San Francisco. Der Entscheid zeichnet sich ab. VW muss dann 16,5 Milliarden Dollar zahlen.

Unser Leser, der sich „Realist“ nennt, fragt auf unseren Internetseiten:

In den USA werden Kunden weitaus besser entschädigt. Der deutsche Kunde ist eben nur ein Käufer 2. Klasse, der gefälligst die Konzernkassen zu füllen hat.

Zum Thema recherchierten Dirk Hautkapp und Andre Dolle

Das Bezirksgericht San Francisco hat im Abgasskandal von VW seine grundsätzliche Zustimmung zu dem milliardenschweren Vergleich des Konzerns mit Autobesitzern in den USA angedeutet. Er sei „stark geneigt“, dem Paket zum Rückkauf von betroffenen Fahrzeugen zu genehmigen, erklärte Bezirksrichter Charles Breyer am Dienstag nach mehrstündiger Anhörung. Seine endgültige Entscheidung werde er am 25. Oktober bekanntgeben.

Der angestrebte Vergleich sieht vor, dass VW für die Schädigung der Umwelt durch Stickoxide insgesamt fünf Milliarden Dollar in einen Umweltfonds sowie in einen Extra-Topf zur Förderung von E-Autos steckt. Hintergrund: Durch den Einsatz einer verbotenen Software bei der Abgaskontrolle stoßen VW-Diesel in den USA bis zu 40 Mal mehr Stickoxid aus als erlaubt.

Der Löwenanteil des Vergleichs – knapp zehn Milliarden Dollar – fließt an die Besitzer der manipulierten Diesel-PKW. Die Autos werden so repariert, dass sie den strengen Umweltbestimmungen in den USA entsprechen. Oder sie werden von VW je nach Baujahr und Tachostand zum Listenwert im September 2015 zurückgekauft. Pro Auto sind dazu noch „Schmerzensgelder“ von bis zu

10 000 Dollar vorgesehen. Der Rest der Summe von 16,5 Milliarden Dollar entfällt auf Einigungen mit US-Staatsanwälten und VW-Vertragshändlern.

Nach Angaben von Elisabeth Cabraser, die als Chef-Anwältin für Tausende Sammelkläger fungiert, und VW-Rechtsvertreter Robert Giuffra, haben bisher rund 340 000 der betroffenen 480 000 VW-Besitzer dem Deal zugestimmt. 48 000 kommen aus Kalifornien. Dort nahm die Aufdeckung des Skandals im September 2015 durch Veröffentlichungen der Umweltbehörde Carb seinen Anfang. Laut Cabraser haben nur 3200 VW-Eigentümer das Angebot abgelehnt. Die Juristin zeigte sich zuversichtlich, dass bis Ende der Teilnahmefrist im September 2018 die „allermeisten“ Zwei-Liter-Auto-Eigentümer der Vereinbarung beitreten werden.

Dagegen bezeichneten 25 VW-Eigner und Anwälte in der Verhandlung die aus Sicht von Branchen-Experten „großzügige Vereinbarung“ als unzureichend. Stellvertretend sagte der aus Palo Alto/Kalifornien stammende VW-Fahrer Blair Stewart: „Ich verlange den kompletten Original-Kaufpreis für meinen Wagen zurück und zusätzlich ein hohes Strafgeld wegen des erwiesenen Betruges.“

Unseren erzürnten Leser wird es zwar nicht besänftigen: Den US-Autobesitzern winken aber vor allem deshalb hohe Entschädigungszahlungen, weil sie das mächtige Instrument der Sammelklage nutzen können. Das heißt, dass nicht jeder Kunde allein nachweisen muss, dass er einen Schaden erlitten hat. In Deutschland gibt es diese Möglichkeit dagegen nicht. Zwar war immer wieder eine „Musterfeststellungsklage“ als deutsche Variante der Sammelklage im Gespräch. Ein konkreter Gesetzentwurf liegt aber noch nicht vor.

Durch den sich abzeichnenden Vergleich bei den 2-Liter-Motoren ist der Abgas-Skandal in den USA allerdings noch nicht bewältigt. Noch steht eine Einigung bei den 85 000 Fahrzeugen mit 3-Liter-Motoren aus. Auch aus den einzelnen Bundesstaaten droht Ungemach.

Am Dienstag erst hat ein weiterer Bundesstaat VW wegen des Abgas-Skandals verklagt. Mit Missouri gehen nun 17 US-Bundesstaaten gegen den Wolfsburger Autobauer gerichtlich vor. VW habe nicht nur die Umweltgesetze von Missouri missachtet, sondern auch die Gesundheit und das Wohl der Bürger von Missouri, schrieb Generalbundesanwalt Chris Koster in einer Mitteilung. Auch seitens der Bundesstaaten drohen Milliardenforderungen.