Berlin. Mediziner registrieren viele Anfragen verunsicherter Patienten wegen der Corona-Impfung. Die wichtigsten Erkenntnisse.

  • Seit einigen Wochen werden in Deutschland Menschen gegen das Coronavirus geimpft
  • Besonders Patienten mit Vorerkrankungen sind sich oft unsicher, ob die Impfung für sie sinnvoll ist - oder sie sogar Gefahren mit sich bringen könnte
  • Wir klären die wichtigsten Fragen

Zwei Impfstoffe sind aktuell für den Kampf gegen Covid-19 in der Europäischen Union zugelassen. Hersteller sind Biontech/Pfizer und Moderna. Bis Freitag hatten nach Angaben des Robert Koch-Instituts rund 900.000 Menschen in Deutschland eine erste Dosis erhalten.

Medizinische Fachgesellschaften berichten gleichzeitig von einer steigenden Zahl von Anfragen verunsicherter Patientinnen und Patienten – vor allem von Allergikern, Krebs-, Rheuma- und Herzkranken.

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Corona-Impfung: Risikoeinschätzung bei Vorerkrankungen

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das Bundesinstitut für Impfstoffe also, hat bislang keine Hinweise auf vermehrt auftretende Nebenwirkungen bei Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna. Das teilte das Institut jetzt mit.

Bis Anfang der Woche waren der Fachbehörde 325 Verdachtsfälle gemeldet worden, 51 davon seien als schwerwiegend einzuschätzen. Diese Werte deckten sich mit den Daten aus den klinischen Zulassungsstudien und seien zudem statistisch unauffällig. PEI-Präsident Klaus Cichutek betonte, dass die Risiken der beiden zugelassenen Impfstoffe nach bisherigem Stand „sehr, sehr begrenzt“ seien.

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Bis vergangenen Donnerstag wurden dem PEI zehn Todesfälle nach Impfungen gemeldet. Die Fachbehörde geht aber nicht davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen dem Tod und den Impfungen besteht. Es habe sich um Patienten mit „gravierenden Grunderkrankungen“ gehandelt, die sich teilweise sogar bereits in Palliativbehandlung befunden hätten. Das PEI will künftig wöchentlich über die gemeldeten Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung informieren.

Allergiker: Das müssen Sie zur Corona-Impfung wissen

In Großbritannien, aber auch in den USA war es nach Beginn der Impfungen mit dem Vakzin von Bion­tech/Pfizer in Einzelfällen zu schweren allergischen Reaktionen gekommen. Mindestens vier Menschen erlitten einen anaphylaktischen Schock. Die Folgen können lebensbedrohlich sein, Betroffene können einen Kreislaufkollaps erleiden. Zwei der vier Patienten hatten allerdings eine entsprechende Vorgeschichte.

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Nach Aussagen dreier allergologischer Fachgesellschaften wird derzeit ein Zusatzstoff des Vakzins, Polyethylenglykol (PEG), als Auslöser der schweren Zwischenfälle angesehen. Weitere Untersuchungen sollen Klarheit bringen.

Allergische Reaktionen auf Impfstoffe sind den Angaben zufolge sehr selten. Sie treten in einer Spanne von einem pro eine Million bis zu 30 pro 100.000 Impfungen auf. Bis Sonntag waren es im Rahmen der Corona-Impfungen in Deutschland nach PEI-Angaben 0,08 Verdachtsfälle für schwerwiegende Nebenwirkungen pro 1000 Impfdosen.

Experten des PEI und der Europäischen Arzneimittelbehörde hatten nach Bekanntwerden der ersten Zwischenfälle die Daten erneut geprüft. Im Ergebnis konnten sie kein höheres Risiko für Menschen mit allergischen Erkrankungen feststellen. „Bekannte Allergien gegenüber Lebensmitteln und Medikamenten sind deshalb nicht grundsätzlich ein Ausschlusskriterium“, teilte das PEI mit. In Deutschland gibt es Schätzungen zufolge 24 Millionen Allergiker.

