Braunschweig. Die Bundesbildungsministerin kündigt an, fünf Milliarden Euro in den digitalen Ausbau von Schulen investieren zu wollen. Aber ist das ausreichend?

Unsere Leserin Manuela Irtel von Brenndorff fragt:

Wie werden die Lehrer auf neue Medien wie Tablets vorbereitet?

Die Antwort recherchierten Dirk Breyvogel und unsere Agenturen

Die Digitalisierung macht auch vor den Klassenzimmern nicht halt. Beratungen, Fortbildungen, aber auch Internet-Plattformen, auf denen Lehrer sich über die richtige Anwendung von Computern im Unterricht austauschen können – all das gibt es bereits. Gebündelt ist das in Niedersachsen unter anderem im sogenannten Orientierungsrahmen Medienbildung, einer Art didaktisch-methodischem Leitfaden, der beim Umgang mit Tablets und Whiteboards (digitale Schreibtafeln) helfen soll und online abrufbar ist.

An der pädagogischen Aufbereitung mangelt es also offenbar nicht, am finanziellen Spielraum, wenn es um das neue digitale Klassenzimmer geht, dagegen schon. Die Ankündigung von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU), bis 2021 massiv in den Ausbau der digitalen Technik in Schulen investieren zu wollen, wird daher insbesondere in den Kommunen mit großem Interesse verfolgt worden sein. So sehen die Pläne von Wankas „Digitalpakt“ vor, dass alle rund 40 000 Schulen in Deutschland in den nächsten fünf Jahren mit einem Fünf-Milliarden-Euro-Programm für digitale Bildung fit gemacht werden. Während der Bund das gesamte Geld geben will, müssten sich die für Schulpolitik zuständigen Länder verpflichten, pädagogische Konzepte, Aus- und Fortbildung von Lehrern sowie gemeinsame technische Standards umzusetzen. Ihr Ziel sei, sagte Wanka auf einer Pressekonferenz, „Grundschulen, weiterführende allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen flächendeckend mit digitaler Ausstattung wie Breitbandanbindung, W-Lan und Geräten zu versorgen“. Sie betonte, dass es dem Bund um sehr konkrete Vereinbarungen gehe. „Technik ist kein Selbstzweck, das Lernen mit digitalen Medien muss einen Mehrwert haben. Ohne pädagogische Konzepte ist es rausgeschmissenes Geld.“

Über das weitere Vorgehen wolle sie schon in Kürze mit den Ländern sprechen, ehe das Digitalisierungsprogramm für die Schulen nach der Bundestagswahl 2017 in Koalitionsverhandlungen eingebracht werden könne. „Je weiter wir bis dahin kommen, desto besser.“ Wanka geht davon aus, den Milliarden-Beitrag des Bundes absichern zu können. Grundlage für eine rasche Vereinbarung sei der Artikel 91c des Grundgesetzes, sagte die Ministerin mit Blick auf das „Kooperationsverbot“ von Bund und Ländern im Schulbereich. Der Passus ermögliche die Zusammenarbeit im Bereich Informationstechnik, eine Grundgesetzänderung sei also nicht notwendig.

Deutschland müsse die Chancen digitaler Bildung „viel stärker nutzen als bisher“, betonte Wanka. Es gehe ihr um „einen großen Sprung nach vorn“. Die Ministerin verwies auf Studien, wonach Deutschland sowohl bei Computer-Kompetenzen der Schüler als auch bei der IT-Ausstattung von Schulen „nicht an der Spitze“ liege. Der Bund sehe sich daher als Schrittmacher.

Das Niedersächsische Kultusministerium begrüßt Wankas Vorstoß im Großen und Ganzen. Diese Maßnahmen ergänzten das Projekt „Medienkompetenz in Niedersachsen“, mit dem das Land die Vermittlung von Medienkompetenz in sämtlichen pädagogischen Einrichtungen fördere, erklärte Sprecherin Tanja Meister.

Wie viel von den fünf Milliarden für Niedersachsen am Ende übrigbleiben, stehe laut Meister heute allerdings noch nicht fest. Würde das Geld nach dem Prinzip des Königsteiner Schlüssels verteilt, könnte Niedersachsen mit rund 450 Millionen Euro rechnen. Der Königsteiner Schlüssel, der auch bei der Verteilung von Asylbewerbern angewendet wird, errechnet sich zu zwei Dritteln aus dem Steueraufkommen und zu einem Drittel aus der Bevölkerungszahl des jeweiligen Bundeslandes.

Die SPD setzt neben der Digitalisierung auf eine Gesamtstrategie, die beispielsweise die Sanierung maroder Schulgebäude einschließt. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Hubertus Heil sagte über Wankas Vorschlag: „Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.“ Es reiche aber nicht aus, Schulen nur digital voranzubringen.

Jürgen Schuppe kommt aus der Praxis. Er war lange Zeit Lehrer, unter anderem an der IGS Querum in Braunschweig. Heute arbeitet er am Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung und berät Schulen, Schulträger und das Kultusministerium bei Fragen, die sich mit Medienkonzepten, Medienentwicklung und Medienkompetenz beschäftigen.

Schuppe sieht in den Ankündigungen von Wanka keineswegs schon den großen IT-Sprung, aber durchaus einen Anfang. Das Geld des Bundes müsse in die digitale Struktur von Schulen, beispielsweise in die lokalen Serversysteme, W-Lan und interaktive Tafeln fließen. „Für den Gebrauch von Tablets und Whiteboards im Unterricht muss gewährleistet sein, dass die Technik hundertprozentig funktioniert. Es muss ein W-Lan geben, das auch stabil und leistungsfähig ist. Wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, sinkt auch bei den Lehrern die Angst vor dem Versagen in einer immer stärker digitalisierten Schulwelt.“

Schuppe sieht Braunschweig durchaus als Leuchtturm des „Mobilen Lernens“. Nicht zuletzt aufgrund nachhaltiger Konzepte der Stadt und einigen mutigen Schulen habe Braunschweig Vorbildfunktion für viele Kommunen in Niedersachsen gehabt.

Dabei reiche es laut dem Medienberater nicht aus, mobile Endgeräte für die Schüler anzuschaffen. Es müsste auch Geld in die technische Verwaltung gesteckt werden. „Tablets sind nicht für Schulen, sondern für den Konsumentenmarkt entwickelt worden. Diese Geräte sind also immer online. Es müssen technische Vorkehrungen getroffen werden, die das Aufrufen von Internet-Browsern oder Programmen wie YouTube zeitweise blockieren. Denn eines ist klar: Wenn Schüler im Unterricht darauf Zugriff haben, dann nutzen sie das auch.“ Schuppe schildert seine Erfahrungen aus dem Schulalltag. Lehrer, egal welchen Alters, hätten nicht prinzipiell etwas gegen den digitalen Fortschritt. „Sie haben dann etwas dagegen, wenn ihr erarbeiteter Unterrichtsentwurf daran scheitert, dass die Schüler in der Stunde mit ihren mobilen Endgeräten nicht ins Netz kommen. Das machen die dreimal. Und danach lassen sie die Tablets weg“, berichtet Schuppe.

Auffällig sei, dass gerade die jungen Lehrer in der Ausbildung oftmals wenig innovativ seien. Viele seien mit den Anforderungen, die die Organisation einer Schulstunde beinhalte, so sehr beansprucht, dass sie auf die Verwendung neuer Medien verzichten würden.