Hannover. Das Bundesamt für Strahlenschutz will Entsorgung auf breitere Basis stellen.

Unsere Leserin Annette Behrens fragt:

Früher wurde der als völlig unbedenklich geltende leicht strahlende Atommüll ebenso wie Säure einfach in die Nordsee gekippt. War alles unbedenklich, bis man das Gegenteil feststellte...Wird das nun wieder ebenso laufen?

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Eigentlich hatte Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), eine gute Nachricht für die Medien und danach auch für die Abgeordneten im Umweltausschuss des Landtags. Im Landtag war eine „Unterrichtung“ der Politiker über die Lage in der Asse angesetzt, eine Pressekonferenz mit König gab es schon vorher.

„Wir haben vom 1. 1. 2017 einen anderen Weg“, sagte König also – bei beiden Gelegenheiten – zu der Frage, wo und wie Laugen aus der Asse künftig entsorgt werden sollen. Der Vertrag mit dem Betreiber eines Bergwerks bei Celle, wohin die Wässer seit Jahren zur Entsorgung gebracht wurden, läuft zum Jahresende aus.

Dass die Lage dennoch alles andere als einfach ist, machte König mit einem Nachsatz deutlich: Dieser neue Weg sei nur „bedingt belastbar“, für Entsorgungssicherheit seien weitere Möglichkeiten nötig. Die Probleme wiederum hängen mit dem Misstrauen zusammen, das Sünden der Vergangenheit nach sich zogen. Alles, was mit der Asse zu tun habe, werde skandalisiert, heißt es beim Bundesamt für Strahlenschutz, das die marode Asse 2009 als „Retter“ übernahm. Auch das Atommülllager selbst gilt schließlich längst als jahrzehntelanges Komplettversagen gegenüber einer mächtigen Industrielobby und deren Helfern in Politik und Wissenschaft. Die Frage unserer Leserin kann man daher zunächst einmal verneinen: Einfach so, wie früher, wird nichts mehr laufen.

Was die Laugen angeht, handelt es sich nicht um radioaktiv erheblich belastete Laugensümpfe, die sich im Berg gebildet hatten. Es geht vielmehr um jene „Zutrittswässer“, die seit langem in einer Größenordnung von rund 12,5 Kubikmeter in das frühere Bergwerk fließen. Der Großteil, bis zu 11 Kubikmeter pro Tag, wird schon oberhalb der Einlagerungskammern aufgefangen. Mit dem Müll kommen diese Laugen laut BfS gar nicht in Berührung.

„Der Gehalt an Radionukliden ist in den Zutrittslösungen nicht höher als in anderen salzhaltigen Gewässern im norddeutschen Raum“, heißt es in einer Broschüre des BfS vom Februar 2009. Mit veränderten Abläufen unter Tage wurde die Aufnahme von radioaktivem Tritium aus der Grubenluft laut BfS zudem deutlich reduziert. König nennt jene Laugen, die bislang aus der Asse nach Mariaglück zum Betreiber K+S kamen, „unbelastet“ oder auch „völlig kontaminationsfrei“. Bei Tritium, so eine aktuelle Mitteilung des BfS, würden die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung um das Zwanzigfache unterschritten. Im Fall Mariaglück wurde die dortige Grube mit den Asse-Laugen geflutet.

Die Probleme, einen neuen Abnehmer zu finden, lassen sich für König vor allem mit politischen Reaktionen erklären. Die Grünen, aber auch die SPD im Landtag hatten deutlich Nein zu Plänen gesagt, die Laugen in Gorleben in die Elbe einzuleiten. Laut BfS wären das umgerechnet nur 25 Badewannen täglich im Vergleich zu 129 Millionen Badewannen durchfließenden Elbwassers. Eine wasserrechtliche Einleitungsgenehmigung für salzhaltige Wässer aus der Salzhalde Gorleben gibt es dort schon, die genehmigte Menge ist nicht ausgeschöpft. Ein entsprechender Antrag auf Einleiten auch der Asse-Laugen liegt beim Landesamt für Bergbau und Energie. Zwar nennt auch König dies eine „Notlösung“, hätte den Weg aber gerne als Variante offen. Die Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte aus Lüneburg, entschiedene Gegnerin des Gorleben-Endlagerprojekts, lehnte im Umweltausschuss ein Einleiten der Laugen in Süßwasser aber erneut ebenso ab wie der SPD-Landtagsabgeordnete Marcus Bosse aus Schöppenstedt. Die Nordsee oder das Verbringen der Lauge in ein anderes Bergwerk seien die umweltfreundlichsten Lösungen, sagte Staudte. Eine weitere Variante, die auch auf der BfS-Webseite als Entsorgungsmöglichkeit aufgeführt ist, lautet: industrielle Verarbeitung und Weiterverwertung als Streusalz. Auf diese Möglichkeit wies auch Staudte hin.

„Wir haben 21 Varianten geprüft“, bilanzierte König bei seiner Pressekonferenz zur Frage Laugenentsorgung. Fest steht, dass die Lauge ab Januar zu einem Unternehmen außerhalb Niedersachsens gebracht werden soll. Dieses Unternehmen, hieß es weiter, habe auch Streusalz im Angebot. Ob die Frage dauerhaft gelöst wird, daran hängt der weitere Betrieb der Asse und damit die Bergung des Mülls. Es würden Bilder erzeugt, als handele es sich bei der Lauge um Atommüll, schimpfte König. Und als ob das nicht reicht, verwies er auf eine aktuelle Stellungnahme der Strahlenschutzkommission des Bundes zur Asse. Die Kommission kritisiere – man darf ergänzen: nicht zum ersten Mal – das Gesetz zur „Rückholung“ des Asse-Mülls.