minde aus Braunschweig fragt:

Warum will man mit der Rückholung das Risiko eingehen, strahlendes Material ans Tageslicht zu holen? Wäre es nicht besser, das gesamte Bergwerk so zu verfüllen, dass auch kaum noch Wasser fließen kann?

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Am Ende eines fast zweistündigen „Fachgesprächs“ des Bundestags-Umweltausschusses zur Asse war es Wolfram König vorbehalten, eine Art ermutigendes Schlusswort zu sprechen. „Wir sind auf einem wesentlich besseren Weg, als nach außen der Eindruck entstanden ist“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) im Ausschuss. Zum Januar 2009 hatte das Bundesamt als Betreiber die Asse übernommen, um die Atom-Altlast professionell und im vertrauensvollen Dialog mit der Öffentlichkeit abzuwickeln.

Doch sogar die Grundsatzfrage unseres Lesers, ob die geplante Bergung des Mülls vor dem Schließen der Asse der beste Weg ist, kommt wieder und wieder an die Oberfläche. In der Sitzung des Ausschusses bekräftigte Joachim Breckow, Vorsitzender der Strahlenschutzkommission (SSK) des Bundes, die jüngste schriftliche Stellungnahme des Beratergremiums. Auch Breckow wies auf die Strahlenrisiken bei der Bergung des Mülls hin. Der gesetzlich geforderte Langzeitsicherheitsnachweis beim Schließen der Asse könne „wahrscheinlich“ auch ohne eine Bergung des Mülls geführt werden, prophezeite der Wissenschaftler. Genau dieses Konzept hatte bis zu seiner Ablösung als Asse-Betreiber auch das Helmholtz-Zentrum München verfolgt, war damit allerdings gescheitert. Ein „Optionenvergleich“ des neuen Betreibers BfS ergab dann aber kurzgefasst: Wer Langzeitsicherheit will, der muss den Müll vor dem Verschließen rausholen.

„Am Ende müssen die Behörden entscheiden.“
„Am Ende müssen die Behörden entscheiden.“ © Stefan Wenzel (Grüne), Landesminister, im Umweltausschuss des Bundestags zum Vorgehen in der Asse

Doch auch dabei gibt es aus Sicht der Kritiker etliche Probleme. Zum einen sehen Wissenschaftler wie Ralf Krupp von der Begleitgruppe Stabilisierungsarbeiten und Notfallvorsorge unter Tage seit langem mit sehr gemischten Gefühlen. Werde zuviel und an den falschen Stellen verfüllt, werde nicht nur der Zugang zum Müll schwieriger, warnte Krupp als Sachverständiger vor dem Ausschuss. Aufgestaute Laugen würden sich sammeln und drohten den Müll in den Kammern noch mehr zu durchfeuchten, so Krupp – was wiederum das Bergen weitaus schwieriger mache. Auch könnten mögliche neue Laugenzutritte in verfüllten Stollen nicht mehr gefunden werden, so der Asse-2-Koordinationskreis.

Wolfenbüttels Landrätin Christiana Steinbrügge, Vorsitzende der Begleitgruppe, forderte in Berlin wie Mitglied Heike Wiegel mehr Beachtung der fachlichen Kritik aus der Begleitgruppe. „Wir wollen alle in die gleiche Richtung, zumindest glaube ich das noch“, sagte Wiegel – eine Anspielung auf den Verdacht einiger Kritiker, dass das Bundesamt in Wahrheit das Verschließen der Asse ohne Bergung des Mülls vorbereite. In diesem Szenario würde das Projekt „Rückholung“ irgendwann mit großem Bedauern wegen zu großer Schwierigkeiten abgebrochen. „Es scheint an Vertrauen zu mangeln“, stellte denn auch Ausschussmitglied Sylvia Kotting-Uhl von den Grünen fest. Das Verhältnis zwischen Asse-Betreiber BfS und der Begleitgruppe gilt beiderseits seit längerem als belastet bis gestört, der „Begleitprozess“ soll weitgehend neu organisiert werden.

Niedersachsens Landesumweltminister Stefan Wenzel (Grüne), ebenfalls nach Berlin gekommen, stellte sich ausdrücklich noch einmal hinter den Beschluss zur Bergung des Mülls. Wenzel wie auch BfS-Präsident König wiesen darauf hin, dass es bei den Arbeiten unter Tage zur Stabilisierung der Asse angesichts der Kritik durchaus Veränderungen gegeben habe. Dabei geht es um Drainagen unter Tage, um Abpumpmöglichkeiten und ein „Monitoring“ von Laugen. „Nicht jede Entscheidung kann im Konsens erfolgen“, betonte Wenzel aber. „Die Rückholung ist das, was wir uns nicht wünschen, aber erzwungenermaßen machen müssen“, sagte König. Konzepte für die Bergung würden erarbeitet, versicherte BfS-Experte Jörg Tietze.

Der Begleitgruppe aber reicht es nicht, wenn Kritik im direkten Dialog etwa mit dem Bundesamt abgearbeitet wird. Sie will schriftliche Antworten, und die sollen im Sinne der Transparenz möglichst in die offiziellen Antragsunterlagen der Behörden zu Arbeiten in der Asse einfließen. „Am Ende müssen die Behörden entscheiden“, machte aber Minister Wenzel klar. Und König betonte, ein Betreiber müsse Lösungen präsentieren. Und das bleibt offenbar schwierig genug.