Braunschweig. Das Leserfazit nach der Diskussion im Pressehaus fiel skeptisch aus. Das Misstrauen gegenüber den Behörden ist groß.

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Unser Leser Hans-Jürgen Thiel aus Remlingen fragt:

Bei der Asse entsteht für mich das Bild, dass für die Verfüllung viel getan wird, nicht aber für die Rückholung des Mülls. Wartet man vielleicht einfach auf das Eintreten eines Notfalls, um dann das Bergwerk zu schließen?

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Der radioaktive Abfall soll raus aus der Schachtanlage Asse II. So sieht es das Gesetz vor, die sogenannte Lex Asse. Dieses Gesetz sollte der Beschleunigung der Rückholung des Mülls dienen. Doch Kritiker, unter anderem aus der Asse-2-Begleitgruppe, monieren den langsamen Fortschritt bei allem, was mit der Bergung des Abfalls zu tun habe. Viel schneller hingegen ginge es bei der Verfüllung von Hohlräumen im Bergwerk. Sie fürchten eine heimliche Stilllegung der Anlage – ohne Rückholung des Mülls.

Am Dienstag hatte unser Leser die Möglichkeit, seine Frage dem Betreiber der Schachtanlage direkt zu stellen: Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hatte zu einer Informationsveranstaltung über den Stand der Vorbereitungsarbeiten für die Rückholung des Atommülls ins Pressehaus unserer Zeitung geladen.

„Warum sollte das BfS gegen das von ihm selbst festgelegte Ziel agieren?“
„Warum sollte das BfS gegen das von ihm selbst festgelegte Ziel agieren?“ © Hans-Albert Lennartz, kaufmännischer Geschäftsführer der Asse-GmbH

„Ihr Bild ist nachvollziehbar, aber falsch“, beantwortete Wolfram König, Präsident des BfS, die Frage. Nachvollziehbar, weil ein großer Teil der Arbeiten zur Stabilisierung des Bergwerks, wozu die Verfüllung zählt, überirdisch und damit gut sichtbar vorbereitet werde. „Andere Arbeiten sind nicht sichtbar, weil sie unter Tage stattfinden oder lediglich aus viel Papier bestehen“, so König.

„Die Lex Asse wurde parteiübergreifend verabschiedet und eignet sich damit nicht zur kurzfristigen Profilierung.“
„Die Lex Asse wurde parteiübergreifend verabschiedet und eignet sich damit nicht zur kurzfristigen Profilierung.“ © Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im BMUB

Den Vorwurf, eine schleichende Stilllegung zu betreiben, wies der BfS-Präsident entschieden und als „ungerecht“ von sich. Durch die Verfüllung würden nicht unveränderliche Fakten geschaffen, wie ein Vorwurf lautete, sondern sie mache im Gegenteil eine zukünftige Bergung überhaupt erst möglich, da sie der Stabilisierung der Anlage und damit der Sicherheit der Arbeiter diene. „Selbst eine Verfüllung der Kammern, in denen der Müll lagert, verhindert die Bergung nicht. Das Auffahren verschlossener Bereiche ist im Bergbau alltäglich. Das ist technisch kein Problem“, erklärte König. Auch würde der Bund kaum jährlich 100 Millionen Euro Steuergelder in die für eine schnelle Stilllegung unnötige Stabilisierung des Bergwerks stecken.

Ähnlich argumentierte Hans-Albert Lennartz, der kaufmännische Geschäftsführer der Asse-GmbH, die seit der Gründung der Bundesgesellschaft für Endlagerung vor einigen Monaten für die Übernahme des Betriebs der Asse vorgesehen ist. „Warum sollte das BfS gegen das von ihm selbst festgelegte Ziel agieren?“, fragte Lennartz mit Verweis auf die „Lex Asse“ und wies darüber hinaus auf die Investitionen in die Anlage hin: „2009 hatten wir 251 Mitarbeiter, heute sind es 475. Die damals 200 befristeten Arbeitsverträge sind mittlerweile alle entfristet.“

Ob solche Argumente die Kritiker überzeugen können, ist allerdings fraglich. Das Misstrauen gegenüber allen, die Verantwortung für die Asse tragen, sitzt tief – das wurde bei der Diskussion im Pressehaus deutlich. Frank Hoffmann aus der Expertenrunde Arbeitsgruppe Optionenvergleich (AGO) der Asse-2-Begleitgruppe polterte, die vom BfS in Auftrag gegebenen Gutachten zur Bergetechnik seien „grottenschlecht“.

Hoffmanns Anmerkung, dass Politiker sich nach den vier Jahren ihrer Amtszeit aus der Verantwortung für getroffene Entscheidungen stehlen könnten, empfand die anwesende Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, als persönlichen Angriff: „Ich finde das unfair“, entgegnete sie scharf. „Die Lex Asse wurde parteiübergreifend verabschiedet und eignet sich damit nicht zur kurzfristigen Profilierung.“ Sie komme selbst aus der Anti-Atom-Bewegung und lebe in einer Region, die unmittelbar von dem Thema betroffen sei, verteidigte sich Schwarzelühr-Sutter. Das Schweizer Kernkraftwerk Leibstadt ist keine fünf Kilometer von Waldshut, dem Wahlkreis der SPD-Politikerin, entfernt.

Dabei waren sich Podium und Publikum bei ihrem Ziel eigentlich einig: Alle wollen eine möglichst schnelle Rückholung des Mülls. Dabei habe das BfS auch Vorschläge der Begleitgruppe und der AGO aufgenommen, sagte König. So werde geprüft, ob die aufwendige Faktenerhebung zum Zustand des Bergwerks mittels Probebohrungen im Umfang reduziert und damit beschleunigt werden könne. Trotzdem dauere der Prozess aber. „Andere haben uns diese Suppe eingebrockt. Jetzt legt man uns eine Gabel hin, und alle rufen ‚schneller, schneller‘. Das bringt nichts“, fasste König seinen Eindruck zusammen. Die Kritiker im Publikum fragte er, wie er Mitarbeiter motivieren solle, „denen seit acht Jahren vorgeworfen wird, Ihr seid alles Pfeifen.“

Lennartz merkte an, dass der Protest den Betreibern die Arbeit manchmal unmöglich mache. So sei die Einleitung unbelasteter Salzlauge aus der Asse in die Elbe bei Gorleben auch am Widerstand vor Ort und in unserer Region gescheitert. „Da wurde schon protestiert, bevor geprüft war, ob das die Wasserqualität in der Elbe überhaupt beeinflusst“, klagte Lennartz – obwohl es um verschwindend geringe Mengen gehe.

BfS-Präsident König verdeutlichte das: „Es geht um 25 Badewannen pro Tag, 4000 Kubikmeter im Jahr.“ Die Elbe führt an der geplanten Einleitstelle das fünfmillionenfache Wasservolumen pro Jahr. Auf seinen Vorschlag, die Lauge ins Meer zu leiten, sei aus der Landesregierung die Antwort gekommen, man lasse sich doch nicht die Nordsee kaputtmachen. Schwarzelühr-Sutter verwies auf ähnliche Probleme mit dem Beton aus rückgebauten Kernkraftwerken. Den wolle auch niemand annehmen. Ein Zuhörer kommentierte das genervt und resignierend: „In Deutschland wird es niemals eine Lösung für Probleme wie die Asse geben.“