Die allergologischen Fachgesellschaften teilen diese Auffassung. Sie mahnen in einer gemeinsamen Stellungnahme aber Menschen zur Vorsicht, die auf mehrere Nahrungsmittel oder Medikamente allergisch reagieren. Sie gehörten womöglich zu jenen ein bis drei Prozent der Bevölkerung, die anaphylaxiegefährdet seien. Auch Menschen mit einer bekannten Allergie gegen Polyethyl­englykol sollten sich zurückhalten.

In Verdachtsfällen, heißt es in der Stellungnahme weiter, sollte vor einer Corona-Impfung eine allergologische Abklärung durch Haut-Pricktest oder Labordiagnostik gemacht werden. Alle Allergiker sollten nach der Impfung sicherheitshalber 15 Minuten zur Beobachtung im Impfzentrum bleiben.

Herzkranke: Der Nutzen ist größer als das Risiko

Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt Herz-Kreislauf-Patienten trotz möglicher Nebenwirkungen eine Impfung gegen Covid-19. Der Nutzen würde weit überwiegen. Die Stiftung folgt damit der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko).

„Auch ein Schrittmacher, ein Defibrillator oder Rhythmusstörungen sind keine Gegenanzeige gegen eine Immunisierung“, sagt Prof. Thomas Meinertz, Kardiologe und Pharmakologe aus Hamburg und ehemaliger Vorsitzender der Herzstiftung.

Weil viele Herzpatienten Medikamente zur Blutverdünnung nehmen, sogenannte Gerinnungshemmer, empfiehlt Meinertz diesen eine Impfung mit einer besonders dünnen Nadel samt anschließender gründlicher Kompression der Einstichstelle. In Abstimmung mit den Ärzten könnte die Einnahme der Mittel auch am Morgen der Impfung kurzfristig ausgesetzt werden.

„Auch bei Menschen mit einem transplantierten Herzen spricht bisher alles dafür, dass sie gegen Covid-19 geimpft werden, egal mit welchem der beiden Impfstoffe“, sagt Kardiologe Meinertz. Zwar gebe es dazu bisher wenige wissenschaftliche Daten, diese aber entstünden aktuell im Rahmen einer Untersuchung des Herzzentrums in Bad Oeynhausen. Eine Transplantation sei jedenfalls nicht grundsätzlich ein Ausschlusskriterium.

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Rheuma/Autoimmunkrankheiten: Viele Patienten verunsichert

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) meldet eine steigende Zahl von Anfragen verunsicherter Patienten. Anlass dazu seien Fehlinformationen, „nach denen eine Impfung gegen Covid-19 für Menschen mit Rheuma risikobehaftet und damit nicht in Anspruch zu nehmen ist. Dies trifft nicht zu“, betont die DGRh.

„Die Falschinformationen zur Impfung sind nicht nur unbegründet, sie sind potenziell lebensgefährlich für die Betroffenen, denen man die Impfung verwehrt“, sagt Präsident Prof. Andreas Krause. Die Fachgesellschaft empfiehlt ausdrücklich die Impfung von Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Die Empfehlung der Impfkommission schließe Patienten mit chronischen Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn oder Multiple Sklerose sowie Menschen unter immunsuppressiver Therapie ein. Bei Letzterer wird die Reaktion des Immunsystems unterdrückt.

Krebs: Corona-Impfung nicht ausgeschlossen

Auch die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie berichtet von zahlreichen Anfragen. Diverse Fehlinformationen veranlassten die Experten jetzt dazu, ihre Empfehlung von Dezember zu konkretisieren. „Weder eine Krebserkrankung noch eine systemische Krebstherapie stellen eine Kontraindikation gegen eine Schutzimpfung dar“, teilte die Gesellschaft mit. Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt sollten die Patientinnen und Patienten Vorteile und Risiken abwägen und dann eine Impfentscheidung treffen.