Berlin. Smartphone nach dem Kauf defekt? Oder der Rasenmäher? Kunden sind bei Reklamation nun besser geschützt – wenn sie ihre Rechte kennen.

Tritt nach dem Kauf ein Mangel auf, ist der Ärger groß. Aber welche Rechte haben Kundinnen und Kunden dann? Die meisten sprechen von Garantie, wenn sie im Geschäft reklamieren möchten. Dabei haben sie ein sogenanntes Gewährleistungsrecht – das mehr bietet. Diese Gewährleistung hat der Gesetzgeber jetzt sogar verbessert.

Verbraucher können die Gewährleistung nun ein ganzes Jahr nach dem Kauf des Produkts gut durchsetzen statt zuvor nur ein halbes Jahr. Außerdem greift das Gesetz nun auch bei digitalen Produkten wie Streamingdiensten, Apps oder Smartwatches. „Wir gehen davon aus, dass das neue Gesetz ein positives Ergebnis bringen wird“, sagt Iwona Husemann, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

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Gewährleistung – Was bedeutet das überhaupt?

Der Händler muss zwei Jahre lang dafür geradestehen, die verkaufte Neuware mangelfrei an den Käufer übergeben zu haben. Ist das nicht der Fall, kann der Kunde eine kostenlose Reparatur oder den Ersatz durch eine einwandfreie Ware verlangen. Die Behebung des Mangels wird im Bürgerlichen Gesetzbuch als „Nacherfüllung“ bezeichnet. Wichtig zu wissen ist: Der Verkäufer trägt die Kosten für Transport, Arbeitsleistung und Materialien, die bei der Nacherfüllung entstehen.

Die strittige Frage ist dabei: Hatte das Produkt seine Macke wirklich schon bei Übergabe an den Kunden? Oder hat der Kunde den Schaden vielleicht selbst zu verantworten, etwa wegen eines unsachgemäßen Umgangs damit? Hier stellt sich die Beweisfrage.

Das alte Recht traf dazu folgende Regelung: Nur wenn das Gekaufte innerhalb des ersten halben Jahres kaputtging, wurde gesetzlich vermutet, dass der Fehler von Anfang an bestand – und der Verkäufer also „nacherfüllen“ musste, das heißt, reparieren oder für Ersatz sorgen.

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Neu ist nun: Seit Januar kann der Kunde das ganze erste Jahr die Gewährleistung einfordern, ohne selbst beweisen zu müssen, dass die Ware schon beim Erhalt mangelhaft war. Die gesetzliche Frist wurde also um ein halbes Jahr verlängert. Die neue Regelung gilt für Käufe seit dem 1. Januar. Bei Produkten, die zuvor gekauft wurden, gilt also noch das alte Recht.

Gewährleistung und Garantie – Was ist der Unterschied?

Hersteller und Händler können eine Garantie für ihr Produkt geben – müssen dies aber nicht. An die beschriebene gesetzliche Gewährleistung sind die Unternehmen hingegen immer zwingend gebunden.

Der zweite Unterschied: Bei einer Garantie legen die Anbieter deren Umfang und Dauer in jedem Einzelfall selbst fest nach eigenem Belieben. Die Gewährleistung ist aber gesetzlich genau festgelegt. Das wird oft fälschlicherweise vermischt. „Die meisten verwenden die Begriffe Garantie und Gewährleistung synonym, dabei geht es um unterschiedliche Dinge mit unterschiedlichen Rechten“, sagt Expertin Husemann.

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In Garantien häufig nicht eingeschlossen sind beispielsweise einzelne Teile wie der Akku. Oder die Lohnkosten für Reparaturen werden vom Garantiegeber nicht übernommen. „Bei der gesetzlichen Gewährleistung ist das anders. Der Mangel, der bei Übergabe der Ware bestand, muss ohne Kosten für den Kunden behoben werden“, erläutert Verbraucherschützerin Husemann.

Wichtig zu wissen: Eine Garantie schränkt die gesetzliche Gewährleistung nicht ein. Der Kunde kann also entscheiden, ob er sich statt auf eine gültige Garantie lieber auf die Gewährleistung beruft. Beispiel defektes Smartphone-Display: Laut Bundesjustizministerium muss sich der Kunde vom Verkäufer nicht an den Hersteller verweisen lassen, der eine Garantie für das Display übernommen hat. Vielmehr kann er auf eine Reparatur durch den Verkäufer im Rahmen der Gewährleistung bestehen.

Was gilt für Digitales?

Das Gesetz regelt nun, dass die Kunden auch Mängel an digitalen Produkten reklamieren und sich dabei auf die gesetzliche Gewährleistung stützen können. „Fehlerhafte Streamingdienste, Software oder Apps müssen nachgebessert oder durch eine fehlerfreie Version ersetzt werden“, erläutert Tiana Schönbohm, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Niedersachsen.

Laut Bundesjustizministerium liegt ein Mangel beispielsweise vor, wenn ein Hörbuch nicht die versprochene Länge hat oder sich eine CD auf einem gewöhnlichen CD-Player nicht abspielen lässt. Ein Computerprogramm gilt als mangelhaft, wenn es sich nicht reibungslos laden lässt, im Betrieb hängen bleibt oder Sicherheitslücken aufweist.

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Zu den digitalen Produkten gehören den Angaben zufolge auch Cloud- und Messengerdienste, soziale Netzwerke und E-Mail-Programme – und zwar unabhängig davon, ob der Kunde für sie einen Preis in Geld zahlt oder persönliche Daten preisgibt. „Smarte“ Geräte wie Saugroboter, Kühlschränke oder Armbanduhren, die mit Software ausgestattet sind, fallen ebenfalls unter die gesetzliche Regelung. „Wie die Handhabung der neuen Vorgaben durch die Anbieter in der Praxis ablaufen wird, wird sich allerdings noch zeigen müssen“, sagt Verbraucherschützerin Schönbohm.

Dieser Artikel erschien zuerst auf abendblatt.de.