Wolfenbüttel. Eine Studie zeigt eine Häufung von Schilddrüsenkrebs rund um die Asse. Doch es gibt Zweifel an der Aussagekraft der Krebszahlen.

Unser Leser Franz Albert aus Wolfenbüttel fragt:

Der Müll in der Asse darf nicht schuld an der Krebshäufung sein, weil dies ein weiterer Grund wäre, die Asse endlich luft- und wasserdicht zu verfüllen, oder?

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Laut einer Studie des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen (EKN) sind zwischen 2010 und 2014 in der Region rund um die Asse mehr Fälle von Schilddrüsenkrebs aufgetreten als erwartet. Ein Vergleich mit dem Bezirk Braunschweig ließe 3,8 Fälle erwarten. Gemeldet wurden 9. Das EKN nennt diese Abweichung statistisch signifikant.

Einen möglichen Grund für die Häufung nennt die Studie allerdings nicht. Die Strahlenwerte rund um die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) überwachte Schachtanlage können einen Zusammenhang mit dem Müll in der Asse nicht einmal ansatzweise belegen. Entsprechend lautet die nüchterne Antwort auf die Vermutung unseres Lesers durch das BfS: „Nach bisherigem Wissensstand lassen sich die gesetzlich festgelegten Schutzziele für Mensch und Umwelt nur über die Rückholung einhalten. Die Rückholung ist seit 2013 im Lex Asse verankert. Das Gesetz schreibt auch vor, dass die Rückholung dann abzubrechen ist, ‚...wenn deren Durchführung für die Bevölkerung und die Beschäftigten aus radiologischen oder sonstigen sicherheitsrelevanten Gründen nicht vertretbar ist.‘“ Das BfS sieht in der Studie somit keinen Grund, etwas am Ziel der Rückholung zu ändern.

Unterdessen gibt es grundsätzliche Zweifel an der Aussagekraft der Krebszahlen. Als „groben Unfug“ bezeichnet Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der TU Dortmund und Autor der „Unstatistik des Monats“, die EKN-Studie. Sein Vorwurf: Erst sei die Häufung aufgefallen, anschließend dann statistisch getestet worden. „HARKing“ wird das in der Statistik genannt, das unzulässige Aufstellen von Hypothesen nach dem Bekanntwerden von Ergebnissen. „In solchen Fällen verbieten sich Aussagen zur Signifikanz, weil sie wissenschaftliche Aussagekraft vortäuschen“, sagt Krämer. Auch sei eine gleichmäßige Durchschnittsverteilung bei Krebsraten illusorisch. „In den USA gibt es auffällige Häufungen von Leukämie im Umfeld katholischer Kirchen“, verdeutlicht Krämer solche zufälligen Ausschläge.

Für den Zufall sprechen auch einige Zahlen aus der EKN-Studie selbst. So ist die Leukämierate in der Asse-Region deutlich niedriger als im Bezirk Braunschweig.