Braunschweig. Vor dem Landgericht Braunschweig muss sich VW nun nicht nur als Verkäufer von Autos mit Betrugs-Software, sondern auch als Hersteller verantworten.

Ein Leser namens „Wolfgang“ bemerkt zu den VW-Prozessen auf unseren Internet-Seiten:

Das Recht scheint nicht eindeutig zu sein. Die Richter entscheiden so verschieden...

Zum Thema recherchierte Andre Dolle

Ein Autokäufer aus Berlin warf dem VW-Konzern am Donnerstag vor, ihm vorsätzlich Schaden zugefügt und somit „sittenwidrig“ gehandelt zu haben. Der Käufer war der erste, der VW im Zuge des Abgas-Skandals vor dem Landgericht Braunschweig als Hersteller verklagt.

Bisher musste sich der Konzern immer als Verkäufer verantworten. Der Kläger fordert den Kaufpreis für seinen Passat von VW zurück.

Der Berliner wurde grundsätzlich: Sein Schaden bestehe darin, das Auto überhaupt gekauft zu haben. Andere Kläger vor ihm beriefen sich auf vermeintliche Verluste beim Wiederverkauf des Autos, auf die nur schleppend vorangehende Umrüstung der Diesel-Fahrzeuge oder einen eventuell höheren Spritverbrauch beziehungsweise Leistungsverluste durch die Umrüstung. Auf einzelne dieser Punkte bezog sich der Berliner nur am Rande.

Kern seiner Klageschrift ist Paragraf 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches, die „sittenwidrige vorsätzliche Schädigung“ – ein scharfes Schwert. „Hätte ich gewusst, dass VW betrügt, hätte ich den Kaufvertrag niemals abgeschlossen“, sagte der Kläger. Er habe den Passat 2.0 TDI von 2009 vor drei Jahren nur gekauft, weil er davon ausgegangen sei, dass dieser umweltschonend sei. Der Vielfahrer nutzt sein Auto auch für Fahrten nach Österreich und in die Türkei. Gekauft hatte er den Passat für 15.000 Euro. Seit 2013 ist er 62.000 Kilometer gefahren. Die würde das Gericht berücksichtigen, so es denn der Argumentation des Klägers folgt.

Das war am Donnerstag noch nicht ersichtlich. Bodo Seidel, der Anwalt des Klägers, erbat sich eine Tendenz. Richter Johannes Mühe wollte aber noch keine Richtung vorgeben. Dementsprechend hart gaben sich die VW-Anwälte. Einem Vergleich wollten sie keinesfalls zustimmen.

Das entspricht der Linie von VW. Klagen von VW-Kunden laufen zurzeit an vielen Landgerichten. Die Rechtsprechung ist bislang aber uneinheitlich. Die meisten Gerichte hatten die Klagen von VW-Kunden zurückgewiesen. Derzeit liegen VW 49 Urteile vor. In 39 Fällen wurden Klagen von Käufern abgewiesen, in zehn Fällen bekamen sie Recht.

Erst am Mittwoch entschied das Landgericht Braunschweig im Sinne eines Klägers. Ein VW-Verkäufer aus dem Kreis Wolfenbüttel muss ein Diesel-Auto mit der Betrugs-Software zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten. Der Händler muss für den Skoda Fabia der VW-Tochter gut 10 600 Euro an den Kunden zurückzahlen. Gekostet hatte der Neuwagen im April 2015 knapp 12 000 Euro.

Zu einer Gesamtzahl der Klagen von Autobesitzern gegen VW wollte sich der Konzern bisher nicht äußern. Gemessen an den insgesamt 2,4 Millionen betroffenen Dieselautos in Deutschland dürfte die Zahl der Klagen jedoch gering sein. VW hatte zuletzt angekündigt, bis spätestens Herbst 2017 alle manipulierten Diesel-Wagen umzurüsten.

Im aktuellen Fall vor dem Landgericht Braunschweig konnte der Käufer aus Berlin seinen Autohändler nicht mehr verklagen, weil die Gewährleistung abgelaufen ist. Deswegen verklagt er nun VW als Hersteller.

Richter Mühe zeigte Verständnis für die Enttäuschung des Autokäufers. „Der Skandal stößt auf großes Unverständnis in der Bevölkerung“, sagte er.

Anwalt Udo Zimmermann, der den VW-Konzern vertrat, schlug vor, doch erst die Umrüstung des Passats abzuwarten. Mit der sei im Falle des Berliners ab dem

21. November zu rechnen. Darauf wollten sich der Kläger und sein Anwalt nicht einlassen. Fortgesetzt wird das Verfahren Anfang Dezember.